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# taz.de -- Buch zur BRD-Überwachungsmanie: Den Staat an seiner Norm messen
> Im Kalten Krieg ignorierten auch die Sicherheitsbehörden im Westen die
> Grundrechte der Bürger. Der Staatsschutz war oberstes Gebot, resümiert
> Autor Josef Froschepoth.
Bild: Beim Telefonieren zwischen Ost und West gab es zumeist mehrere heimliche …
Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs war ein wesentlicher,
strukturbildender Teil des historischen Prozesses der Weststaatsbildung der
Bundesrepublik Deutschland, so lautet die zentrale These dieses Buches.“
Dieses Resümee des Historikers Josef Foschepoth, der die Chance hatte,
bislang geheime Dokumente auszuwerten, macht klar, dass die Erforschung und
kritische Betrachtung der Geschichte der Bundesrepublik noch Leerstellen
aufweist.
Entgegen dem konservativen Mantra der „Erfolgsgeschichte Bundesrepublik“
zeigt Foschepoth, dass es ebenso eine „Problemgeschichte“ gab, in der die
eigenen Ansprüche an einen demokratischen Rechtsstaat untergraben wurden.
Josef Foschepoth zeigt, dass fast der gesamte Postverkehr mit der DDR
überwacht und ausgewertet wurde und bereits 1952 die Bundespost und die
Geheimdienste systematisch und ohne Rechtsgrundlage in das Postgeheimnis
eingriffen.
Grundlage dafür waren nicht etwa reale Anzeichen für Sabotage oder Gewalt,
sondern tagespolitische Erwägungen, die sich maßgeblich aus einem
hysterischen Antikommunismus begründeten.
Foschepoth belegt exakt, dass dieser Überwachungspraxis ein Denken zu
Grunde lag, in dem der Schutz des Staates wesentlich höher gewichtet wurde
als etwa das grundgesetzlich verbriefte Postgeheimnis.
Und er wartet auch mit konkreten Zahlen auf: Ab 1955 legten die Postbeamten
dem Zoll 80 Prozent der aus der DDR kommenden Postsendungen vor, von denen
wiederum 80 Prozent vom Zoll an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben
wurden.
Dieses Ausmaß, so Foschepoth, ist nur erklärbar, wenn man die Adenauerzeit
in den historisch-gesellschaftlichen Kontext stellt: klare Westbindung,
antikommunistischer „Frontstaat“, alte Nazis in den Sicherheitsbehörden und
nicht zuletzt ein konservatives Staatsverständnis, was der Historiker in
seiner Gesamtheit als „Staatsdemokratie“ analysiert.
## Die Notstandsgesetze
Erst 1968 wird die Überwachung gesetzlich geregelt, parallel mit den
Notstandsgesetzen. Letztere suspendierten die Bürgerrechte im Ausnahmefall,
während die Überwachungsgesetze für den Alltag geschaffen wurden und fortan
zur Grundausstattung der Geheimdienste gehörten.
Diese mit den Stimmen der SPD durchgesetzten Gesetze wiesen im Übrigen ein
Grundproblem auf, was bis heute aktuell ist: die im Kern unmögliche
Notwendigkeit, die Geheimdienste und ihr Tun parlamentarisch zu
kontrollieren.
Josef Foschepoth hat ein Standardwerk über einen wesentlichen Teil der
bundesdeutschen Geschichte vorgelegt, in dem deutlich wird, dass es kaum
eine Kontrolle der Überwacher gab. Und er belegt empirisch, wie anfällig
die Exekutive für jede Machterweiterung ist.
Es zeigt sich, dass die Geschichte der Bundesrepublik noch viel
aufzuarbeiten hat. Das gilt besonders für die Verfassungswirklichkeit, wie
Foschepoth abschließend feststellt: „Nach sechzig Jahren Bundesrepublik ist
es an der Zeit, die Geschichte dieses Staates auch an seinen eigenen Normen
zu messen, um das genuin Neue und Eigenständige, die Erfolge und
Gefährdungen, das Auf und Ab des historischen Prozesses analysieren,
beschreiben und bewerten zu können: die Verfassungsgemäßheit und
Rechtsstaatlichkeit staatlichen Handelns in der Bundesrepublik.“
Josef Foschepoth: „Überwachtes Deutschland“. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag,
Göttingen 2013, 378 Seiten, 34,99 Euro
5 May 2013
## AUTOREN
Jan Korte
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Kalter Krieg
BRD
Intellektuelle
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