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# taz.de -- Regisseurin Catherine Breillat über Feminismus: "Ich habs gern, we…
> Wenn ich Filme mache, dann bin ich in erster Linie Cineastin, sagt die
> französische Regisseurin Catherine Breillat. Meine Filme sind nicht dazu
> da, um Frauen zu verteidigen, sondern die Kunst.
Bild: Filmszene aus Catherine Breillats "Barbe Blue" (Blaubart). Der Film wurde…
taz: Frau Breillat, in Ihrem Film "Barbe Bleu" (Blaubart) lesen sich zwei
kleine Mädchen das Märchen von König Blaubart vor. Was fasziniert Sie an
dieser Geschichte?
Catherine Breillat: Mich fasziniert dieses Märchen, weil im Mittelpunkt ein
Mädchen steht, das sich in voller Kenntnis der Umstände dazu entschließt,
einen Serienmörder zu heiraten. Als ich "König Blaubart" zum ersten Mal
las, war ich fünfeinhalb Jahre alt. Genauso alt also wie das kleine
Mädchen, das im Film seiner älteren Schwester das Märchen vorliest. In
diesem Alter machen einem solche Geschichten natürlich Angst. Aber Angst
mit einem Hochgefühl, wonnige Angst. Ich habe mir diese erhängten Frauen
unzählige Male vorgestellt, immer wieder. Abstrakter formuliert: Hier geht
es um eine Repräsentation des Todes, bei der die Leiche stets anwesend
bleibt. Man hat den Schlüssel zum Verlies in der Hand und kann sie besuchen
gehen.
Trotz dieser blutigen Geschichte - Ihre Weise, sie zu erzählen, ist diesmal
eher sanft ausgefallen.
Das macht die Perversität umso größer! (lacht) Außerdem: Mit 14 Jahren
einen Serienmörder zu heiraten, das finde ich schon provokant. Aber
natürlich ziehe ich kein 14-jähriges Mädchen aus, das ist doch klar.
Trotzdem dreht sich in "Barbe Bleu" fast alles um Sexualität und Gewalt.
Natürlich. Mädchen haben, anders als Jungen, schon sehr früh ein Gespür
dafür, dass es so etwas wie Sexualität gibt. Vor allem heutzutage. Ich habe
mich totgelacht, als das fünfeinhalbjährige Mädchen, das die Kleine spielt,
am Set anfing zu erklären, dass Liebe bedeutet, dass Frauen mit Frauen und
Männer mit Männern… Diese Szene ist übrigens die einzige im ganzen Film,
die wir improvisiert haben. Ich fand das wirklich urkomisch.
Das Publikum auch.
Tatsächlich? Ich hatte ja Angst, dass das zu viel wird. Die Kleine hat noch
mehr erzählt, vom Sperma und wie das alles so läuft. Aber das habe ich
alles rausgenommen.
Die bösartigste Figur in Ihrem Film ist nicht etwa der Serienmörder,
sondern die Mutter.
Sie ist nicht bösartig, sie ist nur die Resignierteste. Sie ist ruiniert,
das Elend hat sie gebrochen.
Warum muss die ältere Schwester aus der Jetztzeit sterben?
Damit die kleinere sie loswird. Damit sie die Große wird. Ich selbst war
auch die Zweite - und es hat mich sehr amüsiert, endlich meine ältere
Schwester zu töten. Die hat sich über "Barbe Bleu" fürchterlich aufgeregt,
und das hat mir noch mehr Spaß gemacht.
Aus feministischer Sicht ist es problematisch, dass in Filmen Frauen
zumeist sterben müssen wie die Fliegen. Auch bei Ihnen stirbt am Ende nicht
nur der mordende Patriarch, sondern eben auch die ältere Schwester.
