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# taz.de -- Interview zu Mobilität: „Radwege sind gefährlich“
> Die neue Straßenverkehrsordnung tritt in Kraft. René Filippek vom ADFC
> erklärt, wieso Radfahrer bald seltener auf Radwegen zu finden sein
> werden.
Bild: Der Fahrradweg: ein gefährliches Pflaster?
taz: Herr Filippek, am Montag tritt die neue Straßenverkehrsordnung in
Kraft. Neu ist daran erst einmal die geschlechtsneutrale Sprache: Aus
„Radfahrern“ werden „Rad Fahrende“, aus „Fußgängern“ werden „zu…
Gehende“. Aber was ändert sich denn für uns Rad Fahrende auf der Straße?
René Filippek: Eine wichtige Neuerung ist, dass Radfahrstreifen auf der
Straße mit Radwegen auf dem Bürgersteig gleichgestellt werden. Bislang
haben die Kommunen bevorzugt Radwege auf Bürgersteigen angelegt, weil dies
so in den Verwaltungsvorschriften der Straßenverkehrsordnung (STVO)
vorgesehen war. Dieser Passus wurde gestrichen, weil man mittlerweile
erkannt hat, dass die Radwege Unfallschwerpunkte sind. Das gilt vor allem
für Kreuzungen, an denen Autos rechts abbiegen. In Zukunft werden Radfahrer
immer häufiger auf den Straßen unterwegs sein. Insgesamt sind wir recht
zufrieden mit der neuen Ordnung.
Aber nach wie vor müssen die Radwege verpflichtend genutzt werden, wenn da
das blau-weiße Radwegschild steht.
Ja, wenn das Schild da steht, darf man nur auf die Straße ausweichen, falls
der Weg versperrt ist, etwa weil sich dort eine Baustelle befindet.
Andererseits sagt ein Urteil von 2009, dass die Gefahrenlage für Radfahrer
auf der Straße schon sehr genau dargestellt werden muss, damit eine Kommune
die Nutzung eines Radwegs verpflichtend machen kann. Seitdem sind auch in
den Städten etliche Benutzungspflichten aufgelöst worden. In Berlin muss
man schon suchen, wenn man Radwege mit verpflichtenden Schildern finden
will.
Sollte man denn die Nutzungspflicht für Radwege besser abschaffen?
Ja, wir beim ADFC hätten uns das gewünscht. Denn die in den 1970er und
1980er Jahren neben der Straße angelegten Radwege sind gefährlich und nur
selten so gut ausgebaut, dass man zügig vorankommt. Wenn man bei seiner
Straße den Eindruck hat, dass die Benutzungspflicht dort sinnlos ist, kann
man sich aber an die Stadtverwaltung wenden oder dagegen klagen. Und die
Chancen für einen Sieg vor Gericht stehen sehr gut.
Auch an Ampeln sollen sich Rad Fahrende jetzt stärker an der Straße
orientieren, heißt es.
Bislang war es so, dass Radfahrer immer die Fußgängerampel zu beachten
hatten, wenn es einen Radweg gibt und keine spezielle Radfahrerampel
vorhanden ist. Selbst wenn man auf der Straße fuhr, war man verpflichtet,
die Fußgängerampel zu nutzen. Ab Montag gilt die Fahrbahnampel für die
Radfahrer.
Was ist die Idee dahinter?
Die alte Regel stammt aus der Zeit, als man jeden Radweg benutzen musste.
Der Radfahrer wurde als Fußgänger auf Rädern angesehen. Das war eine
Geringschätzung. Nach unserer Auffassung müssen Radfahrer als
Fahrzeugführer angesehen werden.
Allerdings steht in der neuen STVO eine verwirrende Übergangsfrist: Bis
2016 sollen Radfahrer sich doch noch nach der Fußgängerampel richten.
Das hängt damit zusammen, dass die Kommunen oft überfordert sind, neue
Regeln umzusetzen, und die Chance bekommen sollen, Ampeln zu montieren. Die
Übergangsfrist ist natürlich viel zu lang und idiotisch. Wie soll man das
jemandem erklären? Übrigens wurde die Regelung schon mal 2009 umgesetzt.
Aber dann hat der Bundesverkehrsminister einen Formfehler gefunden und die
STVO-Novelle nichtig gemacht. Für die Kommunen müsste das nun eigentlich
eine ausreichende Übergangsfrist gewesen sein. Intuitiv richtet man sich
sowieso meist nach den richtigen Ampeln.
Sagen wir: Radfahrer nehmen die Ampel, die gerade noch mehr oder weniger
grün ist.
Ja, natürlich. Die Regel, so wie sie bis 2016 Bestand hat, ist natürlich
absurd, weil das kein Mensch weiß. Das sind Feinheiten, die in der Praxis
eher schwierig sind.
Ändert sich denn in der Praxis überhaupt etwas zum 1. April?
Viele Leute beschäftigen sich damit ja nicht und registrieren nur, was auf
der Straße passiert. Aber in den Sommermonaten, wo ganz viel los ist auf
den Radwegen, wird sich von allein ergeben, dass Radfahrer auf die Straße
ausweichen, wenn der Radweg voll ist. Auf Dauer werden sich solche
Regelungen durchsetzen, auch wenn die Leute den Gesetzestext nicht lesen.
Gibt es sonst noch etwas Neues in der STVO?
Eine schöne Kleinigkeit ist, dass Sackgassen, die für Radfahrer und
Fußgänger durchgängig sind, künftig mit gesonderten Schildern
gekennzeichnet werden. Das fing mit einer Guerilla-Aktion von
ADFC-Mitgliedern an, die auf die Schilder einen Hinweis geklebt haben, wenn
man dort durchkommt.
Ab 1. April wird es auch neue, höhere Bußgelder geben. Wer auf dem Fahrrad
mit dem Handy erwischt wird, soll nun 25 Euro zahlen. Ist das nicht
übertrieben?
Das sehen wir beim ADFC entspannt. Wir wollen ja, dass sich die Leute an
die Regeln halten. Fakt ist natürlich, dass eine Bußgelderhöhung allein
wenig bringt, weil die meisten Radfahrer die Beträge eh nicht kennen.
Wichtiger ist es, über die Regeln aufzuklären und häufiger Kontrollen
durchzuführen. Ich bin in meinem Radfahrerleben noch nie angehalten worden.
Und ich habe auch noch nie eine Kontrolle gesehen.
29 Mar 2013
## AUTOREN
Martin Rank
Martin Rank
## TAGS
Critical Mass
Fahrrad
Radwege
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