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# taz.de -- GASTKOMMENTAR: Macht den Ausschuss urteilsfähig!
> Der Flughafen-Untersuchungsausschuss braucht eine angemessene
> Ausstattung, um seinen Auftrag adäquat erfüllen zu können.
Bild: „Wir können es ja eigentlich in Deutschland“, findet Bundesbauminist…
Egal ob beim BER, beim Bankenskandal oder in weiter zurückliegenden
Episoden wie der Garski-Affäre oder dem Steglitzer Kreisel: Die berüchtigte
Berliner Mischung aus Größenwahn, politisch-administrativer Inkompetenz und
einer oft korruptiven Verflechtung von Politik, Banken, Bau- und
Immobilienwirtschaft führt zu einer fast kompletten Nichtkontrolle
gesellschaftlich relevanter Infrastrukturprojekte.
Zur Berliner Skandalmischung gehört aber auch eine oft unangemessene
Aufarbeitung. Frank Zimmermann (SPD), der von 2002 bis 2006 den
Untersuchungsausschuss zum Bankenskandal leitete, kann ein Lied davon
singen, wie schwierig es ist, sich in Turnhallen durch Akten zu lesen und
die Wahrheit in hunderten Anhörungen und Zeugenvernehmungen herauszufinden.
Und da im Ausschuss kein Konsens über die Interpretation des Bankenskandals
zu erreichen war, bewies Zimmermann immerhin den Mut, ein für die
Öffentlichkeit nachvollziehbares, semikritisches Urteil selbst zu
verkünden. Dieses relativ schmale Ergebnis war nur möglich, weil einige
Ausschussmitglieder mit ihren Mitarbeitern bis zum Rande der Erschöpfung
gerackert hatten.
Wenn nicht alles täuscht, wird der Untersuchungsbrocken BER nicht kleiner
als der des Bankenskandals. Es gehört wenig Scharfsinn dazu, vorherzusagen,
dass die Spezifika der Berliner Skandalmischung bisher noch gar nicht
aufgeflogen sind: vor allem die Gefälligkeits- und Korruptionsstrukturen,
die an der Wachstums- und Jobmaschine BER ihre ökonomischen Interessen
hatten und haben.
Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, dass der
BER-Untersuchungsausschuss einer ist, der sieht, hinsieht und kompetent die
verschlungenen Entscheidungs- und Verantwortungsprozesse entschlüsselt.
Nach Lage der Dinge ist er dazu derzeit nicht in der Lage. Die personelle
Infrastruktur ist lächerlich: Zu den Abgeordneten, von denen mit einiger
Großzügigkeit die Hälfte als wirklich kompetent eingestuft werden können,
gesellen sich wenige wissenschaftliche Mitarbeiter. Zwar hat sich der
Mitarbeiter der Piratenfraktion bereits einen Namen mit der Aufarbeitung
des Bankenskandals gemacht, und auch für die Grünen arbeitet eine erfahrene
Kollegin, viele andere aber müssen sich erst mühsam einarbeiten.
Der Ausschussvorsitzende Martin Delius (Piraten) hat zwar unlängst in einem
FAZ-Interview Gespür für die richtigen Fragen erkennen lassen, aber auch er
ist mit dem kritischen Blick für Großprojekte erst in Anfängen vertraut.
Kurzum: Für ein Gremium, das zumindest im Vorfeld der nächsten Wahl einen
qualifizierten Zwischenbericht abliefern sollte, ist eine solche
Ausgangslage inakzeptabel.
Wenn Finanzsenator Nußbaum eben mal so 448 Millionen Euro für die
Fertigstellung des Flughafens erübrigen kann, dann wären wohl auch zwei
Millionen zusätzlich für Analysen, Expertisen, gutachterliche
Stellungnahmen und Beratungen angemessen. Es wäre schon gut, den Chefplaner
des Münchner und des Züricher Flughafens als Berater und Experten zu
gewinnen. Auch Erhebungen von Verkehrsplanern und Bürokratieexperten
könnten helfen, Licht ins Dunkel zu schaffen. Und schließlich gibt es
ausgewiesene Korruptionsexperten, die sich die spezifischen Berliner Wege
zwischen Politik, Verwaltung, Bauindustrie und Immobilienwirtschaft
anschauen müssten.
Ein Untersuchungsausschuss soll so arbeiten können, dass Transparenz
politische Lernprozesse ermöglicht. Wer ihn nicht angemessen ausstattet,
vertuscht seine organisierte Verantwortungslosigkeit. So weit sollten Sie,
Herr Wowereit, Ihre politischen Sinne noch beieinander haben.
Peter Grottian ist emeritierter Professor für Politikwissenschaften der
Freien Universität Berlin.
28 Jan 2013
## AUTOREN
Peter Grottian
## TAGS
Großprojekte
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Flugrouten
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