| # taz.de -- Forschungsdefizite in der Krebsforschung: Auch die Onkologen werden… | |
| > Die Gesellschaft für Onkologie prognostiziert einen dramatischen Anstieg | |
| > an Krebserkrankungen bis 2020. Denn die Bevölkerung wird schlicht älter. | |
| Bild: Brustkrebs: Diagnose mit Hilfe der Magnetresonanz-Mammographie. | |
| BERLIN taz | Die Bevölkerung in Deutschland altert. Und: Mit zunehmendem | |
| Lebensalter nimmt die Häufigkeit von Tumorerkrankungen deutlich zu. Es sind | |
| diese zwei vermeintliche Binsenweisheiten, die die [1][Deutsche | |
| Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO)], die | |
| Fachgesellschaft der Krebsmediziner, jetzt miteinander verknüpft und zum | |
| Anlass genommen hat für [2][eine Studie, die ein erhebliches | |
| Forschungsdefizit hierzulande abbauen helfen soll:] künftige Anforderungen | |
| an die medizinische Versorgung krebskranker Menschen in Deutschland zu | |
| ermitteln. | |
| „Erstaunlich ist, dass systematische wissenschaftliche Untersuchungen | |
| bislang völlig fehlen, die diese beiden Entwicklungen zusammen betrachten“, | |
| begründete die DGHO-Vorsitzende Diana Lüftner ihre Initiative am Donnerstag | |
| in Berlin bei der Vorstellung der Ergebnisse. | |
| Mit der Bestandsaufnahme und Prognose bis zum Jahr 2020 hatte die DGHO das | |
| Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald unter | |
| Leitung des Epidemiologen Wolfgang Hoffmann beauftragt. | |
| Die Daten, die Hoffmann präsentierte, sind dramatisch. Obwohl die | |
| Gesamtbevölkerung zwischen 2008 und 2020 um etwa 1,8 Millionen Einwohner | |
| (2,2 Prozent) abnehmen werde, sagte Hoffmann, werde der Anteil der Älteren | |
| in der Bevölkerung im gleichen Zeitraum stark zunehmen – bei den über | |
| 80-jährigen Männern um 83 Prozent und bei den über 80-jährigen Frauen um 31 | |
| Prozent. | |
| Auf Grund dieser Bevölkerungsentwicklung und angesichts eines mittleren | |
| Erkrankungsalters von 69 Jahren (bezogen auf die jeweils zehn häufigsten | |
| Krebserkrankungen der Männer und Frauen), sei im Jahr 2020 eine Zunahme der | |
| Krebs-Neuerkrankungen bei Frauen und Männern von insgesamt 67.053 Fällen zu | |
| erwarten. | |
| Sowie eine Zunahme der prävalenten Krebsfälle – gemeint ist die Anzahl der | |
| Erkrankten zu einem bestimmten Zeitpunkt – von 176.383. Zum Vergleich: Im | |
| Jahr 2008 waren 246.700 Männer und 223.100 Frauen neu an Krebs erkrankt. | |
| ## Steigende Patientenzahlen | |
| Die größten absoluten Anstiege werde es bei Männern bei Prostatakrebs (+ 19 | |
| Prozent), Darmkrebs (+ 22 Prozent) und Lungenkrebs (+ 18 Prozent) geben. | |
| Bei den Frauen würden Brustkrebserkrankungen (+ 8 Prozent), Darmkrebs (+ 13 | |
| Prozent) sowie Lungenkrebs (+ 11 Prozent) zunehmen. | |
| „Nicht berücksichtigt wird“, heißt es in der Studie, „inwieweit sich | |
| regionale Unterschiede, die Einführung organisierter | |
| Krebsfrüherkennungsprogramme und neue Therapieansätze in den nächsten | |
| Jahren auf das Überleben auswirken werden.“ | |
| Klar sei aber schon jetzt, dass der Bedarf an medizinischer Versorgung im | |
| Krankenhaus steigen werde: „Die Anzahl der benötigten Krankenhaustage in | |
| der stationären Versorgung wird in 2020 etwa 13 Prozent höher sein als in | |
| 2008“, heißt es dazu in der Studie. | |
| ## Wachsende Nachfrage | |
| Für noch größer hält die Untersuchung die Notwendigkeit, im ambulanten | |
