# taz.de -- Kolumne Berlin apart: Schnee und andere Probleme | |
> Dass Berlin so was wie eine welthistorische Gesamtkatastrophe ist, | |
> jedenfalls urbanistisch betrachtet, fällt sofort auf. | |
Bild: Was ist hier schlimmer: der schmutzige Schnee oder die sauberen Hunde? | |
Wie sich Piloten im Cockpit so unterhalten, möchte man ja meistens gar | |
nicht wissen. Auch möchte man nicht im Flugzeug darüber informiert werden, | |
was noch repariert werden muss, damit es losgehen kann. Einmal drin, gibt | |
es sowieso kein Raus mehr. Alle Informationen, auch die über Notausgänge, | |
erscheinen in einem Flugzeug sinnlos. | |
Wenn man dann einen Tag vor dem kalendarischen Frühlingsanfang in aller | |
Herrgottsfrühe zwei Stunden vor dem Flugzeug gewartet hat und, endlich | |
drin, vom Piloten erfährt: „Schnallen Sie sich gut an! Wir müssen noch 80 | |
Minuten bis zur Enteisung warten“, ist das informationsmäßig ein Desaster. | |
An dieser Stelle fangen Passagiere normalerweise an zu fluchen, zu stöhnen | |
und zu meckern, stehen auf, rufen nach dem Käpt’n, drohen mit Klage. Mein | |
Pilot weiß das zu verhindern, indem er erklärt: „Regen Sie sich nicht auf. | |
Machen Sie sich einfach klar, dass Sie nur ein kleiner Teil der | |
weltgeschichtlichen Gesamtkatastrophe sind.“ | |
So egal einem die Restwelt da draußen ist, wenn man in einem Flieger | |
gefangen ist, so recht hat der Mann. Selig schlafen wir einfach ein. Dieser | |
winzige Schneeflecken im Osten Deutschlands braucht sich gar nicht so | |
aufzuplustern. Woanders gibt es Mord und Totschlag, sterben Menschen an | |
Hunger und Kälte, leiden unter Diktatoren. | |
Über Süddeutschland scheint dann die Sonne. | |
Zurück in Berlin, bleibt das Problem mit dem Schnee: Die ganze Sanftheit, | |
die das weiße Zeugs mit sich bringt, ist längst verflogen, nur als Nervkram | |
ist es übrig geblieben. Und das ist schon blöd, weil man doch von | |
Naturwunderschönheiten nicht genervt sein möchte. Dass diese Stadt | |
ansonsten tatsächlich so was wie eine welthistorische Gesamtkatastrophe | |
ist, jedenfalls urbanistisch betrachtet, fällt einem auch sofort wieder | |
auf. | |
Eine Wiener Bekannte machte kürzlich eine interessante Beobachtung: In | |
Berlin seien so wenig „Kinder und Pensionisten“ zu sehen. Bei den Kindern | |
bin ich mir nicht sicher, in meinem Hinterhof sind Massen davon. Aber ich | |
weiß, was sie meint: In einer vom Krieg schwer gezeichneten bosnischen | |
Stadt erkannte ich einmal, wie wohltuend es sein kann, wenn Kinder lärmen – | |
manchmal sind sie eben das einzige Lebendige, was eine Stadt zu bieten hat, | |
und wenn einem Stadtfremdem auffällt, dass das fehlt, dann fehlt das. Das | |
mit den Pensionisten stimmt natürlich auch, denn es gibt in Berlin einfach | |
kein urbanes Zentrum, wo die bürgerliche Gesellschaft sich trifft und wo | |
man sie an ihrer Inszenierung teilnehmend beobachten könnte – der Alex ist | |
viel zu hässlich, das Spreeufer viel zu länglich, der Tiergarten zu | |
dezentral. | |
Aber wir sind ja nur Teil der welthistorischen Gesamtkatastrophe. Woanders | |
liegt ewiges Eis, knallt erbarmungslos die Sonne, spült das Meer tote | |
Fische an Land. Gut zu wissen, dass in ein paar Wochen Sommer ist, für ein | |
paar Wochen jedenfalls. | |
24 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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