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# taz.de -- Die Wahrheit: Geliebtes Reisbällchen
> Die wahren Hintergründe der Drohgebärden Nordkoreas gegen Südkorea: der
> dramatische Versorgungsengpass auf dem Süßwarensektor.
Bild: Die Unabhängigkeit von Importen westlicher Imperialisten steht bei Gehei…
Endzeitstimmung im Pjöngjanger „Palast des schmelzenden Vergnügens“. In d…
Regalen gammeln vier angestaubte Packungen mit Konfekt der Marke
„Schneeglöckchen“ vor sich hin. Mausgraue Reste angelaufener Pralinen
liegen in der Glasvitrine. Zackige Verkäuferinnen widmen sich mit strengem
Blick dem Abverkauf der letzten Bestände. Nach gerade mal zwei Stunden ist
die zentrale Süßwaren-Abgabestelle der nordkoreanischen Hauptstadt restlos
ausverkauft. Einzig die in rot-goldenes Stanniolpapier gehüllte
Schokoladenfigur des „Obersten Führers“ Kim Jong Un im Schaufenster kündet
noch vom Zweck des Ladens. Natürlich ist der Schoko-Kim unverkäufliche
Dekoration.
Während die Welt den Kopf schüttelt über die martialischen Kriegsdrohungen
des jungen Diktators, treiben die Nordkoreaner ganz andere Sorgen um – der
dramatische Versorgungsengpass auf dem Süßwarensektor, der
Kindergeburtstage zu freudlosen Veranstaltungen verkümmern lässt. Grund für
die desolate Lage ist – so die hinter vorgehaltener Hand geäußerte Meinung
– das unbezähmbare Verlangen Kim Jong Uns nach Süßigkeiten aller Art. Die
nationalen Schokoladenbestände sind so gut wie aufgeknabbert, selbst die in
unterirdischen Bunkern eingelagerte Marzipan-Notreserve soll schon
weitgehend aufgezehrt sein.
Die Erziehung Kim Jong Uns, der von 1998 bis 2001 in der Schweiz eine
öffentliche Schule besuchte, scheint für die verhängnisvolle Entwicklung
mit verantwortlich zu sein. Denn in den gut bestückten Confiserien und
Schoggihüslis der Alpenrepublik lernte der junge Kim den zunächst
fremdartigen Geschmack von Schokolade lieben. Alsbald setzte er sich das
Ziel, die ungeheure Produktvielfalt der schweizerischen
Schokoladenindustrie systematisch zu erfassen und hinsichtlich ihrer
Eignung als Ergänzung des nordkoreanischen Speiseplans ausgiebig zu
erforschen. Das Ergebnis dieser nach streng wissenschaftlichen Kriterien
durchgeführten Feldstudie ist an der Entwicklung von Kims Körperumfang
ablesbar. Das „Geliebte Reisbällchen“, wie der füllige Diktator von seinen
Landsleuten ehrfurchtsvoll genannt wird, hat sich mit der Koreanern eigenen
eisernen Disziplin in der Schweiz so manches Speckröllchen angefuttert.
Seit der Machtübernahme nach dem Tod seines Vaters Kim Jong Il formulierte
das lebenslustige Leckermäulchen immer ehrgeizigere Ziele für eine
umfassende Modernisierung der nordkoreanischen Süßwarenindustrie:
Unabhängigkeit von den Importen westlicher Schoko-Imperialisten steht dabei
an oberster Stelle. Unterirdische Produktionsanlagen mit
Hochleistungs-Conchiermaschinen zur Herstellung hochfeiner Schokoladen
stehen betriebsbereit. Einzig die Lieferung der Rohmaterialien bereitet
Probleme. Durch die Sanktionen der „faschistischen Hunde“ kommt keine
Kakaobohne mehr ins Land.
Fieberhaft wird nach Alternativen gesucht, überall im Land wird nach
Nougatvorkommen geschürft. Doch die Lage bleibt prekär: Zwar wurde unlängst
einer der weltweit größten Krokantflöze entdeckt, doch bis das „braune Gold
Nordkoreas“ in ausreichender Menge gefördert werden kann, heißt es die
Zähne zusammenzubeißen und Verzicht zu üben. Die Regale der Süßwarenläden
werden wohl auf absehbare Zeit leer bleiben.
Die jüngsten Drohgebärden Kims gegen Südkorea müssen vor diesem Hintergrund
gesehen werden. Hält die Aushungerungsstrategie des Westens an, könnten bei
Naschkatze Kim Jong Un endgültig die Sicherungen durchbrennen. Noch reicht
der Notvorrat an feinsten belgischen Pralinen und Schweizer Schoggi, um den
so beliebten wie beleibten „Dicktator“ (Bild-Zeitung) über den Tag zu
bringen. Doch wehe, die Marzipankartoffeln gehen endgültig zur Neige – dann
kann für nichts mehr garantiert werden. Ein dramatisches Absinken des
Blutzuckerspiegels könnte Kim zu unbedachten Handlungen zwingen. Ein
Atomschlag gegen Südkorea wäre dann fast die logische Folge –
Verzweiflungstat eines unterzuckerten Schokoholics ohne Sprüngli in der
Schüssel.
15 Apr 2013
## AUTOREN
Rüdiger Kind
## TAGS
Nordkorea
Südkorea
Süßigkeiten
Käse
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