# taz.de -- Piraten-Forderung in Berlin: Abschiebeknast braucht Internet | |
> In Berlin-Grünau sitzt eine Vietnamesin seit Monaten in Einzelhaft und | |
> wartet auf ihre Abschiebung. Die Piraten fordern bessere Haftbedingungen. | |
Bild: Machte sich vor Ort ein Bild vom Abschiebeknast: Der Piraten-Abgeordnete … | |
BERLIN taz | Im Abschiebeknast in Grünau sitzt nach Angaben von Ludger | |
Hillebrandt vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst eine Frau seit 80 Tagen in | |
Einzelhaft. Die Polizei bestätigte gegenüber der Piratenfraktion 70 Tage | |
Einzelhaft. Zu Beginn hätte sie der Polizei zufolge eine Mitgefangene | |
gehabt. So oder so: Die Vietnamesin ist unter den gegenwärtig 13 | |
Abschiebehäftlingen in Grünau die einzige Frau. Männer und Frauen sind in | |
verschiedenen Etagen untergebracht. | |
Ludger Hillebrandt zufolge leidet die Frau wegen der Einzelhaft an | |
Depressionen. Julia Behrens von der Initiative gegen Abschiebehaft hat die | |
Vietnamesin mehrmals in Grünau besucht und beschreibt ihre Situation: Die | |
verwitwete Mutter sei nach Deutschland gekommen, um das Schulgeld für ihre | |
in Vietnam zurückgelassene Tochter zu verdienen und habe zwei Jahre in | |
einer vietnamesischen Familie als Kindermädchen gearbeitet. | |
„Sie wirkt psychisch ausgelaugt, erschöpft und müde und klagt über | |
Schlafstörungen“, sagt die ehrenamtlich tätige Studentin. Am Montag soll | |
die Frau nach Vietnam abgeschoben werden. Die Innenverwaltung bestätigt die | |
Abschiebung von vier Vietnamesen in einer Linienmaschine an diesem Tag ab | |
Schönefeld. | |
Der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt, der am Mittwoch gemeinsam mit | |
Basispiraten den Abschiebeknast besuchte, kritisiert die Haftbedingungen in | |
Grünau. Dort sind die Gefangenen in einem ehemaligen DDR-Frauenknast | |
untergebracht, der viel zu überdimensioniert ist für durchschnittlich 16 | |
Gefangene. Reinhardt: „Abschiebegefangene sitzen nicht zur Strafe hinter | |
Gittern, sondern lediglich, um ihre Abschiebung abzusichern. Da fände ich | |
es angebracht, sie nicht in einem Knast unterzubringen sondern an einem | |
freundlicheren Ort mit sozialen Kontakten.“ | |
## Kontakt zu Freunden und Familie | |
Das sei nicht nur aus humanitären, sondern auch aus finanziellen Gründen | |
nötig. Der überdimensionierte Grünauer Abschiebeknast kostet das Land | |
Berlin 11 Millionen Euro pro Jahr. Auf die 546 Abschiebegefangenen im | |
Vorjahr berechnet, bedeutet das 21.000 Euro pro Gefangenen. Die | |
Innenverwaltung sucht seit drei Jahren nach einem kleineren Gebäude und | |
präferiert eine Zusammenlegung mit Brandenburg. Ein Ergebnis gibt es noch | |
nicht. | |
Und die Piraten wären nicht die Piraten, würden sie zu einer weiteren | |
Verbesserung der Bedingungen vor Ort nicht Internet im Abschiebeknast | |
fordern. „Kurz vor der Abschiebung brauchen die Leute den Internetzugang | |
zur Beschaffung von Informationen, zur Rechtsberatung und um Kontakt zu | |
Freunden und Familie aufnehmen zu können“, sagt der Flüchtlingspolitiker. | |
Aus der Einsicht heraus, dass Abschiebehaft keine Strafhaft ist, erlaubt | |
die Innenverwaltung in Grünau seit Jahren ein Handy für die Gefangenen, | |
allerdings ohne Internetfunktion und ohne Kamera. Reinhardt: „Das Internet | |
ist weit mehr als nur eine moderne Kommunikationsplattform. Leben im und | |
mit dem Internet ist in Zeiten der digitalen Revolution der Schlüssel zur | |
freien Entfaltung der Persönlichkeit. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich | |
anerkannt, dass ein grundsätzliches Recht auf einen Internetzugang auch im | |
privaten Bereich besteht.“ | |
## Negativer Einfluss | |
Demgegenüber hat Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) grundsätzliche | |
Bedenken gegen Internet im Abschiebeknast. Auf eine parlamentarische | |
Anfrage der Piraten schrieb er: „Ein freier Internetzugang zu Inhalten, die | |
Bauanleitungen für gefährliche Gegenstände oder Schulungen zum Öffnen oder | |
Manipulieren von Sicherheitseinrichtungen enthalten, können die | |
Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Abschiebungsgewahrsam | |
erschweren. | |
Darüber hinaus kann ein freier Zugang zu Inhalten mit (ethnischen) | |
Beleidigungen, mit Verunglimpfungen von Religionen oder ein Zugriff auf | |
pornografische, gewaltverherrlichende, rassistische oder | |
menschenverachtende Inhalte den sozialen Frieden im Abschiebungsgewahrsam | |
negativ beeinflussen.“ | |
In der letzten Legislaturperiode hatte der damalige Innensenator Ehrhart | |
Körting (SPD) allerdings keine grundsätzlichen Bedenken gegen Internet im | |
Abschiebeknast. Dem Grünen Benedikt Lux teilte er damals mit, es fehlte | |
lediglich das Geld. Auch andere Bundesländer sind hier schon weiter. | |
7 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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