# taz.de -- Kopten und Muslime in Ägypten: Gewalt nach Totenmesse | |
> Bei Auseinandersetzungen rund um die koptische Kathedrale in Kairo werden | |
> erneut zwei Personen getötet und über achtzig verletzt. | |
Bild: Aufräumarbeiten vor der koptischen Kathedrale in Kairo | |
KAIRO taz | Wer hat angefangen? Warum ist die Polizei nicht mit mehr | |
Entschlossenheit vorgegangen und warum wurde niemand festgenommen? Es sind | |
viele Fragen, die nach den Auseinandersetzungen rund um die koptische | |
Kathedrale in Kairo in der Nacht von Sonntag auf Montag offen geblieben | |
sind. | |
Sicher ist: Zwei Menschen sind tot, über 80 wurden verletzt. Begonnen hatte | |
das Drama nach der Totenmesse für vier Kopten, die am Freitag bei | |
Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen in al-Khosous, einem | |
Dorf nördlich von Kairo, starben. Alle vier, so der Obduktionsbericht, | |
wurden mit Schüssen aus Schnellfeuergewehren getötet. | |
Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen, als koptische Teenager Kreuze | |
auf die Mauer einer Moschee sprühten. Muslime versuchten daraufhin, eine | |
Kirche anzuzünden, griffen einen christlichen Kindergarten sowie mehrere | |
koptische Läden und Häuser an. | |
## Die Berichte sind widersprüchlich | |
Zu den Ereignissen nach der Totenmesse in der Kathedrale in Kairo gibt es | |
widersprüchliche Berichte. Der Beerdigungszug vor der Kathedrale sei von | |
Unbekannten mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen worden, erzählen | |
die Kirchgänger. Das Innenministerium folgt dagegen in einer Erklärung den | |
Augenzeugenberichten der muslimischen Nachbarn der Kathedrale, laut denen | |
die christlichen Trauernden einige Autos vor der Kathedrale beschädigt | |
haben sollen und damit die Auseinandersetzungen begonnen hätten. | |
Die ganze Nacht über wurde die Kathedrale von benachbarten Dächern aus mit | |
Brandsätzen und Steinen beworfen. Auch Schrotflinten kamen zum Einsatz. Die | |
Verletzten wurden in der Kathedrale in einem provisorischen Feldlazarett | |
versorgt. Erst in den Morgenstunden herrschte wieder Ruhe. | |
Noch in der Nacht hatte der von der Muslimbruderschaft stammende Präsident | |
Mohammed Mursi erklärt, er betrachte einen Angriff auf die Kathedrale als | |
einen Angriff auf seine Person. Die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der | |
Muslimbrüder forderte in einer Erklärung alle Ägypter auf, „nicht auf | |
systematische Provokationen zu reagieren, das Gesetz zu achten und ihre | |
Rechte zu bekommen, indem die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, egal | |
welcher Religion sie angehören“. | |
## Fragen an das Innenministerium | |
Doch gerade Letzteres dürfte bezweifelt werden. Das Innenministerium musste | |
sich unangenehme Fragen stellen lassen. Anfangs waren nicht genug | |
Polizeikräfte vor Ort. Später sicherten Polizeiketten den Haupteingang der | |
Kathedrale, die Sicherheitskräfte griffen aber nicht ein, als die | |
Auseinandersetzungen in den Seitenstraßen um die Kathedrale weitergingen | |
und behielten sicherem Abstand bei. Obwohl viele Täter von Journalisten | |
gefilmt und fotografiert wurden, wurde niemand verhaftet. | |
Radikale Islamisten nutzen die Gunst der Stunde, um noch etwas mehr Öl ins | |
Feuer zu gießen. Einer ihrer Fernsehsender, Hafez TV, wartete mit einer | |
Frage des Tages in der Bildschirmbandleiste auf: „Wird es einen Bürgerkrieg | |
zwischen Muslimen und Christen geben? Schicken sie die Antwort per SMS.“ | |
8 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
## TAGS | |
Ägypten | |
Kopten | |
Mursi | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aktionstag gegen Gewalt an Frauen: Die dunkle Seite des Tahrir | |
Regelmäßig umringen Männergruppen auf dem Tahrirplatz Frauen und | |
vergewaltigen sie. Freiwillige organisieren sich nun um die Überfallenen zu | |
befreien. | |
Zwei Jahre nach dem Sturz Mubaraks: Keine Versöhnung | |
In der Hafenstadt Port Said herrschen Empörung über die harten Urteile im | |
Fußballkrawall-Prozess, Rachegefühle und Misstrauen gegen Polizei und | |
Regierung. | |
Unruhen in Ägypten: „Ihr Wahnsinnigen!“ | |
Bislang herrscht Konsens: Der Suezkanal ist tabu für Demonstranten. Das | |
könnte sich ändern. Am Sonntag wurde erstmals der Fährverkehr gestört. | |
Das Schlagloch: Mittelmäßige Muslimbrüder | |
In Ägypten fehlen Visionäre, die den Niedergang des Landes aufhalten. | |
Stattdessen wachsen Dummheit und Konformität. | |
Ägyptens Ex-Diktator: Prozess gegen Mubarak geplatzt | |
Kurz nach Verhandlungsbeginn gab Richter Hassan seinen Rückzug bekannt, | |
wegen Befangenheitsvorwürfen seitens der Kläger. Hosni Mubarak sah | |
überraschend erholt aus. |