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# taz.de -- Bedingungen für BMZ-Fördergelder: Weniger Kritik, mehr Werbung
> Wer Geld will, muss werben – mit dieser neuen Auflage soll Dirk Niebels
> Entwicklungsministerium sichtbarer werden. Dachverband droht mit Boykott.
Bild: Legt viel Wert auf Außendarstellung: Entwicklungsminister Dirk Niebel, h…
Berlin taz | Über die Bedeutung engagierter Menschen gibt Dirk Niebel gern
wohlklingende Erklärungen ab. „Für den langfristigen Erfolg eines Landes
ist es zentral, dass es eine aktive und engagierte Zivilgesellschaft gibt“,
die sich „ungehindert einbringen“ kann, sagte der Entwicklungshilfeminister
vergangenen November, als Äthiopien die Arbeit von
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) massiv einschränkte.
Für Deutschland strebt der FDP-Mann an, die Zahl der Engagierten „von einer
auf zwei Millionen Menschen zu verdoppeln“. Entwicklungspolitisch
engagierte Gruppen fördert das Ministerium darum auch finanziell: Rund 15
Millionen Euro stehen dieses Jahr zur Verfügung, um Flugblätter, Broschüren
oder Ausstellungen zu bezuschussen.
Doch wirklich unterstützt fühlen sich viele NGOs von Niebels Haus derzeit
nicht. Denn hatten sie bei der Gestaltung ihrer Materialien bisher ziemlich
freie Hand, wenn ein Förderantrag erst einmal bewilligt war, will das
Ministerium nun bis ins Detail mitreden. Das betrifft zunächst das
Erscheinungsbild.
Bisher war es üblich, dass im Impressum einer zu mindestens 50 Prozent
geförderten Publikation – meist im Innern und eher klein gehalten – auf die
finanzielle Unterstützung hingewiesen wurde.
Das war Niebel offenbar zu unauffällig. Im vergangenen Jahr stellte sein
Ministerium neue „Designrichtlinien“ vor. Sie schreiben vor, dass das
Ministerium auf der Titelseite genannt werden muss – mit großer
„BMZ-Abkürzung, Logo (Bundesadler plus stilisierter Flagge) und dem vollen
Namen „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung“.
Ziel sei es, „das BMZ in der Außendarstellung sichtbarer zu machen“, so
Niebels Sprecher. 2012 war zudem ein Ministeriums-Sonderlogo vorgeschrieben
– mit dem kryptischen Slogan: „Zukunftsentwickler. Wir machen Zukunft.
Machen Sie mit.“
## Aufruf zum Boykott
Das Logo der Organisation, die die Inhalte erstellt und die Broschüre
vertreibt, darf dabei keinesfalls größer sein als die Logos des
Ministeriums. Das klingt absurd, ist aber durchaus ernst gemeint: „Die
Vorgaben sind für alle beteiligten Akteure verbindlich“, so die Richtlinie.
Wie mit Verstößen in der Praxis umgegangen wird, ist noch offen, weil die
Regel erst seit 2012 gilt; die Prüfung der Publikationen aus diesem
Zeitraum sei noch nicht abgeschlossen, so das Ministerium. Bei
„Einzelfällen“ sei eine Rückforderung der Fördergelder aber
„unwahrscheinlich“.
Die NGOs reagieren dennoch mit deutlicher Kritik auf die neuen Vorgaben.
„Die Platzierung der Logos auf der Titelseite vermittelt das Bild einer vom
BMZ beauftragten Veröffentlichung und steht im Widerspruch zu der Stärkung
einer unabhängigen Zivilgesellschaft“, so ein Schreiben des
entwicklungspolitischen Dachverbands Venro an das Ministerium.
Der Verband, sonst nicht gerade Hort des zivilen Ungehorsams, ruft gar zum
Boykott auf: „Wir werden unseren Mitgliedern dazu raten, diese Gängelung
nicht umzusetzen“, so Venro-Vorsitzender Ulrich Post.
Post fürchtet, dass die neuen Designregeln zu verstärkten Versuchen führen,
auch Einfluss auf NGO-Inhalte zu nehmen. Die gibt es unter Niebel ohnehin
vermehrt: Seit 2010 müssen geförderte Organisation sechs Wochen vor dem
Druck eine Übersicht über die Inhalte einreichen, sofern die geplante
Publikation „einen wesentlichen Teil der Projektförderung ausmachen oder
wenn Zweifel bestehen, ob sie im Einklang mit dem BMZ-Konzept
Entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit stehen“, so das BMZ
im Januar auf Anfrage der Grünen. Falls es Bedenken gibt, kann das ganze
Manuskript verlangt werden.
## Texte vor Veröffentlichung beim Ministerium einreichen
Von dieser Möglichkeiten machen Niebels Leute offenbar reichlich Gebrauch.
Auf Anfrage bestätigte das Ministerium, man behalte sich vor, „das
Manuskript vor Veröffentlichung anzufordern“. Zu den Kriterien dafür
äußerte man sich nicht. Doch nach taz-Informationen müssen NGOs, die als
besonders kritisch gelten, ihre Texte standardmäßig vorab einreichen und
können sich dann mit Änderungswünschen konfrontiert sehen.
