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# taz.de -- Leserkommentare bei „New York Times“: Dumme müssen draußen bl…
> Wer bei der „New York Times“ kommentieren will, sieht sich neuerdings
> einigen Restriktionen unterworfen. Blöde Aktion oder gut so?
Bild: Ungeduldig warten LeserInnen vor der Times auf die Zulassung ihrer Kommen…
Anlässlich eines Artikels über die Papstwahl versucht die New York Times
die Online-Kommentare ihrer Leserschaft zu kanalisieren: Wer den Artikel
kommentieren möchte, muss zunächst die Fragen beantworten, ob er das
Ergebnis der Wahl positiv oder negativ einschätzt, ob er davon überrascht
ist oder nicht und (optional) ob er katholischer Konfession ist. Dazu
reduziert eine Limitierung auf 100 Wörter den zu erwartenden Wortschwall.
Der Umgang mit Kommentaren gilt bei der NYT ohnehin als restriktiv. Nur
wenige Artikel lassen überhaupt Leserkommentare zu. Auf diese Weise erhält
die als rigoros bekannte Moderation mehr Kapazitäten, um wiederum auf das
Niveau der Zuschriften Einfluss nehmen zu können. Erklärtes Ziel ist es,
die Qualität des Artikels auch durch die der Leserkommentare zu erhöhen
beziehungsweise hochzuhalten. Das Sortieren der Posts nach oben genannten
Kriterien stellt nur einen weiteren konsequenten Schritt in diese Richtung
dar.
Der Leserbriefschreiber wird damit gefordert und ernst genommen, während
der Kommentarleser eine übersichtliche, nach Meinungen geordnete Plattform
vorfindet. Das ist für hiesige Gepflogenheiten, nach denen jede harmlose
Glosse über einen Windhundefriseur von Psychopathen mit einem wirren
Shitstorm überzogen wird, sicher neu.
Die Kehrseite der Medaille, und das gibt die Online-Redaktion der NYT
durchaus zu, ist, dass das Verfahren viele potenzielle Kommentatoren von
vornherein ausschließt. Eine Frage ist, ob man das bedauerlich findet. Denn
natürlich besitzt es einen ganz eigenen Reiz, sich durch ein kreatives
Chaos mit hohem Trash-Faktor zu scrollen. Hier steht unsortiert das
durchdachte Argument neben dem des notorischen Dauermotzers, der nach dem
Motto „Ich kack hier einfach mal besoffen rein“ die Kommentarspalten
sämtlicher Blogs und Presseorgane mit seinem Lebensfrust zumüllt. Was
entginge einem nicht alles an herrlichen Sumpfblüten, müsste man sich erst
durch vorgeschaltete Tags quälen.
## Die Freiheit vermissen
Zweifellos sind deutsche Online-Kommentarspalten auch eine süchtig machende
Zeitverbrennungsmaschine. Lachen, staunen, ärgern – die ganze Palette der
Empfindungen wird bedient und hält von der Arbeit ab. Unter Kollegen ist es
längst ein beliebter Sport, wer die wahnsinnigsten Kommentare erntet. Ganz
nebenbei entbindet das hierzulande vorherrschende Kommentarverhalten den
Autor von der lästigen Pflicht, über sachliche Einwände seitens der Leser
nachzudenken. Die sind nämlich mit der Lupe zu suchen.
Eine andere Frage ist die, ob man ein Procedere à la NYT nicht auch als
Gängelei und Erziehungsversuch seitens der Zeitung bewerten kann und sich
dadurch abgestoßen fühlt. Womöglich gehört man zur erlesenen Kaste des
intellektuellen Mehrwertschöpfers, wie ihn sich die NYT erträumt, zeigt
sich aber aus Prinzip solidarisch mit dem argumentativ weniger Begabten
oder gar mit dem Choleriker deutscher Prägung. Oder man ist ebendieser
Choleriker. Oder man steht irgendwo dazwischen und vermisst die Freiheit –
die des Mediums und die des Andersdenkenden.
Ohnehin wird sich die Mentalität der Kommentatoren nicht so schnell ändern.
Vielleicht empfiehlt sich ein den Gebräuchen angepasstes Tagging. Angelehnt
und doch modifiziert würde dann nicht nach positiver oder negativer
Überraschung (über die Papstwahl) geordnet, sondern zum Beispiel nach
„Zentimetern unter der Gürtellinie“, „Promillegehalt zum Zeitpunkt des
Kommentierens“ und „Ich bin ein Arschloch: Ja/Nein“. Das schließt nieman…
aus und hilft zugleich Freund und Feind des Destruktiven, das jeweils
Ungewünschte zu vermeiden.
Anmerkung der taz.de-Redaktion: Wir freuen uns auf eine stilvolle, in
zivilem Ton gehaltene und intellektuell fordernde Diskussion im
Kommentarbereich.
19 Mar 2013
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Kommentar
New York Times
Blog
Internet
New York Times
Kommunen
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