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# taz.de -- Video der Woche: Freude an Blödsinn und Alberei
> „Matrix Speedrun“ handelt von einer Untwerwerfung des Körpers. Der
> Pixel-Neo wird in einem fortgeschleudert, dass ihm stets was hochkommt.
Bild: „Matrix“ in 60 Sekunden.
Auf den [1][Bullet-Time-Effekt] muss man leider verzichten. Das zentrale
Spezialeffekt-Ausstellungsstück des ersten „Matrix“-Films von 1999 ließ d…
Fluß der Zeit für einen Moment lang eindicken, um Neos Ausweichmanövern
unter Beschuss zu skulpturalen Weihen zu verhelfen: Der von allen Seiten
begutachtbare Körper als Spektakel unter dem Blick einer nicht nur
räumlich, sondern auch zeitlich entfesselten Kamera, die den 3D-Boom der
jüngsten Jahre schon vorsichtig ankündigte.
Und jetzt das: Matrix im Außer-Atem-Modus, erzählt in einer Minute, auf
planster Spielebene. Bullet Time? Hier? Vergiss es!
Interessanter Widerspruch: Handelt der Virtual-Reality-Actionthriller
„Matrix“ ja gerade davon, wie sich ein Körper aus dem Korsett der
Zuschreibungen und Parameter eben der Matrix zunächst einmal ganz konkret
räumlich befreite und diese schließlich auch, nach Wiedereintritt unter
ihre Bedingungen, in einem Akt der Selbstermächtigung von sich schüttelte.
Dieses Re-Enactment auf Speed (wie ja schon ein anderer Film mit Keanu
Reeves in der Hauptrolle heißt) hingegen handelt im Grunde von einer
neuerlichen Unterwerfung des Körpers unter die Bedingungen des eigenen
ästhetischen Konzepts.
## Ein-Minuten-Kondensat
Überhaupt Werfen: Wenn jemals ein armer Haufen Pixelklumpatsch für das
In-die-Welt-geworfen-sein stand, von dem in der Philosophie oft die Rede
ist, dann wohl dieses Männchen, das, wenn schon nicht durch äußerliche
Ähnlichkeit, so doch über die „Matrix“-Rubrizierung als Spur zu Keanu
Reeves’ Neo-Figur zu lesen ist.
Dieser Pixel-Neo jedenfalls wird in einem fort geworfen und geschleudert,
dass ihm stets das Kotzen kommt. Das tut der fleischliche Neo im Film zwar
auch nicht selten – doch wird der Reiherei in diesem Ein-Minuten-Kondensat
doch privilegiert Raum gewährt.
Überhaupt der Raum: „Matrix“ war urban und apocalyptic-chic in einem,
ultramodern hier, ultra-archaisch dort, fleischlich-konkret und
digital-simulativ neben- und übereinander. Ein Gefüge disparater Räume, das
im „Speedrun“ nun buchstäblich auf einen Level gebracht wird: Was in der
Vorlage widersprüchlich zueinander steht, wird hier säuberlich im planen
Feld organisiert, mit gelegentlichen Auflösungserscheinungen – und drunter
und drüber geht’s dann doch manchmal.
Der Modus erinnert an die klassischen „Run and Gun“-Computerspiele oder
Plattform-Shooter der 80er und 90er, die nach dem Siegeszug der 3D-Matrizen
im wuchtigen und ästhetisch ausdifferenzierten Egoshooter der
retrofuturistische Flair von Simplizitäts-Nostalgie umweht. Auch an
„[2][Canabalt]“ denkt man sofort, ein lange Zeit populäres Online-Spiel,
das selten länger als eine Minute dauert und sehr vom ästhetischen Reiz
klar linearer Direktiven der ersten großen Computerspielewelle zehrt: Ligne
Claire statt Texturambitionen.
Auch fällt auf, wie die völlige Unterordnung der narrativen
Schlüsselmomente unter Flow und Rhythmus des wahnwitzigen Spektakels.
Anders etwa als die noch kurzatmigeren [3][Bunny-Filmnachstellungen] (von
deren Netz-Pionierarbeit die einminütigen Speedruns natürlich viel zehren),
die in gerade mal 30 Sekunden die emblematischsten Momente popkulturell
relevanter Filmklassiker wie besinnungslos aneinanderklatschen, bildet der
Moment des Wiedererkennens großer Filmmomente beim Speedrun eher eine
nachrangige Ebene von Beglückunspotenzialen.
Was begeistert, ist die Eleganz genau austarierter Kraft und Gegenkraft,
von Bewegungsabläufen innerhalb einer so präzisen wie perfekten
Maschinerie, die aus allem Schub, Gegenschub, physikalische Dynamik macht.
Dazu kommt eine zu Herzen gehende Freude an Blödsinn und Alberei, die,
schlussendlich, einen solchen ästhetischen Kommentar im Grunde gar nicht
nötig hat.
15 Mar 2013
## LINKS
[1] http://youtu.be/WhxbYTMNMxo
[2] http://www.adamatomic.com/canabalt/
[3] http://www.angryalien.com/
## AUTOREN
Thomas Groh
## TAGS
Video der Woche
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Schwerpunkt Feministischer Kampftag
3-D-Drucker
Angst
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