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# taz.de -- Vielfalt in der Flüchtlingspolitik: Gutscheine oder Bargeld
> Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius stellt es den Kommunen frei,
> wie sie Asylbewerbern Sozialleistungen auszahlen. Göttingen und Oldenburg
> wollen zügig auf Bares umstellen
Bild: Macht Schünemann-Regelungen nichtig: Niedersachsens Innenminister Boris …
HANNOVER taz | Knapp drei Wochen nach Amtsantritt hat Niedersachsens
Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine der Ankündigungen aus dem
rot-grünen Koalitionsvertrag umgesetzt: Sein Ministerium hat Niedersachsens
Landkreisen und kreisfreien Städten jetzt offiziell freigestellt,
Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in bar oder in
Wertgutscheinen auszuzahlen. Ein entsprechender Erlass wurde diese Woche
verschickt.
Unter Pistorius’ Vorgänger Uwe Schünemann (CDU) noch galt die Anweisung,
Asylbewerbern Barzahlungen „lediglich in begründeten Ausnahmefällen“ zu
gewähren. „Anreize zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
beziehungsweise zum Verbleib“ wolle man mit dem Grundsatz „Gutscheine statt
Bargeld“ vermeiden, so die Ansage unter Schünemann.
Zum Ärger der damaligen rot-rot-grünen Landtagsopposition,
Menschenrechtsorganisationen und zahlreicher Kommunen. Anträge und
Resolutionen zur Abschaffung des Gutscheinsystems haben etwa in Göttingen,
Oldenburg oder Lüneburg Kreistage und Stadträte verabschiedet. Die
Auffassung dort: Dass Flüchtlinge Sozialleistungen in Form von Gutscheinen
erhalten, die exakt regeln, was sie wo dafür erhalten, sei diskriminierend.
Ähnlich urteilte auch das Sozialgericht Hildesheim: Schon im Dezember
entschied man dort, dass Asylbewerbern Sozialleistungs-Nachzahlungen
grundsätzlich in bar zu zahlen sind. Mit ihrem Anwalt Sven Adams hatte eine
Frau aus Kuba gegen die Stadt Göttingen geklagt, weil ihr Nachzahlungen
teilweise in Gutscheinen ausgehändigt wurden. Auslöser für diese
Nachzahlungen ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem
Sommer 2012: Flüchtlinge dürfen demnach nicht weniger Leistungen zur
Sicherung ihres Lebensunterhalts bekommen als Hartz-IV-EmpfängerInnen.
Nachzahlungen wurden ab Anfang 2011 angeordnet.
Ein weiteres, ursprünglich für Februar angesetztes Verfahren zur Frage der
Rechtmäßigkeit der Gutscheinpraxis allgemein hatte das Sozialgericht
kurzfristig abgesagt. Die Stadt Göttingen als Beklagte hatte nach dem
Regierungswechsel in Hannover um Aufhebung des Verhandlungstermins gebeten
– einen neuen Erlass zum Gutschein-System hat der neue Innenminister
Pistorius gleich nach seiner Vereidigung angekündigt.
Und nun vorgelegt. Darin setzt Pistorius vor allem auf
„Entscheidungsspielraum“ für die Kommunen. Sie sollen „unter
Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten selbst bestimmen,
ob sie anstelle von Sachleistungen oder Wertgutscheinen Bargeld auszahlen“,
erklärt der Minister.
Erste Kommunen haben darauf bereits reagiert. In Oldenburg etwa will die
Stadtverwaltung zum nächsten Auszahlungstermin für April komplett auf
Bargeld umstellen. In Göttingen wollen Stadt und Landkreis alle
Sozialleistungen für Asylbewerber ab sofort bar auszahlen. Die Initiative
Gutscheingruppe Göttingen, die seit Jahren gegen das Gutschein-System
kämpft, nennt den Erlass und die Umsetzung vor Ort ein „kleines Wunder“.
Zugleich appelliert sie an alle niedersächsischen Kommunen, die
Wertgutscheine ebenfalls umgehend abzuschaffen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hätte sich unterdessen gewünscht, „dass
das Land seinem Wunsch, die leidige Wertgutscheinpraxis abzuschaffen, durch
deutlichere Vorgaben Nachdruck verleiht“.
Selbst im schwarz-gelb regierten Hessen gelten deutlichere Regeln, führt
man an. Dort müssen sich Kommunen eine Genehmigung beim Regierungspräsidium
einholen, wenn sie von der Barzahlung für Flüchtlinge abweichen und
Gutscheine ausgeben wollen.
6 Mar 2013
## AUTOREN
Teresa Havlicek
## TAGS
Asylsuchende
Flüchtlinge
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