# taz.de -- Wahlen zum neuen WTO-Chef: Schaulaufen in Genf | |
> Nach den erfolglosen zwei Amtszeiten des Franzosen Pascal Lamy sucht die | |
> WTO nach einer Nachfolge. Neun KandidatInnen haben sich beworben. | |
Bild: Pascal Lamy visualisiert die Dimension seiner Erfolge als Generaldirektor… | |
GENF taz | Je erfolgloser eine internationale Organisation, desto größer | |
das Interesse an ihrem Chefposten. Dieser Eindruck drängt sich auf | |
angesichts der großen Zahl von KandidatInnen für die Nachfolge von Pascal | |
Lamy. Der 66-jährige Franzose tritt Ende August nach zwei gescheiterten | |
Amtszeiten als Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) ab. | |
Die Rekordzahl von neun BewerberInnen präsentierte sich letzte Woche in | |
Genf dem Generalausschuß der 158 WTO-Mitgliedsstaaten. Bis Ende Mai muss | |
der Ausschuss eine Entscheidung im Konsens treffen. Seit der | |
WTO-Ministerkonferenz im November 2001 in Katars Hauptstadt Doha | |
scheiterten alle Bemühungen der WTO um neue globale Abkommen zur | |
„Liberalisierung“ des Welthandels an den Interessensgegensätzen der | |
Mitgliedsstaaten. | |
In Folge dieser Dauerblockade ist der ehemalige französische | |
Handelsminister und EU-Handelskommissar Lamy, der den WTO-Chefposten 2005 | |
mit großem Elan und optimistischen Ankündigungen angetreten hatte, längst | |
zur lahmen Ente geworden. Mit seinen zahlreichen Kompromiss-und | |
Lösungsvorschlägen für den Streit um Agrarsubventionen und den Abbau von | |
Handelsschranken für Dienstleistungen, Investitionen oder Industriegüter | |
konnte er die nationalen Egoismen der WTO-Mitgliedsstaaten nicht | |
überwinden. | |
Die noch zu Beginn von Lamys Amtszeit verbreitete Illusion, mit einem | |
gewieften, hartnäckigen und phantasiereichen Vermittler an der Spitze der | |
WTO ließe sich ein neues globales Handelsabkommen durchsetzen, ist längst | |
verflogen. Dennoch gibt es mehr BewerberInnen für den WTO-Chefposten, als | |
je zuvor in der Geschichte der 1993 gegründeten Organisation und ihres 1948 | |
etablierten Vorläufers GATT (Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen). | |
## Erstmals drei Frauen im Rennen | |
Unter den KandidatInnen sind mit den Handelsministerinnen Costa Ricas und | |
Indonesiens, Anabel Gonzalez und Mari Elka Pangestu sowie der kenianischen | |
stellvertretenden UNO-Generalsekretärin Amina Mohammed erstmals auch drei | |
Frauen. Bis auf den neuseeländischen Handelsminister Tim Groser kommen alle | |
KandidatInnen aus der südlichen Hemisphäre. | |
Als aussichtsreichste Bewerber für die Nachfolge Lamys gelten nach dem | |
Genfer Schaulaufen der neun KandidatInnen derzeit der brasilianische | |
WTO-Botschafter Roberto Carvalho de Azevedo und Südkoreas Handelsminister | |
Taeho Bark. | |
Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass die Industriestaaten des | |
Nordens zunehmend ihr Interesse an der Globalorganisation WTO verlieren und | |
stattdessen verstärkt auf bilaterale und regionale Handelsverträge setzen. | |
Die letztwöchigen Plädoyers von US-Vizepräsident Joe Biden und | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine Freihandelszone zwischen den USA und | |
der EU scheinen diesen Trend weg von der WTO zu bestätigen. | |
Doch Genfer WTO-Diplomaten aus dem Norden weisen diese Interpretation als | |
„vorschnell“ zurück. Der Neuseeländer Goser habe die Unterstützung der U… | |
Australiens und vieler EU-Staaten. Die USA würden, wie seit Gründung der | |
WTO, weiterhin auf einem der ebenfalls zum 1. September neu zu besetzenden | |
Posten der vier stellvertretenden Generaldirektors bestehen. | |
Ein Kandidat aus Europa für die Führungsposition sei nach zwei Amtszeiten | |
des Franzosen Lamy dieses Mal ausgeschlossen. Doch selbst wenn sich die | |
nördlichen Industriestaaten geschlossen für den Goser aussprechen sollten, | |
hat dieser keine Chancen. Denn auch von den sieben Vorgängern Lamys auf dem | |
Posten des Generaldirektors von WTO und GATT seit 1948 kam nur einer nicht | |
aus dem Norden. | |
4 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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