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# taz.de -- Mietenkampf in Berlin: Polizei trickst Blockierer aus
> Zwangsräumung in Berlin-Kreuzberg: Trotz heftiger Proteste kann die
> Polizei die Wohnungsräumung der Familie Gülbol durchsetzen.
Bild: Trotz Protestblockaden: Hunderte Polizisten setzen in Berlin-Kreuzberg di…
Sie haben die Nacht in der Lausitzer Straße durchgemacht, die Aktivisten
von dem Bündnis „Zwangsräumung verhindern“. Um kurz vor sechs wird es
ernst: „So langsam erreichen uns Meldungen, dass sich Wannen sammeln“,
posten sie auf der Bündnisseite, mit der sie seit Wochen gegen die Räumung
mobilisieren.
Jetzt heißt es nichts wie raus, die Eingänge zum Haus blockieren, aus dem
die Familie Gülbol verdrängt werden soll. Die Räumung ist für neun Uhr
angesetzt. Über den Köpfen der Aktivisten dröhnt ein Hubschrauber. Die
Polizei ist zum Großeinsatz ausgerückt. Es geht um die 122
quadratmetergroße Wohnung der Familie Gülbol. Nach einem jahrelangen
Rechtsstreit um Mieterhöhung und nicht gezahlten Mieten hat ein Gericht die
Räumung bestätigt.
Die Polizei kommt früher als erwartet. Bereits um sechs Uhr hat sie die
Straße in beide Richtungen abgesperrt. Die meisten Unterstützer machen sich
erst jetzt auf den Weg und kommen nicht mehr in die Straße hinein. Sie
setzen sich direkt an die Sperre am Eingang der Straße, damit sie die
Gerichtsvollzieherin schon dort aufhalten können.
Es werden Pappen und heißer Tee gegen die Kälte verteilt. Es sind um die
500, die hier dagegen protestieren, dass immer mehr Menschen aus der
Innenstadt von Berlin verdrängt werden. Sie versperren alle Eingänge und
rufen: „Den Häusern denen, die drin wohnen.“ Mehrere Anwohner haben
Transparente aus den Fenstern gehängt. Sie stehen auf den Balkonen und
klopfen mit Kochlöffeln auf ihre Töpfe. Sie trommeln so laut, dass man den
Hubschrauber nicht mehr hört.
Was sie nicht wissen: Die Gerichtsvollzieherin ist längst im Haus. Bereits
um sechs Uhr ist die Polizei mit ihr über einen Nebeneingang in der Wiener
Straße in das Haus eingedrungen. Was der Familienvater Ali Gülbol
beobachtet hat: „Sie haben einen Zaun aufgeschnitten und eine Tür
eingeschlagen“, sagte er am Rande der Räumung. Kurz vor neun hat er der
Gerichtsvollzieherin ohne Widerstand den Schlüssel übergeben. Jetzt hat
seine Familie keine Wohnung mehr und wohnt erst mal bei seinen Eltern, eine
Etage darüber.
Die Gerichtsvollzieherin habe eine Polizeiweste mit Kennzeichnungsnummer
und Polizeimütze angehabt, erinnern sich mehrere Anwesende, darunter auch
der Abgeordnete der Linken, Hakan Tas. Ob sie dazu befugt ist, sei
fraglich. Missbrauch von Amtsabzeichen kann mit einer Freiheitsstrafe von
bis zu einem Jahr bestraft werden. Die Polizei wollte dazu keine Stellung
nehmen.
Wie konnte es überhaupt zu der Räumung kommen? Die Familie hat einen
jahrelangen Gerichtsstreit hinter sich. Nach eigenen Angaben hat Ali Gülbol
die Wohnung für insgesamt 20.000 Euro auf eigene Kosten saniert. Dafür habe
er mündlich mit dem Besitzer vereinbart, dass die Miete nicht steigen
würde. Doch der Vermieter wechselte – und die Miete erhöhte sich um 93 Euro
pro Monat.
Gülbol weigerte sich, das zu zahlen und der Fall kam vor Gericht. Nach
mehreren Verfahren bekam der Vermieter recht. Die Gülbols beglichen die
Nachzahlungen wie vom Gericht gefordert, allerdings mit Verspätung.
Daraufhin bestätigte ein Gericht die vom Hausbesitzer beantragte Räumung.
„In Kreuzberg ist es unmöglich, zu diesem Preis noch einmal eine solche
Wohnung zu finden“, sagte Ali Gülbol nach der Räumung vor dem Haus. „Die
Leute haben die Schnauze voll davon, immer nur zu schweigen“.
Nachdem die Blockierer erfahren, dass die Räumung längst gelaufen ist, ist
die Enttäuschung groß. Sie saßen stundenlang in der Kälte. Zum Vormittag
ziehen sie los zu einer Spontankundgebung. In der Oranienstraße stoppt die
Polizei die Demonstranten. Die kehren um und rennen zurück zur Skalitzer
Straße. Vereinzelt fliegen Steine gegen die Polizisten. Nach Polizeiangaben
wurden zehn Polisten verletzt. 15 Demonstranten wurden festgenommen.
14 Feb 2013
## AUTOREN
Martin Rank
## TAGS
Gentrifizierung
Berlin
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