Als Erster machte das das ökumenische Inkota-Netzwerk öffentlich, das
Weltläden, Kirchengemeinden und lokale Entwicklungsinitiativen vernetzt und
das Fachmagazin Südlink herausgibt. Vergangenen September erschien ein vom
Ministerium mitfinanziertes Sonderheft zu „Unternehmensverantwortung“.
Ein Text missfiel Niebels Beamten: Es ging um „Greenwashing“ – also den
Versuch von Firmen, das eigene Image zu verbessern, ohne wirklich etwas zu
verändern. Unternehmen würden einseitig kritisiert und an den Pranger
gestellt, lautete die Ministeriumskritik nach Angaben von Inkota.
Die mutige Reaktion des Netzwerks – man verzichtete auf den Abdruck und
legte den Artikel einem selbst finanzierten Extrablatt bei und machte den
Vorgang öffentlich – kam im Ministerium nicht gut an.
Inkota-Geschäftsführer Arndt von Massen sagte dazu lediglich, es habe
„Gespräche“ gegeben, in denen eine „unterschiedliche Einschätzung“ de…
wurde. Weitere Inkota-Publikation sind seitdem nicht gefördert worden.
Entsprechend vorsichtig sind andere NGOs. Von versuchter oder erfolgter
Einflussnahme berichten viele – aber zitieren lassen will sich kaum einer.
Offenbar ist die die Angst vor Sanktionen zu groß. Im Mittelpunkt der
Auseinandersetzung mit dem Ministerium steht meist die Rolle von
Unternehmen, so mehrere Vereine gegenüber der taz.
Werden Vorwürfe erhoben, muss der entsprechenden Firma nach Ansicht des
Ministeriums nicht nur die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden,
sondern auch explizit auf – mehr oder weniger reales – positives Engagement
hingewiesen werden.
Venro erklärt in seinem Schreiben an das Ministerium: „Zunehmend berichten
uns Organisationen von inhaltlichen Änderungen, die sie auf Wunsch des BMZ
vornehmen mussten.“
Dazu das Ministerium: Man überprüfe Publikationen lediglich auf
„beleidigende, polemische oder Falschaussagen“. 2012 seien in nur zwei
Fällen Änderungen gefordert bzw. sei eine Förderung abgelehnt worden. Auf
eine Anfrage der Grünen hin hatte das Ministerium hingegen kürzlich noch
erklärt, über abgelehnte Publikationen werde „keine Statistik“ geführt.
Gefordert werde eine „ausgewogene, sachliche, verschiedene Aspekte
beleuchtende Darstellung“.
## Warnung vor Selbstzensur
Innerhalb der entwicklungspolitischen Szene ist der Umgang mit der
Einflussnahme umstritten. Ulrich Post von Venro räumt ein, dass die
BMZ-Drohungen nicht ohne Wirkung bleiben: „Schon die Möglichkeit von Zensur
führt zur Selbstzensur.“ Verzichten könne man auf die Zuschüsse aber nicht.
Gerade kleinere NGOs, die wenig Spenden bekommen, seien für ihre Arbeit
darauf angewiesen.
Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung, kritisiert
dagegen die zurückhaltenden Reaktionen auf die Eingriffe. „Das sind doch
Zustände wie in Weißrussland“, sagte er der taz. „Da hilft keine
Leisetreterei, sondern nur scharfer Protest.“
Das Forum, in dem umwelt- und entwicklungspolitische Gruppen Mitglied sind,
verzichtet wegen der verschärften Einflussnahme-Versuche unter Niebel seit
mehreren Jahren auf BMZ-Zuschüsse. Stattdessen gibt es Geld vom
Umweltministerium. „Dort gibt es keinerlei Einmischung“, so Maier.
Auch die Grünen kritisieren Niebels Vorgehen scharf. „Ich frage mich, wie
ein Minister, der in Deutschland auf Zensur setzt, weltweit für die
Freiheit der Zivilgesellschaft eintreten soll“, so der
Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz. „Es geht Herrn Niebel nicht um die
Förderung einer kritischen Debatte, es geht ihm um Werbung für sein
Ministerium und für ihn persönlich.“
Dazu passt auch die jüngste Umstruktierung im Hause Niebel: Seit Januar
dieses Jahres gehört die Förderung von NGO-Publikationen nicht mehr zum
Referat „Bürgerschaftliches Engagement“.
Um „Reibungs- und Synergieverluste zu verringern“, so das Ministerium,
fällt sie jetzt ins Referat „Öffentlichkeits-, Informations- und
Bildungsarbeit“ in der Abteilung „Planung und Kommunikation“. Die wurde
erst unter Niebel geschaffen – und ist besonders dicht mit engen Vertrauten
und Parteifreunden des FDP-Ministers besetzt.
10 Mar 2013
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
Entwicklungshilfe
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Dirk Niebel
Burnout
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