Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ende einer Ära in Tschechien: Václav Klaus macht das Licht aus
> 24 Jahre hat der Liberale die Politik mitgeprägt. Beobachter ziehen eine
> kritische Bilanz seines Wirkens. Jetzt wird Klaus auch noch wegen
> Hochverrat angeklagt.
Bild: Anklage wegen Hochverrat: Der scheidende Präsident Vaclav Klaus.
PRAG taz | Der Abgang von Václav Klaus, dessen Amtszeit als tschechischer
Präsident morgen endet, wird dramatisch. Dafür hat der Senat gesorgt, die
zweite tschechische Parlamentskammer. Er beschloss am Montag mit einer
Mehrheit von 38 zu 30 Stimmen, Klaus wegen Hochverrat vor das tschechische
Verfassungsgericht zu stellen. Gründe für diesen, in der tschechischen bzw.
tschechoslowakischen Geschichte einmaligen Schritt, nennt der Senat gleich
mehrere. Zum einen wäre da die monarchistisch anmutende Ignoranz von Klaus
gegenüber Entscheidungen der Legislative oder der Judikative.
Das Fass zum Überlaufen aber brachte die umstrittene Amnestie, die Klaus an
Neujahr erließ. Durch sie wurden einige der berüchtigsten
Wirtschaftskriminellen seiner Ära über Nacht zu unbescholtenen Bürgern.
Zwar, so urteilte der Senat, habe das tschechische Staatsoberhaupt laut
Verfassung die Vollmacht, Amnestien zu erlassen. Mit der Amnestie aber, die
ohne Rücksicht auf die Geschädigten Kriminellen Straffreiheit garantiert,
habe Klaus die demokratische Grundordnung des Staates verletzt.
„Ich hätte die Hochverratsklage viel früher eingereicht“, kommentiert der
Mitinitiator der Klage, der sozialdemokratische Senator und ehemalige
Präsidentschaftskandidat Jiří Dienstbier die Entscheidung des Oberhauses.
Aber erst die Amnestie habe vielen die Augen geöffnet. Während seiner
Präsidentschaft habe Klaus die Verfassung wiederholt verletzt, meint
Dienstbier. „Und es ist Rolle des Senats, die Verfassung zu schützen.“
Schon vor der Entscheidung über die Klage nannte Ministerpräsident Petr
Neas, nicht unbedingt ein großer Anhänger des Václav Klaus, die Bemühungen
der Senatoren „erbärmlich“. Hinter ihr stecke nichts weiter als
„gewöhnliche Lust auf Rache“. Klaus selbst erklärte nur, es sei „trauri…
wie tief die Politik gesunken ist.“ Ob Václav Klaus tatsächlich wegen
Hochverrat – nicht zu verwechseln mit Landesverrat – verurteilt wird, ist
auch unter Verfassungsexperten umstritten. Falls ja, wird er um seinen
präsidentiellen Ehrensold kommen und darf in Tschechien nicht mehr für das
Präsidentenamt kandidieren.
## Gerüchte über eine Kandidatur bei den EU-Wahlen
Ungleich gewichtiger ist aber der enorme Imageverlust in der
Öffentlichkeit, den Klaus erleiden würde. Dabei plant er, als emeritierter
Präsident in Zukunft mit einem eigenen „Václav Klaus Institut“ sein
Lebenswerk als Ökonomieprofessor und Denker zu vollenden. Gemunkelt wird
derzeit auch, der EU-Skeptiker Klaus, der die Brüsseler Union gerne mit der
Sowjetunion vergleicht, plane, 2014 bei den Europawahlen zu kandidieren.
Doch auch ohne Hochverratsklage wird die Ära Klaus von vielen politischen
Beobachtern mit Skepsis bewertet. Wie kein anderer hat Klaus das Geschehen
im Staat in den vergangenen 24 Jahren bestimmt: zunächst als
Finanzminister, dann als Ministerpräsident und Präsident des
Abgeordnetenhauses, schließlich als Staatspräsident. Unter dem Strich aber
ist seine Ära eine Zeit, in der Milliarden von Euro während der
Privatisierungen von Staatseigentum in schwarzen Kanälen verschwanden und
in der die Korruption blühte. Dabei hatte Klaus stets konstatiert, es gebe
kein schmutziges Geld.