| Bereich Vorkehrungen für eine wachsende Nachfrage von Krebspatienten zu | |
| treffen: Festzustellen sei bereits jetzt eine Verschiebung vieler | |
| Leistungen vom stationären in den ambulanten Bereich. | |
| Dies lasse sich unter anderem an der Kostenentwicklung ablesen: Zwischen | |
| 2002 und 2008 seien diese im ambulanten Bereich um 52 Prozent gestiegen, im | |
| stationären Bereich dagegen um 31 Prozent. Insgesamt, so Hoffmann, würden | |
| die Kosten zur Behandlung von Krebserkrankungen bis 2020 gegenüber 2008 um | |
| etwa 1,7 Milliarden Euro zunehmen. | |
| Die Autoren prognostizieren in diesem Zusammenhang vor allem einen Zuwachs | |
| bei der medikamentösen Behandlung, da Patienten mit zunehmendem Lebensalter | |
| häufig gar nicht mehr operiert werden könnten: „Von der fachlichen | |
| Ausrichtung her wird insbesondere die Medizinische Onkologie in der Zukunft | |
| intensiv gefordert sein. | |
| ## Überforderte Mediziner | |
| Medizinische Onkologen übernehmen im Kern die konservative medikamentöse | |
| Behandlung der Tumorerkrankungen. Sie sind zunehmend mit älteren Patienten | |
| konfrontiert, bei denen Einschränkungen der Organfunktionen und | |
| Begleiterkrankungen vorliegen.“ | |
| Offen lässt die Studie, wer diese vielen Kranken behandeln soll. Denn die | |
| demografische Entwicklung macht auch vor den Ärzten nicht halt: Ein Viertel | |
| der heute mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie tätigen Ärzte werden | |
| 2020 65 Jahre oder älter und damit höchst wahrscheinlich nicht mehr für die | |
| Therapie krebskranker Menschen verfügbar sein. | |
| Doch werde es nicht ausreichen, diese scheidenden Ärzte einfach durch | |
| Nachwuchsmediziner zu ersetzen. Der Bedarf sei weitaus höher, schreiben die | |
| Autoren der Studie: „In den Bundesländern werden auf Grund des Anstiegs der | |
| prävalenten Fälle zwischen 6 Prozent bis mehr als 25 Prozent zusätzliche | |
| Ärzte mit Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Onkologie gegenüber dem | |
| Jahr 2008 benötigt.“ | |
| ## Daten ausgewertet | |
| Ausgewertet hatten Hoffmann und seine Greifswalder Kollegen | |
| Bevölkerungsdaten der Statistischen Bundes- und Landesämter, Zahlen des | |
| Zentrums für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut, Arztregister der | |
| Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Daten diverser Krankenkassen sowie des | |
| Wissenschaftlichen Instituts der Niedergelassenen Hämatologen und | |
| Onkologen. | |
| „Die Datenbestände weisen zum Teil unterschiedliche Randbedingungen auf“, | |
| heißt es dazu bedauernd in der Studie. Und: „Die Daten wurden für | |
| unterschiedliche Zwecke erhoben, was bedeutet, dass es Limitationen bei der | |
| Interpretation der Ergebnisse gibt.“ | |
| So bildeten Daten aus den Abrechnungen von Leistungen bei den Krankenkassen | |
| etwa nicht immer das tatsächliche Versorgungsgeschehen ab. | |
| Die Daten der epidemiologischen Krebsregister stünden zudem erst seit 2004 | |
| in einer guten Qualität zur Verfügung, bemängeln die Autoren der Studie: | |
| „Es fehlen hier aber bei vielen Einträgen Daten zum Stadium der | |
| Erkrankungen bei Diagnose und Angaben zur Therapie sind allenfalls | |
| undifferenziert.“ | |
| 24 Feb 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
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