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# taz.de -- Schiedsrichter über Anfeindungen: „Man braucht ein dickes Fell“
> Fußball-Bundesliga-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer über seine Rolle als
> „Gerechtigkeitsfanatiker“ und die anwachsende Gewalt gegen Referees.
Bild: Schicksal der Unparteiischen: zu unbequemen Entscheidungen gezwungen.
taz: Herr Kinhöfer, muss man als Schiedsrichter ein Masochist sein?
Thorsten Kinhöfer: Vielleicht ist das so. Ich gehe aber natürlich nicht ins
Spiel und denke: „Hoffentlich beschimpfen mich heute wieder die Zuschauer.“
Dennoch müssen Sie vor jeder Partie davon ausgehen, am Ende kritisiert zu
werden.
Wenn ein Spieler einen entscheidenden Elfmeter verschießt, wird er von
seinen Mitspielern in den Arm genommen und vom Trainer getröstet. Wenn ein
Schiedsrichter aber einen berechtigten Elfmeter nicht gibt, wird er zum
Buhmann abgestempelt und häufig völlig überzogen kritisiert. Damit muss man
umgehen. Das ist ungerecht.
Warum wollten Sie Schiri werden?
Es war kurioserweise die Tatsache, dass ich von Haus aus ein
Gerechtigkeitsfanatiker bin. Als Spieler hatte ich mit Schiedsrichtern zu
tun, von denen ich mich ungerecht behandelt fühlte. Das wollte ich besser
machen.
Wann fing das an?
Mit 16 habe ich meine Schiedsrichterprüfung gemacht und meine ersten
Meriten in der F- und E-Jugend gesammelt. Es war ein Lernprozess, sich dort
durchzusetzen.
Was meinen Sie?
Da hat man nicht mit Fans zu kämpfen, mit den Spielern beziehungsweise den
Kindern schon gar nicht. Aber man hat mit Oma, Opa, Mama, Papa, Tante und
Onkel zu tun, die ihren Sprössling schon als kommenden Nationalspieler
sehen. Und die sind wirklich immer auf Ballhöhe (lacht).
Wie wird man Fifa-Schiedsrichter?
Vom F-Jugendschiedsrichter bis auf die Fifa-Liste ist eine Karriere wie vom
Auszubildenden bis zum Vorstand. Dafür benötigt man auch viel Glück, wenn
man bedenkt, dass von etwa 80.000 Schiedsrichtern in Deutschland nur 22 in
der Bundesliga pfeifen und davon 10 den Sprung auf die Fifa-Liste erreichen
können.
Gab es einen Punkt in Ihrer Karriere, an dem Sie sich fragten: Warum tue
ich mir das an?
Nein, wirklich nicht ein einziges Mal. Ich hatte schnell ein ganz gutes
Standing. Es war auch früher eine harte Probe, im tiefsten Ruhrgebiet zwei
Mannschaften mit unterschiedlichen Nationalitäten zu pfeifen. Aber die
Aggressivität gegen Schiedsrichter war noch nicht so ausgeprägt wie heute.
Wie erklären Sie sich den Anstieg der Aggressivität?
Die Entscheidungsträger im Fußball müssen ihrer sozialen Verantwortung
gerecht werden. Was sie lostreten, wird von den Medien aufgenommen. Und
wenn sie einen Schiedsrichter derart scharf und teilweise ohne Rücksicht
auf den Menschen kritisieren und bloßstellen, hat das teilweise
Auswirkungen bis in die Kreisliga C. Zudem ist es auch ein
Gesellschaftsproblem an sich. Die Aggression des Alltags wird auf den
Fußball übertragen.
Macht es trotz der teilweisen Gewalt gegen Schiedsrichter noch Spaß?
Wenn es Gewalt gegenüber Schiedsrichtern gibt, dann passiert sie fast
ausschließlich an der Basis. Man kann gar nicht häufig genug den Hut vor
diesen Schiedsrichtern ziehen. Für mich sind diese Menschen Helden, die
Woche für Woche in den Kreisligen für einen Hungerlohn dem Fußball dienen.
Sie hingegen kassieren ein beachtliches Salär, dafür stehen Sie unter
ständiger Beobachtung.
Alle Menschen machen Fehler, aber wenn ich im bezahlten Fußball einen
mache, sehen ihn Millionen Zuschauer. Als Schiedsrichter muss man daher
eine geringere Fehlerquote als die Spieler haben. Ein Spieler, der ein
Eigentor schießt, kann danach zweimal treffen und wird abgefeiert. Ich kann
meine Fehler nicht wiedergutmachen.
Welche Rolle spielt die moderne Technik bei der Bewertung von
Schiedsrichterleistungen?
Wenn eine Entscheidung richtig war, wird darüber hinweggegangen. Aber wenn
sich nach der fünften Zeitlupenwiederholung etwas als falsch herausstellt,
wird von einer glasklaren Fehlentscheidung gesprochen. Man braucht ein
dickes Fell.
Als Gerechtigkeitsfanatiker muss Sie dieser Zustand nerven.
Das tut er, absolut.
Hatten Sie schon Nachteile durch Ihre Tätigkeit oder gab es Drohungen gegen
Sie?
Einmal wurde es sehr eng mit Drohungen, aber das hat sich zum Glück
relativiert.
Hat der Selbstmordversuch von Babak Rafati etwas an der Wahrnehmung der
Schiedsrichter geändert?
Nein, überhaupt nichts. Die Betroffenheit hält vierzehn Tage an, dann wird
wieder der nächste Schiedsrichter durchs Dorf getrieben. Aber so ist unsere
Gesellschaft. Der Schiedsrichter ist das schwächste Glied in der
Fußballkette. Das sieht man doch schon, wenn ein Spieler vor der
Trainerbank gefoult wird. Der Trainer springt auf, schreit und geht
entweder auf den vierten Offiziellen, den Assistenten oder den
Schiedsrichter los. Er wird aber nie den gegnerischen Spieler anschreien.
Wird man zwangsläufig zum Zyniker, um sich mit diesem System zu
arrangieren?
Man bekommt ein dickes Fell, und man weiß, wie das System funktioniert.
10 Mar 2013
## AUTOREN
Kai Griepenkerl
## TAGS
Schiedsrichter
Deutscher Fußballbund (DFB)
Belastung
Fußball-Bundesliga
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Fußball
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