| # taz.de -- DVD-Veröffentlichung: Sie hat Blut geleckt | |
| > Ein Kostümfilm nach allen Regeln der Kunst: Catherine Breillats „Die | |
| > letzte Mätresse“ erscheint als DVD. Mit einer hinreißenden Asia Argento | |
| > in der Hauptrolle. | |
| Bild: Achten Sie auf die Anordnung der Stirnlocken: Asia Argento als Verführer… | |
| Bei einem Maskenspiel ist sie als Teufel, man kann kaum sagen verkleidet. | |
| Teufel, betont sie, nicht Teufelin, fürs Feminine hat sie nichts übrig, | |
| außer bei jungen Männern. Sie, das ist die Titelfigur, die „letzte | |
| Mätresse“, La Vellini, Tochter eines Toreros, heißt es: Asia Argento. | |
| Es ist das Jahr 1835, wir sind in Paris. Eine Einblendung ganz zu Beginn | |
| behauptet „im Jahrhundert von Choderlos de Laclos“ – des Autors der | |
| „Gefährlichen Liebschaften“ also, die freilich 1782 schon erschienen. Um | |
| das Verhältnis der Zeiten allerdings geht es auch in Jules-Amédée Barbey | |
| D’Aurevilles Roman, den Catherine Breillat hier verfilmte; um die Passion | |
| der Romantik gegen das Intrigenspiel des Ancien Régime: Schon das Buch „Die | |
| letzte Mätresse“ ist das Remake einer frivolen Dreiecksgeschichte im neuen | |
| Kontext bürgerlicher Ernsthaftigkeit. | |
| In diese Welt, in der der Adel nicht mehr ist, was er war, platzt La | |
| Vellini als wilde Naturkraft. Sie begehrt und macht keinen Hehl draus. Und | |
| gerade dass sie Ryno, seinerseits ein Verführer, lange nicht will, stachelt | |
| ihn an. Ryno übrigens spielt ein absoluter Newcomer in seinem | |
| Schauspieldebüt, Fu’ad Aït Aattou, androgyn, schön, äußerlich kühl, mit | |
| Lippen, die denen von Asia Argento mühelos standhalten können; in der | |
| Erscheinung im klassischen Sinn femininer als sie. | |
| ## Kugel überm Herz | |
| Ryno verfolgt La Vellini, in die Oper und in die freie Natur, und sie | |
| entzieht sich. Er provoziert ihren alten Ehemann, es kommt zum Duell, in | |
| das Ryno mit der Bereitschaft zur Selbstopferung geht. Fast stirbt er, die | |
| Kugel über dem Herzen wird blutig herausoperiert. Da tritt La Vellini ins | |
| Zimmer und leckt dem überm Schmerz ohnmächtig Gewordenen das Blut von der | |
| offenen Brust. Damit ist es auch um sie geschehen. | |
| Das meiste ist in Rückblende erzählt. Vorm offenen Kamin, in dem das Holz | |
| ganz großartig knistert, sitzen, stehen und liegen Ryno, der beichtet, und | |
| die Marquise de Flers, die noch aus dem Zeitalter der „Gefährlichen | |
| Liebschaften“ stammt und nicht sicher ist, ob sie ihre Enkelin Hermangarde | |
| dem jungen, dem der Vellini verfallenen Mann zur Ehefrau geben soll. Also | |
| beichtet er, beichtet sehr selbstbewusst, wenn nicht stolz, wir sehen den | |
| Sex mit La Vellini und wir sehen die Trauer ums tote Kind in grafischen | |
| Bildern. | |
| Ryno versichert der welterfahrenen Dame aus anderen Zeiten, es sei alles | |
| aus, alles vorbei, die Liebe zur Vellini erloschen. Die Marquise ist nur zu | |
| bereit, ihm zu glauben. Vielleicht glaubt er es selbst. Und dass er die | |
| schöne zarte blonde Hermangarde (Roxane Mesquida) liebt, ist ohnehin klar. | |
| Jedenfalls zieht er nach der Hochzeit davon, in die Provinz, an die See. | |
| Aber die Vellini hinter ihm her. Schnell zeigt sich: Sie können voneinander | |
| nicht lassen. Liebe mag das falsche Wort sein, in jedem Fall ist es eine | |
| Abhängigkeit, ein willenloses Begehren, für keinen wirklich ein Glück, für | |
| Hermangarde ein großes Unglück | |
| ## Tolle Kostüme | |
| „Die letzte Mätresse“ ist ein Kostümfilm nach allen Regeln der Kunst. Die | |
| Kleider sind toll, sogar die Tonspur erfindet an der Vergangenheit mit, die | |
| von Breillat mit gewohnter Prägnanz in die Räume drapierten Darsteller | |
| bewegen sich durch die fremde Epoche, als hätten sie nie im Heute gelebt, | |
| und sprechen Barbey D’Aurevilles gedrechselte Sätze, als sei es ein | |
| Leichtes. | |
| Für Catherine Breillat war ihr teuerster Film nach einem Schlaganfall ein | |
| großes Comeback. Lief in Cannes, faszinierte auch jene, denen ihr | |
| pornografischer Feminismus zuvor eher Angst gemacht hatte. Was nicht heißen | |
| soll, dass sie einen Kompromissfilm gedreht hat. Der Schauplatz ist ein | |
| anderer, um das Begehren als keineswegs reines Vergnügen geht es wie je. | |
| ## | |
| 23 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
| ## TAGS | |
| DVD | |
| Alfred Hitchcock | |
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