„Mit diesem Spruch hat Klaus das Licht bei uns ausgemacht, und im Dunkeln
klaut es sich besser“, meint der investigative Journalist Jaroslav Kmenta,
der sich auf die Erforschung der Verbindung zwischen der hohen Politik und
dem organisierten Verbrechen spezialisiert hat.
Der Staat, den Václav Klaus nach 24 Jahren hinterlässt, ist – der
Korruption sei Dank – enorm verschuldet. Die Gesellschaft, die er
mitgeformt hat, ist unzufrieden und ächzt unter harten Reformen sowie
Kürzungen. Die Menschen wenden sich nach knapp einem Viertel Jahrhundert
des liberalen Friedman-Fans Klaus immer mehr den Sozialdemokarten und den
unreformierten Kommunisten zu.
„Dabei war Klaus in einer starken Position, als er im März 2003 seine
Präsidentschaft antrat“, sagt der politische Kommentator Luboš Palata. In
der Öffentlichkeit galt er als Gründer des unabhängigen Tschechien, der am
längsten amtierende Ministerpräsident und Vater der Wirtschaftsreformen.
Was von Klaus übrig bleiben wird, meint Palata, sei ein kurzes Video auf
YouTube. Dort ist zu sehen, wie ein grinsender Klaus bei einem Staatsbesuch
in Chile den protokollarischen Füller einsteckt.
7 Mar 2013
## AUTOREN
Sascha Mostyn
## TAGS
Tschechien
Vaclav Klaus
Vaclav Klaus
Tschechien
Tschechien
Tschechien
Tschechien
Tschechien
Tschechien
Tschechien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tschechischer Expräsident berät die AfD: Václav Klaus kuschelt mit Frauke Pe…
Der Expräsident schwingt sich gerne zum Retter des Abendlandes auf. Dafür
zieht der erklärte Putin-Freund an der Seite der AfD ins Feld.
Neuwahl in Tschechien: Ex-Präsident Klaus erwägt Comback
Tschechiens früherer Präsident Klaus bezeichnet den politischen Zustand in
seinem Land als „hoffnungslos“. Er überlegt, sich noch einmal zur Wahl zu
stellen.
Asyl in Tschechien: Flüchtlingskrimi am Prager Flughafen
Der Versuch, die widerrechtliche Abschiebung eines russischen
Geschäftsmannes zu verhindern, scheiterte. Seitdem fehlt von ihm jede Spur
Tschechiens neuer Präsident: Populistisch und trinkfest
Milos Zeman umarmt Bäume und mag Alkohol. Seine unermüdliche Basisarbeit
hat den postkommunistischen Populisten ganz nach oben gebracht.
Tschechiens neuer Präsident: Das Diktat des Dorfstammtischs
Milos Zeman hat die Präsidentenwahl gegen den „Fürsten“ Karel Schwarzenbe…
gewonnen – mit der Mär von der „sudetendeutschen Reconquista“.
Präsidentenwahl in Tschechien: Wer wird weises Väterchen?
Sozialdemokrat Milos Zeman tritt gegen den adeligen Außenminister Karel
Schwarzenberg an. Zeman hat die „deutsche Karte“ gespielt – und liegt vor…
Kommentar Wahl in Tschechien: Sieg für die jungen Tschechen
Der Sieger der Stichwahl in zwei Wochen steht bereits fest: Karel
Schwarzenberg. Mit ihm werden die Tschechen ein Symbol des Wandels wählen.
Präsidentenwahlen in Tschechien: Endspurt auf die Prager Burg
Erstmals entscheiden die Tschechen direkt über ihren Staatschef. Keiner der
Kandidaten kann mit einer sauberen politischen Vergangenheit punkten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.