# taz.de -- Lobbying in Niedersachsen: Shitstorm aus dem Klassenzimmer | |
> Rot-Grün in Niedersachsen will das umstrittene Schulprojekt HannoverGen, | |
> finanziert von der Vorgängerregierung und Gentechnik-Unternehmen, nicht | |
> fortsetzen. Zum Protest von Beteiligten und Schülern des | |
> Gentechnik-Projekts. | |
Bild: Finanziert "HannoverGen" mit: der Saatguthersteller KWS. | |
HANNOVER | taz Es ist ein Satz im Koalitionsvertrag, mit dem sich | |
Niedersachsens neue rot-grüne Landesregierung eine erste Protestwelle | |
eingehandelt hat. „Das Projekt HannoverGen wird beendet“, heißt es dort. | |
Prompt schlagen Befürworter des Schulprojekts zur sogenannten Grünen | |
Gentechnik Alarm. Eine Petition, initiiert von beteiligten Lehrern und | |
Wissenschaftlern, hat bereits fast 3.000 Unterzeichner. Auf den | |
Facebook-Seiten von SPD und Grünen gehen Hunderte empörte Kommentare ein, | |
viele von Schülern. | |
Von Denkverboten und Technikfeindlichkeit ist dort die Rede. „Das Verbot | |
von HannoverGen ist nichts anderes als Bücherverbrennung“, heißt es gar. | |
Dann müsste er „auch die Kernspaltung aus dem Lernplan nehmen, denn Schüler | |
könnten ja indoktriniert werden, wenn sie sich damit beschäftigen“, lässt | |
sich ein Schulleiter in der Lokalpresse zitieren. „Schüler haben ein | |
Anrecht auf Wissen“, rechtfertigt „HannoverGen“-Mitarbeiterin Wiebke Rath… | |
die Kampagne. | |
Dabei ist das Projekt seit seinem Start 2008 höchst umstritten. Mit | |
Laborexperimenten sollen sich Schüler bei „HannoverGen“ praktisches und | |
theoretisches Wissen zur Agrogentechnik aneignen. Über 9.000 Schüler haben | |
die eigens an vier Schulen in der Region Hannover eingerichteten Labore | |
bisher besucht. Die Vermittlung von Wissen und Bewertungskompetenz könne | |
Akzeptanz für die Grüne Gentechnik schaffen, unterstrich die ehemalige | |
schwarz-gelbe Landesregierung stets. Von „Propaganda für genmanipulierte | |
Lebensmittel“ sprach Niedersachsens neuer Agrarminister Christian Meyer | |
(Grüne) schon als Oppositionspolitiker (taz berichtete). | |
Besonders umstritten: Der wissenschaftliche Leiter Hans-Jörg Jacobsen, | |
Professor für Pflanzenbiotechnologie an der Uni Hannover. Er ist | |
Vorstandsmitglied des Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik, einer | |
Lobbyorganisation, die sich etwa gegen das Anbauverbot für Genmais | |
engagiert. „HannoverGen“, kündigte Jacobsen schon 2006 an, solle „die | |
Jugend ein bisschen immunisieren gegen diese merkwürdige Propaganda“ der | |
Kritiker. | |
Schwarz-Gelb half dabei großzügig mit: Üblicherweise kommen die Schulträger | |
für derlei Sonderprojekte auf, bei „HannoverGen“ aber flossen über eine | |
Million Euro Landesmittel. Auch Unternehmen finanzieren mit, darunter der | |
Saatgutkonzern KWS Saat, der seit Jahren Freilandversuche mit gentechnisch | |
veränderten Zuckerrüben durchführt. Landesgelder sind noch bis Ende Juni | |
bewilligt. Ex-Agrarminister Gert Lindemann (CDU) plante gar, „HannoverGen“ | |
danach landesweit auszubauen – für 15 Millionen Euro. | |
Rot-Grün dagegen wird „HannoverGen“ im Sommer auslaufen lassen und keine | |
weiteren Gelder zur Verfügung stellen, wie Agrarminister Meyer auf | |
taz-Nachfrage bestätigt. Die eigens eingerichteten Labore sollen an den | |
Schulen bleiben und für den Bio-Unterricht oder andere Projekte genutzt | |
werden. Das Thema Gentechnik als Teil der Kerncurricula wolle man | |
keineswegs aus dem Unterricht verbannen, betont Meyer. „Natürlich soll es | |
in allen dafür relevanten Schulfächern gelehrt, diskutiert und informiert | |
werden.“ Allerdings nicht in einem „zur einseitigen Akzeptanzbeschaffung | |
pro Gentechnik initiierten Sonderprogramm“. | |
Auch die Grünen-Bildungspolitikerin Ina Korter sagt, die Schwerpunkte des | |
Unterrichts könnten nicht davon abhängen, „an welchen Themen | |
Wirtschaftsverbände ein besonderes Interesse haben“. Dass dies bei | |
„HannoverGen“ der Fall sei, zeige sich schon daran, dass Schwarz-Gelb die | |
Federführung beim Agrar- und nicht beim zuständigen Kultusministerium | |
angesiedelt hat. Zudem sei „kein anderes High-Tech-Thema annähernd so gut | |
ausgestattet worden wie dieses Projekt“, sagt Korter. Den Protest der | |
Schüler aber müsse man ernst nehmen, fordert sie. Er zeige, wie hoch die | |
„Motivation für das experimentelle Arbeiten im Unterricht“ sei. | |
10 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
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