| # taz.de -- „Opfer-Abo“ für Männer: Ich will das Schwanzding | |
| > Bisher durften nur Frauen richtige Opfer sein, sogar ein Abo hatten sie | |
| > darauf. Nun gibt es das endlich auch für Männer. Unser Autor hat gleich | |
| > eins gekauft. | |
| Bild: Ihm verdanken wir das Wort „Opfer-Abo“, das zum Unwort des Jahres 201… | |
| BERLIN taz | Es klingelt: Bestimmt wieder so ein Vertreter für überflüssige | |
| Produkte wie Hausdurchsuchungen oder Ewige Leben. Ich freu mich schon | |
| darauf, mit Schwung die Wohnungstür aufzureißen, um den Störer ordentlich | |
| zu erschrecken. Zwei Opfer unter sich. Mein Gegenüber zuckt jedoch nicht | |
| mal mit der Wimper, sondern nimmt mir gleich den Wind aus den Segeln: | |
| „Schönen guten Tag! Manfred Neuner von der Drückerkolonne Oppress. Haben | |
| Sie schon ein Opfer-Abo?“ | |
| Normalerweise kaufe ich ja nichts an der Haustür. Aber das klingt | |
| interessant, denn ein Opfer-Abo habe ich erstens tatsächlich nicht und | |
| zweitens hätte ich schon immer gerne eins gehabt. Die Frauen sollen alle | |
| schon eins haben. Nur wir Männer nicht. Das finde ich wahnsinnig | |
| sexistisch. „Was haben Sie denn zur Auswahl?“, höre ich mich sagen. | |
| Raschelnd zieht Neuner eine Handvoll Listen aus der Tasche: „Der | |
| Bespringer-Verlag hat nach der Wahl von ’Opfer-Abo‘ zum ’Unwort des Jahres | |
| 2012‘ marktgerecht reagiert und vor allem Opfer-Abos für Männer ins | |
| Portfolio aufgenommen. Mit der sogenannten Kachelmann-Sakkas-Kombi wären | |
| Sie für mein Gefühl ganz gut versorgt. Wenn Sie einmal schauen möchten.“ | |
| Ich werfe einen Blick auf das Angebot. Sieht gut aus. „Dieses Schwanzdings | |
| nehme ich.“ | |
| ## Nie mehr selbst bedauern | |
| „Eine hervorragende Entscheidung.“ Er klatscht wie ein Äffchen in die | |
| Hände, um anschließend die Regularien zu erklären: „Und weil das Ganze ja | |
| ein Abo ist, verlängert sich ihr Opferanspruch automatisch einmal im Monat, | |
| jährlich kündbar jeweils bis zum 31. Oktober. Sie brauchen sich fortan nie | |
| mehr selbst zu bedauern.“ | |
| „Das ist toll“, freue ich mich. Ich sehe mich schon, wie ich feiern, | |
| tanzen, um die Welt reisen und all die Dinge tun werde, die ich niemals | |
| machen konnte, da ich immer nur damit beschäftigt war, auf dem Sofa liegend | |
| mein Los und die Ungerechtigkeit der Welt zu verfluchen. | |
| „Wenn Sie hier bitte unterschreiben möchten?“ | |
| Auf einem Klemmbrett blättert er mir geschickt einen Opfer-Abo-Schein nach | |
| dem anderen auf: „Und hier, und hier, und hier …“ | |
| ## „Wer ficken will, muss freundlich sein“ | |
| Ich unterschreibe den Vertrag für „Meine Mutti hat mich nicht lieb“, „Me… | |
| Freundin hat mich betrogen“, „Kleine Jungen werden in der Schule nicht | |
| gefördert“, „Wer ficken will, muss freundlich sein“, „Ich halte es nic… | |
| aus, wenn eine Frau mein Chef ist“ und „Die Weiber wollen es ja im Grunde | |
| gar nicht anders“ sowie noch ein Dutzend weiterer Opferklagen. Aus dem | |
| allgemeinen Programm wähle ich dann nur noch das „Ich habe einen | |
| selbstbestimmten Beruf gewählt, der mich erfüllt, blicke auf alle anderen | |
| herunter und heule trotzdem über Armut und Unsicherheit“-Abo. | |
| Eher desinteressiert fragt der Drücker weiter: „Wohnen bei Ihnen noch | |
| Frauen im Haushalt?“ Das Wort „Frauen“ spricht er aus wie „Kakerlaken�… | |
| gefällt mir. „Nein“, sage ich. „Um Gottes Willen.“ Ich schüttle mich … | |
| allein bei dem Gedanken. Allerdings finde ich, dass er sich das als | |
| erfahrener Opfer-Abo-Agent hätte denken können. Ich meine, wozu habe ich | |
| denn gerade das gesamte Männersortiment abonniert. Wer bin ich denn? Da | |
| muss doch völlig klar sein, dass ich ein Mordsproblem mit den Weibern habe. | |
| ## Frustrierter Wichser ohne Rückgrat | |
| Er sieht seine Unachtsamkeit selber ein: „Dumm von mir. Bei Erwerb des | |
| Rundum-sorgenvoll-Pakets ist es natürlich klar, dass Sie ein frustrierter | |
| Wichser ohne Rückgrat sind. Tut mir leid.“ | |
| „Schon gut“, sage ich, und er fährt fort: „Frauen-Opfer-Abos sind eh bl�… | |
| Viel zu billig, und außerdem besitzen die meisten Frauen in Deutschland | |
| längst eins. Denn bis auf die aufrechten paar Millionen selbstmitleidiger | |
| Psychopathen, die die Hellziffer von Fehlanschuldigungen schwerer gewichten | |
| als die hundertmal höhere Dunkelziffer nicht angezeigter Vergewaltigungen | |
| besteht doch leider ein gewisser Konsens über die angebliche Opferrolle der | |
| Frau.“ | |
| „Ja“, seufze ich. „Das ist schon schlimm. Ich tu mir so leid.“ | |
| „Das können Sie ja jetzt zum Glück auch – schwarz auf weiß!“ Herr Neun… | |
| schlägt mir kräftig auf die Schultern. „Und hier“, er zieht ein | |
| eingeschweißtes Glitzertuch aus der Tasche und überreicht es mir feierlich, | |
| „bekommen Sie noch ein kleines Geschenk von uns: Einen goldenen | |
| Jammerlappen.“ | |
| Dankend schließe ich die Tür. | |
| 23 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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