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# taz.de -- Senat: Sozis auf dem Wellness-Trip
> Trotz S-Bahn- und Flughafen-Desaster verbringt die SPD eine geruhsame
> Klausur an der Ostsee. Ein Königsmörder ist nicht in Sicht.
Bild: Du kannst ruhig noch ein bisschen bleiben... SPD-Fraktionschef Raed Saleh…
Personalentwicklung. Kitas. Deutsch-polnische Wirtschaftsbeziehungen. All
das steht auf der Tagesordnung, als die SPD-Fraktion am Wochenende zur
Klausurtagung an der polnischen Ostseeküste zusammenkommt. Die zentralen
Fragen aber sind: wie weiter mit Klaus Wowereit, dem Flughafen und der
S-Bahn? Und wie geht man in Klausur mit vielen spätabendlichen
Journalistengesprächen, direkt nach dem Aufsehen erregenden Artikel über
den mutmaßlichen Sexismus von FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle, eben bei
spätabendlichen Journalistengesprächen?
Die Fragezeichen hinter Flughafen und S-Bahn bleiben auch nach der Klausur.
Das bei Wowereit ist jedoch kleiner geworden. Weder von Abdanken noch von
Sturz ist die Rede. Stattdessen wünscht sich mancher sogar, dass er bei der
Wahl 2016 wieder antritt.
„Der Aufsteiger“ steht über einem Zeitungsartikel, für dessen Lektüre
mancher Abgeordnete die vierstündige Busfahrt in die nordpolnische
Hafenstadt Kołobrzeg nutzte. Um Raed Saleh ging es, der es vom
Einwandererkind zum Fraktionschef gebracht hat. Viele meinten zuletzt, dass
Saleh weiter aufsteigen und Wowereit als Regierenden Bürgermeister ablösen
will. Weil die beiden gemeinsam mit Landesparteichef Jan Stöß jüngst ein
SPD-Strategiepapier präsentierten, war sogar von einer neuen Augenhöhe die
Rede. Aus der bisherigen Alleinherrschaft Wowereits sei eine
Dreierherrschaft geworden. Triumvirat hieß so etwas im alten Rom, das erste
bildeten Cäsar, Pompejus und Crassus – was zum einen in einen Bürgerkrieg
führte und zum anderen keinen der drei glücklich enden ließ: Sie wurden
umgebracht.
## Spöttische Blicke für Saleh
Das Bild am Wochenende in Kołobrzeg ist aber nicht das eines Mehrgestirns.
Zwar zieht Wowereit sich mit Saleh, Stöß und Verkehrssenator Michael Müller
zurück, um über die Probleme bei der S-Bahn zu sprechen – ein
Gerichtsspruch hatte vergangene Woche die seit Juni laufende Ausschreibung
für den künftigen Betrieb infrage gestellt, weil der Senat sie zu
kompliziert gestaltet habe.
Doch in kleinem Kreis an einem Tisch zu sitzen, das bedeutet noch längst
nicht Augenhöhe. Denn wer Abgeordnete nach Salehs Ambitionen fragt, der
erntet mal einen spöttischen Blick, mal eine beredte Aufklärung darüber,
warum es keine Alternative zu Wowereit gebe. Von kurzfristiger Ablösung
nach der Bundestagswahl im Herbst ist nichts zu hören. Wowereit selbst hat
längst angekündigt, bis 2016 im Amt zu bleiben.
Saleh hat ein gutes Gefühl für die Stimmung in der Fraktion und betont auch
in Kołobrzeg Solidarität und Stabilität. Er weiß, dass Königsmörder wie im
Falle Cäsar oft ein böses Ende nehmen. Er ist nicht unter Zeitdruck, den
Regierenden wegzustoßen. Saleh ist 35, Wowereit 59, er kann warten, bis der
von allein geht – als Fraktionschef sitzt er auf einem erstklassigen
Nachrückerplatz. „Selbstbewusstsein zeigt sich auch dann, dass man
solidarisch ist, wenn es darauf ankommt“, sagt Saleh vor den Abgeordneten
und spielt damit auf das Misstrauensvotum vor zwei Wochen an: Die
rot-schwarze Koalition hatte sich einstimmig hinter Wowereit gestellt, als
die Opposition seine Abwahl verlangte. Und auch von Parteichef Stöß gibt es
Selbstbestätigung: „Wir können insgesamt selbstbewusst sein, wie
unglaublich wir diese Stadt positiv verändert haben.“
## Bloomberg und Wowereit
Da ist es dann für die Fraktion eine nette Zugabe, als Berlins oberster
Tourismuswerber Burkhard Kieker seinen Gastauftritt nutzt, um Berlin als
„Gesamtkunstwerk, das lebt“, zu loben, was vor allem Wowereit zu verdanken
sei. Kieker zitierte den früheren Stabschef von US-Präsident Barack Obama,
Rahm Emanuel. Der, inzwischen Bürgermeister von Chicago, habe ihm gesagt,
es gebe nur zwei Bürgermeister mit Kultstatus auf der Welt: den New Yorker
Michael Bloomberg – und Wowereit.
Ohne Zutun der Abgeordneten erreicht dann noch die Brüderle-Diskussion über
Sexismus die Fraktionsklausur: Am Hotelfahrstuhl zeigen Werbeschirme unter
dem SPD-Logo eine halbnackte Frau, die mit verträumtem Blick bäuchlings auf
einer Liege ruht. „Speziell für die Gäste der SPD-Fraktion haben wir ein
Sonderangebot vorbereitet“, hat das Hotel dazugeschrieben und lässt die
Sozis schlucken. Der zur Aufklärung gedachte Nachsatz hilft da nicht viel:
20 Prozent Rabatt auf alle Leistungen im hauseigenen Wellness-Bereich.
28 Jan 2013
## AUTOREN
Stefan Alberti
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