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# taz.de -- Debatte Obamas zweite Amtszeit: Austerität light
> Unter Obama wächst in den USA die wirtschaftliche Ungleichheit. Er will
> als erster demokratischer Amtsinhaber die staatliche Rentenversicherung
> kürzen.
Bild: Cooler Präsident mit cooler Familie und Symbolfigur des gesellschaftlich…
Im fünften Jahr der Ära Obama werden die USA zusehends liberal, tolerant,
freizügig. Doch die wirtschaftliche Ungleichheit wächst. Das ist kein
Widerspruch: Es reflektiert die Machtverhältnisse und die Stimmung der
Elite. Das sprichwörtliche eine Prozent bleibt im Kulturkrieg locker. Da
dürften die Linken auf die Straße gehen. Bei der Wirtschaftspolitik
verteidigt man die eigenen Interessen: mit Wahlspenden, Lobbyisten und,
wenn’s sein muss, polizeilichem Einsatz.
Noch vor ein paar Jahren undenkbar: Der Chef der US-amerikanischen
Eishockeyliga NHL, Gary Bettman, verkündete kürzlich, die harten Männer mit
den gekrümmten Stöcken unterstützten die „LGBT Community“ (Lesbian, Gay,
Bisexual, Trans). Hockey sei für Inklusivität „auf dem Eis, in den
Umkleidekabinen und in den Stadien“. Die Footballliga NFL und die
Basketballliga NBA betonen ebenfalls, schwule Spieler seien willkommen.
Die Mehrzahl der US-Amerikaner befürwortet die Anerkennung der
gleichgeschlechtlichen Ehe. Früher gewannen Republikaner Wahlen mit
Sodom-und-Gomorrha-Alarmrufen; eingeschüchterte Demokraten hielten den
Mund. Clinton unterzeichnete 1996 das gegen gleichgeschlechtliche
Partnerschaften gerichtete „Gesetz zur Verteidigung der Ehe“.
Auch das Thema Einwanderung ist in Bewegung. Mitt Romney empfahl den
„Illegalen“ die „Selbstdeportierung“. Aber noch dieses Jahr wird der
Kongress Millionen Menschen ohne Papiere den Weg zur Legalisierung öffnen.
Und dann das republikanische Frauenproblem: Man kann keine nationalen
Wahlen mehr gewinnen mit Familienmodellen aus den fünfziger Jahren und mit
der Forderung, den Schwangerschaftsabbruch zu verbieten. Bemerkenswert auch
die Schusswaffendebatte. Betrachtet durch die deutsche Brille waren die
geplanten Reformen lahm. Doch zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wurde
überhaupt über Beschränkungen diskutiert.
## Im Kulturkrieg die Kurve kriegen
Der Vorsitzende der Republikaner, Reince Priebus, warnte vor kurzem in
einer hundert Seiten langen Analyse der Wahlniederlage, die Partei
„marginalisiere“ sich selber, wenn sie beim Kulturkrieg nicht die Kurve
kriege. Bei fünf der letzten sechs Präsidentschaftswahlen hätten die
Demokraten mehr Stimmen bekommen. Die Republikaner seien „out of touch“.
Und zwar selbst bei der Drogendebatte. In mehreren Städten und
Bundesstaaten setzen sich Marihuana-Legalisierer durch. Eine Umfrage des
Pew Research Center zeigte, dass 52 Prozent der US-Amerikaner und zwei
Drittel der jungen Amerikaner Marihuana legalisieren möchten. Barack Obama,
zu High-School-Zeiten in Hawaii nach Darstellung seines Biografen David
Maraniss heftiger Konsument zu Klängen von Aerosmith, Blue Öyster Cult und
Stevie Wonder, hat sich weitgehend herausgehalten.
