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# taz.de -- Landflucht in Schleswig-Holstein: Das Ende der Dorfschulen
> Die Initiative "Kurze Beine - kurze Wege" kämpft um den Erhalt zweier
> kleiner Schulen in Dithmarschen. Sie fürchtet, dass die Dithmarscher
> Vorreiter für eine verhängnisvolle Entwicklung sein könnten.
Bild: Demonstrierten für ihre Dorfschulen vor dem Kieler Landtag: Besorgte Elt…
HAMBURG taz | Einen Arzt im Dorf? Gab es nicht in den letzten 15 Jahren.
Eine Bankfiliale? Gibt’s auch nicht mehr. Sandra Neukamm weiß, wie es ist,
in einem Ort mit schwacher Nahversorgung zu wohnen. Sie lebt im kleinen
1.200-Einwohner-Dorf Hochdonn in Schleswig-Holstein und dort muss man für
viele Alltagsdinge in eine der Nachbargemeinden, rund fünf Kilometer
entfernt. Doch eine Grundschule, die gibt es – noch.
Neukamms Sohn geht dorthin. Doch eine richtige, volle eigenständige Schule
ist sie schon länger nicht mehr – die Schülerzahlen sind zu niedrig, die
Schule ist Außenstelle der Fief-Dörper-School in Süderhastedt. Etwa 50
Schüler sind noch dort, sagt Neukamm.
Im September des vergangenen Jahres stand eine Schließung im Raum, die
gerade noch abgewendet werden konnte, weil sich die Kommune stärker
engagiert und pädagogische Hilfskräfte finanziert. Doch seitdem kämpft
Neukamm für den Erhalt der Schule im Dorf. In Hochdonn. Und anderswo im
Land. Am Freitag demonstrierte sie mit 50 Eltern, Schülern und Lehrern vor
dem Kieler Landtag. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat mit Neukamm
gesprochen.
„Wir kämpfen alle mit Landflucht“, sagt Neukamm. Die Hoffnung auf dem Land
sind junge Familien, doch die in ein Dorf ohne Schule zu locken, ist
schwierig. In Schafstedt, einem Nachbarort von Hochdonn, sollen im nächsten
Schuljahr in die dortige Schule keine Schüler mehr eingeschult werden.
Neukamm befürchtet, dass es vielen Grundschulen in Schleswig-Holstein so
gehen könnte, wie denen in den beiden Dithmarscher Dörfern, um deren
Existenz sie bangen. Insgesamt 100 solcher Schulen könnten in den nächsten
zehn Jahren verschwinden, wenn die Regeln so bleiben, wie sie sind, so die
Überschlagsrechnung. 74 Schulen im Land gibt es schon, die nur noch
Außenstellen sind, sie gehören jeweils organisatorisch zu einer der 385
Grundschulen.
Eine eigenständige Grundschule erlaubt das Land nur, wenn sie mindestens 80
Schüler hat, so steht es in der [1][Mindestgrößenverordnung]. Schulen, die
das nicht erreichen, können sich an eine größere Grundschule anschließen –
müssen dann aber als Außenstelle mindestens 44 Schüler haben. Darüber wacht
die Schulaufsicht. Die Schließung einer Außenstelle oder das Ende von
Neueinschulungen in einer Außenstelle ist die Entscheidung der
Schulleitung, die zur Hauptstelle gehört.
Elf Grundschulen erreichen die Mindestzahl aktuell nicht, hat das Kieler
Ministerium laut [2][Niederschrift im Bildungsausschuss des Landtages]
erklärt, drei wollen sich zum nächsten Schuljahr einer anderen Grundschule
anschließen. In Kiel ist man eher von den größeren Schulen überzeugt.
„Regelmäßig wird ein vielfältiges, anregendes Lernumfeld vor allem an
größeren Schulen entwickelt werden können“, schreibt das Kultusministerium
in einer Antwort auf eine [3][Kleine Anfrage] des CDU-Abgeordneten
Jens-Christian Magnussen.
Die Forderung des Netzwerks: Es soll einen anderen Verteilungsschlüssel für
die Zuweisung von Lehrerstunden geben, der auch die Bevölkerungsdichte
berücksichtigt, also einen Dorfschulen-Bonus. Außerdem fordert die Gruppe
von der Landesregierung, alternative pädagogische Schulkonzepte – etwa
jahrgangsübergreifenden Unterricht – zu akzeptieren.
Außerdem sollten nicht Schulleiter allein entscheiden dürfen, dass Kinder
nicht mehr in einer Außenstelle eingeschult werden. Das sei nämlich quasi
das Ende der Schule, kritisiert Neukamm.
Das Ministerium gibt sich gesprächsbereit, Ministerin Wara Wende
(parteilos) fordert von den Dorfschulen in Schafstedt, Hochdonn und
anderswo „flexible Konzepte“, um die Schulstandorte zu erhalten – am best…
soll die ganze Region daran mitarbeiten. Die Vorgabe für solche Konzepte:
Sie sollen „sowohl kostenneutral als auch pädagogisch didaktisch
überzeugend“ sein.
Eine Hinhaltetaktik nennt das die CDU-Abgeordnete Heike Franzen. Sie sagt,
eben erst vorgelegte Konzepte seien vom Ministerium abgelehnt worden. Sie
fordert klare Ansagen vom Ministerium, damit die Schulen planen könnten.
Das Problem sei schließlich lang genug bekannt.
27 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&que…
[2] http://www.landtag.ltsh.de/export/sites/landtagsh/infothek/wahl18/aussch/bi…
[3] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0400/drucksache-18-0409.p…
## AUTOREN
Daniel Kummetz
Daniel Kummetz
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CDU Schleswig-Holstein
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Schule
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