| # taz.de -- Kommentar Gaucks Rede: Wir sind gar nicht böse | |
| > In Gaucks Lesart spielt Deutschland in der EU die Rolle des Erziehers: | |
| > Streng, aber gerecht. Mit solcherlei onkelhaften Bekundungen ist die | |
| > Krise nicht zu lösen. | |
| Bild: Onkel Gauck. | |
| Kein Deutscher, der ein guter Demokrat sein will, hat etwas gegen die EU. | |
| Das Wissen, was für ein unverdientes Glück die westeuropäische Einigung für | |
| die Bundesrepublik nach 1945 war, ist Teil der politischen DNA | |
| Deutschlands. Daran hat Joachim Gauck erinnert. Gut so, das kann nicht oft | |
| genug geschehen. | |
| Aber sonst? Das Podest, auf dem Gauck stand, war so hoch, dass der Fall das | |
| Wahrscheinliche war. Gauck ist als hoch gelobter Meister der Worte ins Amt | |
| gekommen und dort seltsam verstummt. Diese Rede sollte nun eine Offenbarung | |
| werden – und das war sie nicht. Ja, vieles ist wahr, wünschenswert, | |
| richtig. Mehr europäische Öffentlichkeit oder eine höhere Beteiligung an | |
| den Europawahlen wäre prima. | |
| Aber solche unverbindlichen Appelle sind nutzlos, ein Schaft ohne Schwert. | |
| Gauck stellt wie alle eine Krise des Vertrauens in die EU fest – aber was | |
| ist dagegen zu tun? Gauck hat das Kunststück fertiggebracht, die | |
| EU-Institutionen mit keinem Wort zu erwähnen. Müssen sie reformiert werden? | |
| Die Gewaltenteilung, die eigentlich Voraussetzung jeder Demokratie ist, ist | |
| in der EU mangelhaft. Muss also das Parlament gestärkt und der Ministerrat, | |
| die Exekutive, ein Stück weit entmachtet werden? Man erfährt es nicht. Der | |
| Befund, dass die EU irgendwie kompliziert ist, hat etwas kurios | |
| Unpolitisches. | |
| Deutschland spielt in Gaucks Lesart in der EU die Rolle des Erziehers – | |
| streng, aber gerecht –, der Europa ökonomischen Sachverstand beibringt, was | |
| in manchen Südländern leider als Kaltherzigkeit missverstanden wird. Da | |
| klingt eine Verunsicherung über die Rolle der Deutschen an, die sogleich | |
| besänftigt wird. Der aggressive deutsche Export und das Spardiktat sind | |
| jedenfalls Teile der europäische Krise, die mit onkelhaften Bekundungen, | |
| dass Deutschland es gar nicht böse meint, nicht zu beheben ist. | |
| Gauck empfiehlt so etwas wie einen EU-weiten TV-Sender Arte, in dem ein | |
| europaweiter „Tatort“ zu sehen sein soll. Ob es eine gute Idee ist, Rom und | |
| Athen nach dem Export der Schuldenbremse nun mit deutscher | |
| Unterhaltungskunst zu beglücken? | |
| 22 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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