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# taz.de -- Burnout bei Hannover 96: Der Hintermann
> Markus Miller ist als Torwart in Hannover nur Ersatz. Für einen, der im
> Fußball Formen modernen Sklavenhandels entdeckt, ist das gar nicht so
> schlecht.
Bild: Kreuzbandriss, Bänderdehnung, Schienbeinbruch – damit kennen sich die …
HANNOVER taz | Der kurze Fußmarsch vom Trainingsplatz zurück zum Stadion
kann stolz machen oder Selbstvertrauen kosten. Ron-Robert Zieler, der
Nationaltorhüter im Team von Hannover 96, wird ständig von Autogrammjägern
verfolgt. Markus Miller aber, sein stiller Stellvertreter, darf den Gang in
die Umkleidekabine meistens unbehelligt antreten.
Das Getöse der Liga ist in Hannover in diesen Tagen wieder laut.
Geschäftsführer Jörg Schmadtke ist gegangen. Sie wissen nicht, wie sie das
Heimspiel gegen den FC Bayern München gewinnen sollen. Es wird wohl eine
Randnotiz bleiben, dass Miller gerade seinen Vertrag um zwei Jahre
verlängert.
„Ich bin hier ein Teil von etwas Großem. Kein großer Teil, aber ich bin ein
Teil davon“, sagt der 31-Jährige. Miller arbeitet seit fast drei Jahren bei
Hannover 96. Er hat in dieser Zeit ein einziges Pflichtspiel bestreiten
dürfen und ist doch berühmt.
Man kennt ihn als diesen Profi, der mitten in einer Saison wegen mentaler
Erschöpfung in eine Klinik musste. „Miller bleibt Zielers Schatten“, hat
das Fußballmagazin kicker gerade kühl getitelt. Man könnte sich vor den
bohrenden Fragen, wie sich ein ehrgeiziger, einst erfolgreicher Profi
angesichts dieses Schattendaseins fühlt, verstecken, aber Miller hat mit
therapeutischer Hilfe gelernt, wie er mit Enttäuschungen umgeht.
## Eine riesige Last im Kopf
Im September 2011 hatte er nach Absprache mit seinem Verein ein
öffentliches Bekenntnis abgelegt und sich eine elfwöchige Pause unter
ärztlicher Aufsicht genommen. Verletzungen hatten ihn zurückgeworfen,
Schmerzmittel mussten ihn durch den Trainingsalltag bringen, in seinem Kopf
türmte sich eine riesige Last.
„Der Körper hat nicht mehr mitgemacht. Irgendwann bin ich morgens mit dem
Auto zu meinem Traumberuf gefahren und habe mich vor einer unlösbaren
Aufgabe gesehen. Es war, als ob mein Gehirn verklebt.“ Sie hatten großes
Verständnis für seine Erkrankung und haben ihm den Rücken gestärkt.
Ein Klub, in dessen Obhut sich [1][Robert Enke] am 10. November 2009 wegen
schwerer Depressionen das Leben genommen hat, muss für die Sorgen seiner
Angestellten besonders sensibilisiert sein. Er hatte lange überlegt, ob er
lieber schweigen und lügen soll, bevor er sich mit seiner Erkrankung in die
Öffentlichkeit gewagt und damit seine Karriere aufs Spiel gesetzt hatte.
Enke hatte geschwiegen.
Kreuzbandriss, Bänderdehnung, Schienbeinbruch – damit kennen sich die
Vereine richtig gut aus. Mit einem Pflaster für die Seele eher weniger. „Es
gibt im deutschen Profisport noch sehr viel Nachholbedarf. Bei Markus waren
die Symptome, als das Gefühl seiner Hilflosigkeit in einen
Erschöpfungszustand übergangen ist, selbst für Experten schwer zu
erkennen“, sagt der Kölner Sportpsychologe Andreas Marlovitz.
## Der Klinikaufenthalt wird öffentlich
Dank seiner Hilfe und der Unterstützung der Robert-Enke-Stiftung findet
Miller die Kraft, über seinen Klinikaufenthalt öffentlich und offensiv zu
sprechen. Den Spott, mit dem er im Stadion beim Warmlaufen neben dem Tor
bedacht wird, weiß er zu ertragen. Miller hat sich einen kritischen Blick
auf jene Branche angewöhnt, in der er gut verdient und in der die Spieler
so gnadenlos funktionieren müssen.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Landesmuseum Hannover, die vor allem
von an Depressionen Erkrankten besucht worden war, hat er mit Blick auf die
Millionengehälter in der Bundesliga von modernem Sklavenhandel gesprochen.
Bei Auftritten im Dienst von Hannover 96 möchte er das lieber nicht
wiederholen.
Miller funktioniert wieder. Als Nummer 2 auf der Ersatzbank, findet er,
lebt es sich ganz gut. „Heute gelingt es mir einfach, viele Dinge besser
wahrzunehmen. Nach Hause zu kommen zu den Kindern. Früher habe ich mit
ihnen nur gespielt, es aber nicht genossen. Das war eine traurige Sache“,
gesteht Miller.
Er spricht von einem negativen Fahrwasser und von der falschen Richtung,
wenn er auf seine Erkrankung zurückblickt. An diesem Samstag, vor 49.000
Zuschauern im Stadion, darf das alles keine Rolle mehr spielen.
20 Apr 2013
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## AUTOREN
Christian Otto
## TAGS
Robert Enke
Hannover 96
Fußball
Burnout
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