Ansonsten gilt der coole Präsident mit der coolen Familie, der erste
schwarze Mann im Weißen Haus, als Symbolfigur des gesellschaftlichen
Wandels. Einerseits. Andererseits ist Obama bei all der Leichtigkeit des
Seins auch der erste demokratische Präsident, der die staatliche
Rentenversicherung kürzen will. Die 1935 eingeführte Social Security galt
bislang als unantastbares Kronjuwel der New-Deal-Reformen des
demokratischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt. In seinem
Haushaltsentwurf für 2014 schlug Obama Kürzungen der Social Security vor.
Obamas Haushaltsplan orientiert sich am Konzept Austerität light. Die
Steuern der ganz Reichen ein bisschen anheben, dazu Konjunkturmaßnahmen und
Sparen im sozialen Bereich. Wenn Obama Partei ergreift für die
Arbeiterklasse, dann nur ein bisschen. Obama möchte den gesetzlichen
Mindeststundenlohn erhöhen, bis 2015 schrittweise auf neun Dollar. In der
„reichsten Nation der Welt“ solle „kein Vollzeitarbeiter in Armut leben
müssen“, sagt Obama. Klingt gut. Aber auch mit neun Dollar würde ein
Vollzeitarbeiter mit vierköpfiger Familie noch ein paar tausend Dollar
unter der offiziellen Armutsgrenze leben (23.550 Dollar Jahreseinkommen).
## Der Präsident orientiert sich an den Topverdienern
Nach Umfragen sind rund drei Viertel der US-Amerikaner gegen die
Social-Security-Kürzungen. Obama orientiert sich aber eher an den
Top-Verdienern. Der Politikwissenschaftler Lee Drutman von der „Sunlight
Foundation“ hat erst kürzlich Wahlspendenberichte analysiert: Etwa ein
Viertel der Wahlspender im Jahr 2010 seien von den reichsten 0,1 Prozent
gekommen, insgesamt 26.783 Personen – hauptsächlich Investoren, Lobbyisten,
Anwälten und Geschäftsführern mit Schwerpunkt in New York, Los Angeles,
Washington und Chicago.
Und wer als Kandidat etwas von dem Geldregen abkriegen will, legt
entsprechende Sympathien für die Geber an den Tag. Eine Analyse der
Politikwissenschaftler Benjamin Page, Larry Bartels und Jason Seawright
(„Democracy and Policy Preference of Wealthy Americans“) fasst zusammen:
„Wohlhabende“ Amerikaner seien bei wirtschaftlichen Fragen deutlich
konservativer als der Rest der Bevölkerung.
Bei gesellschaftlichen Fragen seien die Reichen aber toleranter – auch wenn
2012 ein paar Milliardäre republikanische Präsidentschaftskandidaten
gesponsert haben. Die Sozialkonservativen bekamen einen gewaltigen
Denkzettel: Gesellschaftspolitisch stehen die USA mit beiden Füßen im 21.
Jahrhundert – wobei das Land groß genug ist für verbleibende konservative
Hochburgen, vor allem im Süden und auf dem Land.
## Homo-Ehe
Mehrere große Konzerne, unter anderem American Airlines und Ikea, machen
gezielt Werbung bei LGBT-Kunden. Der Präsident des NBA-Basketballteams
Golden State Warriors, Rick Welts, sagte in Bloomberg News, der erste
„offen schwule“ Spieler werde von neuen Werbeangeboten nur so überhäuft.
Es passt dazu, dass der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg,
einer der reichsten Menschen in den USA, für die Homo-Ehe eintritt, für
strenge Schusswaffenkontrolle und für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch
– und gleichzeitig das Occupy-Camp mitten in der Nacht zerschlagen ließ.
Der Staat greift knallhart durch, wenn er die Ordnung bedroht sieht. Dass
Obama den Heimatschutz, die Geheimdienste und die Militärmacht fördert,
passt auch zu diesem Konzept.
4 May 2013
## AUTOREN
Konrad Ege
## TAGS
Barack Obama
US-Präsident
USA
Homo-Ehe
Wirtschaftspolitik
Schwerpunkt Armut
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Krieg
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