Ich habs gern, wenn es Tote gibt. Ich mag das Blut und den Tod. Außerdem
bin ich nicht in erster Linie eine Feministin. Im Alltag bin ich es
natürlich schon, zumal es immer noch Frauen gibt, die sich über
Feministinnen lustig machen. Das finde ich ganz unerträglich, und da bin
ich dann ganz auf der Seite der Feministinnen. Aber wenn ich Filme mache,
dann bin ich in erster Linie Cineastin. Meine Filme sind nicht dazu da, um
Frauen zu verteidigen, sondern um die Kunst zu verteidigen. Daher mochten
Feministinnen meine Filme auch nie. Vor allem meine frühen Filme haben sie
gehasst.
Warum?
Weil ich mich in ihnen für die masochistische Seite von Frauen
interessiere. Außerdem habe ich die Frauen ausgezogen, auch das gefiel
nicht. Heute ziehe ich nun vor allem Männer aus.
Man lehnte Ihre Filme ab, weil sie feministische Vorstellungen von
weiblicher Repräsentation nicht bedient haben?
Ja, auch in "Barbe Bleu" gibt es diese masochistische Seite. Als das
Mädchen Blaubart den Hals hinhält, hat sie nicht nur Angst, sondern ist
auch in Ekstase. Dieser Sadomasochismus, zumal der Masochismus der Frauen,
die ihren Henker lieben, das ist für mich ein großes Thema. Und das ist nun
mal überhaupt nicht feministisch.
Trotzdem behält das Mädchen in Ihrer Interpretation am Ende die Oberhand:
Die letzte Einstellung zeigt sie mit dem abschlagenen Kopf des Blaubarts -
sie ist ganz die Judith von Holofernes, die sich den Kopf von Johannes dem
Täufer bringen lässt.
Ja, ich liebe dieses Bild und beziehe mich immer wieder darauf. Aber das
Wichtigste der Szene ist: In ihr streichelt sie zum ersten Mal das Gesicht
ihres Ehemannes. Während sie zärtlich ist, nimmt sie seine Position ein.
Dieser Transfer zwischen dem absolut Schwachen und dem absolut Starkem -
für mich ist das Liebe.
Warum lässt Sie dieses Thema nicht los?
Weil Frauen, die Männer lieben, zwangsläufig auf das masochistische
Universum zurückgeworfen werden. Es geht gar nicht anders. Noch werden
Männer und Jungen mehr geliebt als Mädchen und Frauen. Trotzdem sind sie
letztlich nicht die Starken. Denn trotz ihrer ständigen Versuche, die Frau
zu dominieren: Sobald sie in sie eingedrungen sind, werden sie schwach.
Deswegen sprechen wir ja auch vom Orgasmus als "dem kleinen Tod". Die
Frauen aber erleben keinen Tod, sondern Ekstase, die sich nicht dem Mann
widmet, sondern sich selbst. Anders als es in den meisten Filmen gezeigt
wird: Beim Sex ist die Frau viel egoistischer als der Mann. Während sie in
der Liebesbeziehung zumeist die Schwächere ist, am Ende dominiert sie. Das
übrigens ist mein Lieblingsthema.
Und hier gibt es keine Gegenbeispiele?
Doch, wenn der Sadismus zu stark wird. Dann ist sie wieder Opfer. Und was
mich außerdem wahnsinnig macht…
Na?
Alle sagen immer: Catherine Breillat, die mag keine Männer. Was für ein
Unfug! Ich liebe sie! Okay, ich mag keine Bürokraten und ich mag es nicht,
wenn sie mir beweisen wollen, dass sie intelligenter sind als ich. Weil das
meistens nicht der Fall ist. Aber selbst wenn ich sie intellektuell nicht
spannend finde, können sie sexuell sehr interessant sein. Und über welchen
Mann, der lieber mit Frauen schläft als mit ihnen spricht, würde man sagen:
Er hasst die Frauen? Ich mache es einfach nur genauso wie er.
14 Feb 2009
## AUTOREN
Ines Kappert
## TAGS
DVD
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DVD-Veröffentlichung: Sie hat Blut geleckt
Ein Kostümfilm nach allen Regeln der Kunst: Catherine Breillats „Die letzte
Mätresse“ erscheint als DVD. Mit einer hinreißenden Asia Argento in der
Hauptrolle.
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