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# taz.de -- Second Screen: Mit dem Zweiten sieht man mehr
> Wir twittern den „Tatort“ und kommentieren die Bundesliga auf Facebook:
> Dank Laptops und Smartphones wandert ins Netz, was wir fernsehen.
Bild: Alles voller Fernseher und trotzdem noch aufs Smartphone gucken.
Vielleicht können wir unsere immer smarteren Smartphones und immer
flacheren Tablet-PCs gar nicht mehr aus der Hand legen, weil sie so
praktisch und vielseitig sind. Vielleicht ist auch das Fernsehprogramm
inzwischen so grottenschlecht geworden, dass wir es ohne Fremdbeschäftigung
nicht mehr ertragen können. Wie auch immer, eine [1][Studie] belegt: Die
Mehrheit der deutschen Zuschauer benutzt beim Fernsehen einen Second
Screen, mit dem sie nebenher im Internet surft.
Die Onlinebefragung hat ergeben, dass 56 Prozent der Nutzer einen zweiten
Bildschirm vor Augen haben. „Der hohe Wert zeigt, wie die mobilen Endgeräte
die Mediennutzung revolutionieren“, sagt Susanne Fittkau vom
Marktforschungsinstitut Fittkau & Maaß Consulting. Außerdem unterstreicht
er den typischen Gesellschaftstrend des Multitaskings: „Keiner gönnt sich
noch die Ruhe, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Die Freizeit ist
uns zu knapp, um einfach bloß fernzusehen.“
Fittkaus Studie zufolge checken die meisten Zuschauer nebenbei ihre
E-Mails, surfen auf Websites, spielen. Jeder Zehnte reagiert auf das
laufende Fernsehprogramm: Wir rufen ein paar Zusatzinformationen in der
Mediathek ab, lösen per Wikipedia-Joker die Millionenfrage und googeln,
warum einem der Nebendarsteller aus der neuen US-Serie so bekannt vorkommt.
## Während „Wetten, dass..?“ läuft, wird auf Facebook Bingo mit
Lanz-Phrasen gespielt
Und wir wollen unser Fernseherlebnis teilen. Auf Twitter wird über den
aktuellen „Tatort“ gelästert, der Spielverlauf beim Fußball kommentiert u…
auf Facebook während „Wetten, dass..?“ Bingo mit Lanz-Phrasen gespielt. Der
Fernsehabend im warmen Wohnzimmer wird in soziale Netzwerke übertragen.
„Die Nutzer sind bereit, auf die aktuelle Sendung einzugehen und zu
interagieren“, sagt Susanne Fittkau. Sogar auf die Werbung reagieren
immerhin noch 2 Prozent der Befragten, indem sie bei Gewinnspielen und
Rabattaktionen teilnehmen.
Die Werbebranche freut sich. Laut einer Studie der Managementberatung
Mücke, Sturm & Company steigt zum Beispiel bei Zalando die Nutzung des
mobilen Angebots um das Dreifache, sobald der Onlinehändler einen Werbespot
ausstrahlt. Der Second Screen verändert das Fernsehprogramm, lässt Werbung
besser funktionieren, steuert das Konsumverhalten der Nutzer. Der Second
Screen ist Standard geworden. Aber ist es auch Standard, dass wir uns sogar
an unseren Rückzugsorten von der Informationsflut in den Wahnsinn treiben
lassen müssen?
„Die Reize sind insgesamt gestiegen, erst durch die Vielzahl an Sendern,
jetzt durch den Second Screen“, meint Jürgen Sewczyk, Vorstandsmitglied der
Deutschen TV-Plattform. Das Phänomen passe in unsere Medienlandschaft, wir
lösen damit unsere Ruhephasen nach und nach auf, mehr Stress und
Erschöpfung sind die typische Folge.
## Endgeräte: Kinder- und greisenleicht zu bedienen
„Trotzdem sind wir die Reizüberflutung gewohnt“, sagt der Medienberater.
„Wir können auch abschalten, wenn es uns zu viel wird. Es macht uns nichts
aus, durch das Programmangebot zu zappen oder eben auch beim Fernsehen
online zu sein. Die Endgeräte liegen auf allen Wohnzimmertischen herum,
denn sie sind kinder- und greisenleicht zu bedienen.“
Auch die Produktionsfirmen von Fernsehsendungen reagieren entsprechend auf
das veränderte Verhalten der Nutzer. Selbst die Öffentlich-Rechtlichen
zeigen sich experimentierfreudig: In der Krimireihe „Die letzte Spur“ ließ
das ZDF die Zuschauer per Second-Screen-Anwendung mit ermitteln. Auf der
zugehörigen Onlineplattform konnten sie die Charaktere auf einer Art
Magnettafel in Täter und Opfer einteilen und ihre Einschätzung mit anderen
Teilnehmern vergleichen.
Kurz vor dem Start der neuen ProSieben-Show „Circus Halligalli“ kündigen
die beiden Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf an, neue
Maßstäbe im Bereich Social Media zu setzen. Die Show soll auf der
zugehörigen Website ununterbrochen im Gespräch bleiben. Die Details werden
in den nächsten Tagen auf Twitter bekannt gegeben.
„In jeder Sendung gibt es mittlerweile einen Hinweis zur Mediathek,
Websites und QR-Codes werden eingeblendet und zusätzliche Informationen
online angeboten. Das ist neu“, sagt Jürgen Sewczyk. Wie schnell sich
dieser Trend weiter entwickeln wird, liegt in den Händen der Hersteller von
Unterhaltungselektronik. Sie müssen den Wunsch der Kunden dafür treffen.
„Die Elektronik wird praktikabler, die Geräte müssen sich vernetzen
können“, sagt Sewczyk. „Mein Tablet-PC kann zum Beispiel meinem Fernseher
sagen, dass er ein Video auf YouTube abspielen soll. Diese Kopplung der
Endgeräte wird sich fortsetzen. Erfahrungsgemäß setzt sich das bei den
Fernsehgeräten aber immer erst ein paar Jahre später durch.“
Und erfahrungsgemäß bleiben andere Neuheiten auf der Strecke. Dieses Mal
scheint es den Smart-TV mit seinem Internetzugang und weiteren
PC-Fähigkeiten zu erwischen. „Nur die wenigsten Fernseher werden
tatsächlich für die Onlinenutzung eingesetzt“, sagt Susanne Fittkau.
So smart die Funktionen der modernen Fernseher auch sein mögen, ihre Rolle
als Internet-Zugangsgerät ist kaum von Bedeutung. Die Zuschauer bevorzugen
den Second Screen. „Es gibt immer jede Menge Spielereien, mit denen sich
die Unternehmen auf dem Markt behaupten wollen, aber da steckt noch viel
Konzeptionsarbeit drin“, erklärt die Marktforscherin. Letzten Endes hänge
der Erfolg nicht von den technischen Möglichkeiten ab, sondern vielmehr von
der Laune der Nutzer.
23 Feb 2013
## LINKS
[1] http://www.fittkaumaass.de/reports-und-studien/trends/second-screen
## AUTOREN
Philipp Brandstädter
## TAGS
Fernsehen
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