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# taz.de -- Tierschutz durch Abschuss: Jäger wollen keine Hirsche jagen
> In Bayern sollen Hirsche in abgezäunten Wäldern während der Schonzeit
> erschossen werden. Sie könnten Rinder mit Tuberkulose anstecken. Die
> Jäger sträuben sich dagegen.
Bild: Von wegen, im Gatter hat man seine Ruhe: Diesem Hirsch droht vielleicht d…
BERLIN taz | Normalerweise hat das Rotwild in Bayern im Winter Ruhe vor
Jägern. Das Gesetz schreibt Schonzeit bis Ende Mai vor. Und rund 4.100 der
25.000 Hirsche verbringen die kalten Monate geschützt vor Jägern in
eingezäunten Waldstücken, wo sie regelmäßig gefüttert werden. Diese Gatter
sollen die klimatisch milderen Auen ersetzen, in die die Tiere aus den
hohen Berglagen ziehen würden, wenn der Mensch diese Lebensräume nicht
zerstört oder die Wege dorthin nicht verbaut hätte.
Doch dieses Jahr soll die Ruhe schon in diesen Tagen ein jähes Ende nehmen,
wenn es nach der bayerischen Staatsregierung geht: Weil in den
Alpenlandkreisen seit November bei 30 Rindern Tuberkulose festgestellt
wurde, hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
empfohlen, etwa 360 Hirsche bereits in den Wintergattern töten zu lassen,
wie Behördensprecherin Claudia Schuller der taz mitteilte. Das Wild gilt
als möglicher Überträger für die Krankheit. Die ersten Tiere sind bereits
zur Strecke gebracht worden.
Und das Abschießen könnte noch ausgeweitet werden: Falls sich bei der
Diagnose herausstellt, dass viele Tiere den Krankheitserreger in sich
tragen, müsste etwa nach dem Willen der SPD-Landtagsabgeordneten Maria
Noichl der Bestand ganzer Gatter gekeult werden. Das soll verhindern, dass
kranke Hirsche nach Öffnung der Tore Ende April/Anfang Mai auf die Almen
laufen und Rinder anstecken.
Für die Bauern steht eine Menge auf dem Spiel: Bislang galt Deutschland als
tuberkulose-frei. 550 Rinder wurden nun schon getötet, um das Bakterium
auszumerzen. Hunderte Höfe in der Region, die von kleinen Betrieben mit der
ökologisch besonders vorteilhaften Almwirtschaft geprägt ist, durften ihre
Produkte nicht verkaufen.
## Keine andere Möglichkeit
Aber rechtfertigt das, Exemplare einer ehemals vom Aussterben bedrohten
Wildtierart zu töten? Das Landesamt für Gesundheit sieht keine andere
Möglichkeit. Bei den Rindern hätten die Experten den gleichen
Tuberkulosestamm gefunden wie bei den Hirschen. „Also stecken sie sich
gegenseitig an“, so Schuller. Die Tests und gegebenenfalls Keulungen
müssten weitergehen.
Rinder können auch lebend auf Tuberkulose getestet werden: Dem Tier wird
ein Präparat gespritzt. Wenn die Stelle nach 72 Stunden stark angeschwollen
ist, ist es positiv. „Wildtiere müssten für die Untersuchung zweimal
fixiert und betäubt werden“, so Schuller. Das sei „tierschutzrechtlich
nicht zu begründen“. Und es sei auch „nicht praktikabel“, in einem mehre…
Hektar großen Gatter wilde Hirsche einzufangen, sie an einer Stelle zu
rasieren, zu spritzen, freizulassen und nach drei Tagen genau diese Tiere
wieder einzufangen.
Ausgerechnet die Jäger sind dagegen, dieses Jahr schon im Gatter mit der
Jagd zu beginnen. Der Bayerische Jagdverband sieht keine Belege dafür, dass
das Rotwild die Rinder angesteckt hat. Vor allem argumentieren die Jäger
aber, der geplante Abschuss „von derart vielen Tieren in einem engen
Wintergatter“ könne zu Panik führen. „Die Hirsche könnten versuchen, üb…
den Zaun zu springen, und sich dabei verletzen“, sagte Hauptgeschäftsführer
Joachim Reddemann der taz. Zudem seien die Hirschkühe gerade hochträchtig
und bräuchten dringend Ruhe. Ähnlich äußert sich der Deutsche
Tierschutzbund.
Reddemann will zunächst sanftere Methoden: Man könne ja erkrankte Tiere
meist an ihrem Aussehen erkennen, Proben von Kot oder Salzsteinen nehmen,
an denen die Hirsche in den Gattern lecken. Zudem ließen sich die Tiere ja
auch nach dem Öffnen der Gatter in freier Wildbahn schießen und dann
untersuchen. Doch der Jägerlobbyist räumt selbst ein, dass nicht alle
infizierten Hirsche auch Symptome zeigen oder die Bakterien ausscheiden –
sodass sich auf diesem Weg kaum die Zahl der Infizierten ermitteln lasse.
## Schießen, aber tierschutzgerecht
Selbst der Bund für Umwelt und Naturschutz unterstützt die Abschussaktion.
„In diesen Wintergattern kann man den Abschuss jetzt erfüllen“,
argumentiert Waldexperte Ralf Straußberger. „Es kommt darauf an, dass man
es tierschutzgerecht macht. Zum Beispiel mit Schalldämpfern, sodass es
nicht zur großen Beunruhigung der ganzen Herden im Wintergatter kommt.“
Großbritannien etwa zeige, dass das gehe, und die Gatter seien groß genug.
Tatsächlich bestätigt auch der Jagdverband, dass die eingezäunten Flächen
jeweils mindestens einige Hektar umfassten – manche sogar 30 Hektar, sie
sind also so groß wie ungefähr 40 Fußballfelder. Den Verdacht, dass unter
dem Vorwand der Seuchenbekämpfung der Bestand des „Königs der Wälder“
dezimiert werden solle, hegt Straußberger nicht. „Dazu wären die Zahlen
viel zu niedrig“: 9 Prozent der Tiere im Gatter und 1 Prozent des
Rotwildbestandes in Bayern insgesamt.
8 Apr 2013
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Wild
Jagd
Tierschutz
Tuberkulose
Schwarzwald
Bleimunition
Jäger
Schwerpunkt Artenschutz
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