# taz.de -- Arbeitskampf in Dänemark: Lehrer ausgesperrt | |
> Alle dänischen Gesamtschulen sind lahmgelegt – die Lehrer wurden | |
> ausgesperrt. Mit der Maßnahme wollen die Arbeitgeber längere | |
> Unterrichtszeiten durchboxen. | |
Bild: Müssen zu Hause bleiben: Dänische Schulkinder | |
KOPENHAGEN dpa | Hinter der allseits geschätzten Freundlichkeit der Dänen | |
tritt mitunter verblüffende Härte an den Tag. Die öffentlichen Arbeitgeber | |
Dänemarks haben am Dienstag alle Gesamtschulen („Folkeskoler“) lahmgelegt, | |
indem sie die Lehrer per Aussperrung an der Arbeit hinderten – sie wollen | |
damit längere und flexiblere Unterrichtszeiten erzwingen. | |
Ausgerechnet Pädagogen und Schüler der Pflichtschule von der ersten bis zur | |
neunten Klasse sind Betroffene der größten Aussperrung, die es im | |
Königreich je gegeben hat. „Ganz prima“ nennt das Schüler Mikkel Hansen a… | |
einer Fredrikshavner dritten Klasse im Fernseh-Interview. | |
Er darf den ersten Tag nach Ostern statt auf der Schulbank im „Autohaus | |
Uggerhøj“ verbringen. Überall haben sich Einrichtungen und Privatpersonen | |
bereiterklärt, die Jüngsten zu betreuen. Hier blüht der Pragmatismus der | |
Dänen. Auch viele Schulen stehen offen – ohne Unterricht. | |
Zeitgleich demonstrieren Lehrer vor den Rathäusern. Sie sind schriftlich | |
über die Aussperrung informiert worden. Die meisten der 69.000 Pädagogen | |
sehen die Maßnahme als brutale Durchsetzung einer „Discountschule“ mit | |
längeren Unterrichtszeiten, aber ohne Zusatzkosten. | |
Unterrichtsministerin Christine Antorini hat im Dezember überwiegend | |
positiv aufgenommene Reformpläne vorgelegt, unter anderem die Einführung | |
einer obligatorischen Ganztagsschule, finanziert durch neue | |
Arbeitszeitmodelle. | |
## Mehr Arbeit für alle | |
Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt lässt | |
keine Gelegenheit aus, ihren 5,6 Millionen Bürgern die Notwendigkeit von | |
mehr Arbeit und mehr Lernen einzubläuen, mit dem Hinweis auf eine | |
zunehmende globale Konkurrenz. | |
Dafür will die Regierung an den Gesamtschulen auch „modernes | |
Unternehmensmanagement“ durchsetzen. Starre Tarifverträge zur | |
Pflichtstundenzahl für alle Lehrer seien überholt, sagt der | |
Chefunterhändler der kommunalen Arbeitgeber, Michael Ziegler. | |
Das in vielen anderen Ländern undenkbare Mittel, Lehrer einfach | |
auszusperren, verteidigte er im Sender TV2 News: „Die Lehrer hatten auch | |
kein Problem damit, uns in den letzten zehn Jahren dreimal mit Streik zu | |
drohen.“ Anders als in Deutschland sind nur wenige der dänischen Pädagogen | |
verbeamtet und damit von Arbeitskämpfen ausgeschlossen. | |
## Stimungmache mit Vorurteilen | |
Auch beim Kampf um die Sympathien der Bürger haben die Arbeitgeber die | |
Samthandschuhe abgelegt. Sie behaupten, Dänemarks Lehrer würden nur 16 | |
Stunden Unterricht pro Woche geben, und Lehrer über 60 hätten Anspruch auf | |
viereinhalb zusätzliche Ferienwochen pro Jahr. | |
„Privilegien, die sonst absolut niemand in Dänemark hat“, sagt Ziegler. Die | |
Lehrergewerkschaft weist diese Berechnungen als Propaganda zurück. | |
Einig sind sich in Kopenhagen Beobachter, dass die Dänen richtig sauer | |
werden und ihre Freundlichkeit vergessen, wenn sie ihre Kinder über längere | |
Zeit nicht zur Schule schicken können. Deshalb gilt als sicher, dass | |
Regierung und Parlament den Arbeitskampf zügig per Zwangseingriff beenden | |
werden – und das wohl weitgehend mit den von den Arbeitgebern verlangten | |
Neuregelungen. | |
2 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Thomas Borchert | |
## TAGS | |
Tarifkonflikt | |
Schule | |
Lehrer | |
Dänemark | |
Arbeitszeit | |
Dänemark | |
Streik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schulverbot für dänische Lehrer: Auf dem Rücken der Pädagogen | |
Die Aussperrung von 70.000 dänischen Grundschullehrern geht in die zweite | |
Woche. Sie sollen damit zu längeren Arbeitszeiten gezwungen werden. | |
Zukunft des Arbeitskampfes: Streiken à la Stuttgart | |
Werden Streiks experimentierfreudiger, jünger und weiblicher? Auf einer | |
Konferenz diskutieren mehr als 450 Gewerkschafter, Aktivisten und Forscher. |