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# taz.de -- Mysterium um Schiffsbrand aufgeklärt: „Matratzen laufen nicht se…
> Die Besatzung der „Scandinavian Star“ legte 1990 Feuer und brachte damit
> 159 Passagiere um. Es ging um einen Versicherungsbetrug.
Bild: 7. April 1990: Die brennende Scandinavian Star
STOCKHOLM taz | Was einst als Fährunglück ausgegeben wurde, entpuppt sich
jetzt als der größte „Massenmord“ im Norden Europas nach dem Zweiten
Weltkrieg. Der Brand auf dem Fährschiff „Scandinavian Star“ im April 1990
war kein Unglück, sondern ein Versicherungsbetrug. Zu diesem Schluss kommt
eine Kommission, die exakt 23 Jahre nach der Katastrophe jetzt in Norwegen
ihre Untersuchungsergebnisse präsentiert hat.
„Skandinaviens größtes Kriminalmysterium“ – so die Kopenhagener
Tageszeitung Politiken – könnte damit vor der Aufklärung stehen. In der
Nacht zum 7. April 1990 war zwischen Oslo und dem dänischen Fredrikshavn
das Fährschiff „Scandinavian Star“ mit 485 Passagieren und
Besatzungsmitgliedern an Bord in Brand geraten. Ein Brand, der erst zehn
Tage später ganz gelöscht werden konnte und bei dem 159 Menschen,
ausschließlich Passagiere, umkamen. Die meisten starben durch giftige
Rauchgase.
Brandstiftung war schnell als mögliche Ursache vermutet worden, da
Augenzeugen von mehreren Brandherden berichteten. Doch die norwegische
Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein. Ein dänischer
Lastwagenfahrer mit mehreren Vorverurteilungen wegen Brandstiftung galt ihr
als Täter.
Hinterbliebene, Schifffahrts- und Brandexperten bezweifelten von Anfang an
diese offizielle Version. Mehrere Versuche zur Wiederaufnahme des
Verfahrens scheiterten – zuletzt 2012. Schon 2009 wiesen Ingenieure nach,
dass Feuer an mindestens sechs Stellen ausgebrochen war und zwar nachdem
der verdächtige Lkw-Fahrer längst tot gewesen sei. Die Ergebnisse der
12-köpfigen Kommission, die 23.000 Dokumente überprüft hat, haben konkrete
Hinweise auf einen Versicherungsbetrug ergeben. Es wird auf bis zu neun
Besatzungsmitglieder als mögliche Brandstifter verwiesen.
Diese hätten nicht nur die Brände entfacht, sondern durch Manipulation des
Ventilationssystems, Sabotage der Sprinkleranlage, offene Brandtüren,
eingeschlagene Fenster und aktive Behinderung von Löscharbeiten für eine
„optimale“ Ausbreitung der Feuer gesorgt. Nachdem die Passagiere in die
Rettungsboote gegangen waren, wurden an Bord in den Korridoren aufgetürmte
Matratzen angezündet. „Matratzen laufen nicht selber herum und zünden sich
an“, sagt Håkon Winterseth, Ingenieur für Brandtechnik.
## Alarmsystem funktionierte nicht
Die „Scandinavian Star“ war wenige Tage vor dem Brand für zehn Millionen
Dollar verkauft, aber für 24 Millionen Dollar weit überversichert worden.
Die Brandstifter hatten womöglich nicht einmal damit gerechnet, dass es
Tote geben könnte. Der Kapitän hatte einige Zeit nach dem Brandalarm auch
per Funk gemeldet, alle Menschen seien in die Rettungsboote evakuiert
worden. Dass Passagiere schlafend in ihren Kabinen erstickt waren, weil das
Alarmsystem dort nicht funktionierte, war der Besatzung offenbar entgangen.
17 Millionen Dollar waren als Versicherungssumme an eine Reederei in Miami
ausgezahlt worden. Viel spreche dafür, dass diese das Geld mit den
eigentlichen Brandstiftern geteilt habe, meint die Kommission. Dass Polizei
und Staatsanwaltschaft den Hinweisen auf einen Versicherungsbetrug nicht
nachging, bezeichnet das Kommissionsmitglied Gisle Weddegjerde als
„gewaltigen Rechtsskandal“. Norwegens Polizei reagierte und kündigte neue
Untersuchungen an. Versicherungsbetrug ist verjährt. Mord oder Beihilfe zum
Mord würden nach norwegischen Recht 2015 verjähren.
7 Apr 2013
## AUTOREN
Reinhard Wolff
Reinhard Wolff
## TAGS
Fähre
Massenmord
Brandstiftung
Costa Concordia
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