| # taz.de -- MEDIATION: Billiges Gequatsche | |
| > Die Sanierung des Landwehrkanals kostet 100 Millionen Euro weniger als | |
| > geplant - weil Bürger an der Diskussion über das umstrittene Projekt | |
| > beteiligt wurden. | |
| Bild: Anlass für die Mediation: Gefällte Bäume liegen im Sommer 2007 mit ihr… | |
| Die Sanierung des Landwehrkanals zeigt fulminant, was Bürgerbeteiligung | |
| bewirken kann: Die Wiederherstellung des maroden Ufers soll um mehr als 100 | |
| Millionen Euro billiger werden – dank jahrelanger Diskussion. | |
| Es war ein Megaverfahren, das diesen Erfolg auf den Weg brachte, die größte | |
| Mediation der Republik: Fünf Jahre lang saßen 25 Verbände zusammen, um sich | |
| über die Sanierung des Kanalufers zu verständigen. Vorausgegangen war | |
| heftiger Protest: Als im Sommer 2007 ein 50 Meter langer Abschnitt des | |
| Maybachufers ins Wasser sackte, beschloss das Wasser- und Schifffahrtsamt | |
| (WSA), 200 Bäume zu fällen. 38 schaffte es auch, dann protestierten | |
| Anwohner und besetzten Bäume. Als Ausweg blieb nur die Mediation. | |
| Die daran beteiligten Gruppen – neben WSA und Bürgerinitiative fünf | |
| Bezirke, Reedereien, Umweltverbände, IHK und Denkmalbehörde – kamen am | |
| Montagabend zu einer der letzten Sitzungen zusammen. Bereits zuvor hatten | |
| sie einen Haushaltsentwurf für den Bundestag verabschiedet, der eine | |
| erstaunliche Rechnung aufmacht: Ging das WSA anfangs von 180 Millionen Euro | |
| Sanierungskosten aus, um weitere Abstürze zu verhindern, so sind es jetzt | |
| nur noch 67 Millionen Euro an Bundesmitteln – ohne weitere Baumfällungen. | |
| „Ein Riesenerfolg“, sagt Achim Appel von der Bürgerinitiative „Bäume am | |
| Landwehrkanal“, Protestler der ersten Stunde. „Wir haben die Mammutbehörde | |
| WSA auf einen ökologischen, partizipativen Weg gelenkt und widerlegt, dass | |
| Bürgerbeteiligung zu Verteuerung führt.“ | |
| Auch das WSA zeigt sich zufrieden. „Die Diskussion hat sich gelohnt“, sagt | |
| der Berliner Amtsleiter Michael Scholz. Die 180 Millionen Euro relativiert | |
| er als eine anfängliche „Schätzzahl“. Die Einsparung sei aber natürlich | |
| erfreulich. „Das Verfahren werden wir bei ähnlichen Lagen wieder in | |
| Betracht ziehen.“ | |
| Die massive Kostensenkung ergibt sich aus einer kompletten Umkrempelung der | |
| ursprünglichen Planung: Statt mit teuren Stahlspundwänden soll das Ufer nun | |
| größtenteils mit Steinaufschüttungen unter Wasser abgestützt werden. Der | |
| Verzicht auf weitere Baumfällungen spart Ersatzpflanzungen. Untersuchungen | |
| zeigten, dass die Wurzeln der Pappeln und Weiden das Ufer nicht belasteten, | |
| sondern gar stabilisierten – die Anwohner protestierten also zu Recht. Man | |
| habe, verteidigt sich WSA-Leiter Scholz, damals eben noch andere Grundlagen | |
| gehabt. „Aus heutiger Sicht basierten die Fällungen auf falschen | |
| Einschätzungen.“ | |
| Insgesamt sollen 11 Kilometer Ufer zwischen Treptow und Charlottenburg | |
| saniert werden. Der Baubeginn ist für 2014 geplant, die Sanierung soll rund | |
| 10 Jahre dauern. Auf das Verfahren einigten sich die Beteiligten in | |
| mühsamen 39 Sitzungen, aber im Konsens. Appel zählt „mehrere tausend | |
| Stunden“, die er in dem Gremium verbracht hat. „Alles ehrenamtlich und | |
| ohne, dass ich vorher von der Materie Ahnung hatte.“ | |
| Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, dessen | |
| Bezirk mit am Tisch saß, preist die Bürgerbeteiligung als „absolut | |
| vorbildhaft“. Aus einer verfahrenen Situation sei ein „ökologischer wie | |
| wirtschaftlicher Erfolg“ geworden. Beeindruckt ist Schulz vom „überraschend | |
| großen Sachverstand der Bürger“. „Eigentlich müsste sie das Schifffahrts… | |
| zur Belohnung anstellen.“ | |
| Spätestens im Februar soll die Mediation nun gänzlich abgeschlossen werden. | |
| Geklärt werden muss noch, wie die Behörden nach Ende des Verfahrens weiter | |
| über die Baumaßnahmen informieren und bei Konflikten entscheiden. Eine | |
| Sprecherin des WSA signalisiert Offenheit: „Wir werden transparent und | |
| informativ weitermachen.“ Bei Achim Appel lösen solche Sätze immer noch | |
| freudiges Erstaunen aus. „Ich glaube, wir haben da einen Paradigmenwechsel | |
| eingeläutet.“ | |
| 28 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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| Berlin | |
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