# taz.de -- Prozess wegen Vergewaltigung in Indien: Verordnete Anonymität | |
> Das Verfahren gegen die mutmaßlichen Vergewaltiger einer indischen Frau | |
> hat begonnen. Doch wegen eines staatlichen Maulkorbs wird kaum darüber | |
> berichtet. | |
Bild: Indische Frauen protestieren gegen die neuen Verordnungen, die ihnen nich… | |
DELHI taz | Mit Säcken über dem Kopf vermummte Gestalten – das ist alles, | |
was Indiens Öffentlichkeit von den Angeklagten im Prozess um die tödliche | |
Vergewaltigung einer Medizinstudentin in Delhi zu sehen bekommt. Die | |
Vergewaltigung, bei der am 16. Dezember letzten Jahres fünf Männer und ein | |
Jugendlicher ihr Opfer in einem fahrenden Bus mehrfach vergewaltigten und | |
mit einer Eisenstange misshandelten, löste in Delhi wochenlange Proteste | |
aus. Doch nun sind Regierung und Justiz bemüht, den Fall schnell | |
abzuschließen. | |
Das zeigte gerade auch der gestrige erste Verhandlungstag vor einem | |
Schnellrichter am Distriktgericht Saket in Delhi. Die Presse ist auf | |
Richterbeschluss von dem Prozess ausgeschlossen, wie in Indien bei | |
Vergewaltigungsfällen üblich. Man will damit die Anonymität der Opfer und | |
ihrer Familien bewahren. Doch in diesem Fall setzt sich der Vater des | |
Opfers so vehement wie bislang erfolglos für die Veröffentlichung des | |
Namens seiner Tochter ein. Doch solange die Behörden nicht mitziehen, | |
schweigen auch die Medien. | |
Anonym bleiben auch die Angeklagten, deren Anwälte vom Richter angewiesen | |
wurden, nicht mit den Medien zu sprechen. Die unvermeidbare Folge: Der | |
Prozess findet im öffentlichen Bewusstsein kaum statt. Am Abend berichtete | |
kaum ein indischer Fernsehsender davon. | |
Dabei trat als wichtigster Zeuge immerhin der Freund der Medizinstudentin | |
auf, der sie an jenem Abend ins Kino begleitet hatte und mit ihr jenen Bus | |
bestieg, in dem die Tat geschah und auch er schlimm zugerichtet wurde. So | |
musste er für das Gericht zunächst den Bus als Tatort identifizieren, wozu | |
er im Rollstuhl erschien. Sein Vater hatte zuvor verkündet, sein Sohn werde | |
alles unternehmen, um die Täter zu überführen. Doch weil der Freund schon | |
vor Wochen gegenüber den Medien seine Version der Ereignisse verbreitet | |
hatte, schien das öffentliche Interesse an seiner Person nun erlahmt. | |
Zweifelhaft ist auch, ob die Verteidiger dem Prozess noch eine | |
entscheidende Wendung geben können. Sie werden wohl versuchen, dem | |
jugendlichen Mittäter, der sich vor einem separaten Jugendgericht erst | |
später verantworten muss, die Hauptschuld zu geben. Angeblich sei er es | |
gewesen, der mit der Eisenstange die tödlichen Verletzungen verursachte. | |
## Schnelles Verfahren | |
Mit langwierigen Verhandlungen ist jedoch nicht zu rechnen. Aufgabe der | |
erst seit Januar im Zuge der Proteste neu eingeführten Schnellgerichte für | |
Vergewaltigungsfälle ist es, schnell zu urteilen. Revision aber bleibt | |
möglich. Genauso wie ein Gnadengesuch beim Präsidenten im Fall eines | |
Todesurteils. | |
Falls es auf die Höchststrafe hinausläuft, entspräche das nicht nur den | |
meisten Twitter-Kommentaren zum Prozess. Auch die Regierung sähe sich dann | |
in ihrem Bemühen bestätigt, Vergewaltigungen mit Todesfolge mit der | |
Todesstrafe zu ahnden. So sieht es eine Regierungsverordnung vor, die diese | |
Woche in Kraft trat und binnen sechs Monaten per Parlamentsbeschluss | |
Gesetzeskraft erhalten soll. | |
Die Verordnung regelt das Strafrecht für Vergewaltigungen neu. Bisherige | |
Strafmaße werden erhöht, der Polizei werden neue Vorschriften wie die | |
Vernehmung der Opfer durch Polizistinnen gemacht. Allerdings umgeht die | |
Verordnung zahlreiche Vorschläge einer nach dem 16. Dezember eingesetzten | |
Regierungskommission, die auch die strafrechtliche Verfolgung von | |
Vergewaltigungen in der Ehe gefordert hatte. Das aber ging der Regierung | |
entschieden zu weit. Deshalb soll auch der Prozess keinen neuen Wirbel | |
entfachen. | |
5 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Georg Blume | |
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