# taz.de -- 21 Websites abgeschaltet: Kein direkter Draht | |
> Ein Schauspieler, seine Anwälte, eine IT-Firma und ein linkes Kollektiv | |
> setzen 21 Webseiten offline. Zensur? Nein, fehlende Kommunikation. | |
Bild: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ – Ludw… | |
BERLIN taz | Ein bekannter deutscher Schauspieler wurde Opfer einer | |
Straftat. Deren Umstände samt seiner Privatadresse wurden auf einem linken | |
Blog veröffentlicht. Er suchte sich daraufhin Anwälte, um den Beitrag aus | |
dem Internet zu löschen. Die Krux: Weder der Name des Darstellers noch der | |
seiner Anwälte dürfen im Folgenden genannt werden. | |
Das geht aus einer Presseunterweisung der Anwälte vor, die der taz vorliegt | |
– zugleich der Ausgangspunkt einer Farce, die eine Kette von | |
Nicht-Reaktionen, Nicht-Zuständigkeiten und Nicht-Handeln darstellt. | |
Aufgrund dessen gingen insgesamt 21 Webseiten verschiedener lokaler | |
Bürgerinitiativen, von Fotografen und Musikern aus den USA, Deutschland, | |
Großbritannien und Frankreich offline. Soweit hätte es nicht kommen müssen. | |
Im vergangenen Winter wurde das Haus besagten Schauspielers mit Farbe | |
beschmiert, ein davor stehendes Auto angezündet. Die Tat und ihre | |
Hintergründe wurden auf der Website „directactionde.ucrony.net“ | |
kommentiert. Dem Anwalt des Betroffenen zufolge „feierte“ die Website die | |
Tat geradezu. Das rechtlich Schwerwiegende war allerdings die Nennung der | |
Adresse des Schauspielers. Mit der Veröffentlichung der vollständigen | |
Privatanschrift verstießen die Betreiber gegen das Persönlichkeitsrecht des | |
Mandanten nach Paragraf 823 BGB. Soweit der Vorwurf des Anwalts. | |
## „Unkenntnis des bearbeitenden Anwaltes“ | |
Der vom Schauspieler beanstandete Artikel lag bis zum 3. Mai 2013 auf einer | |
Subdomain von „ucrony.net“. Wie aus der Pressemitteilung der Seite zum | |
vorliegenden Fall hervorgeht, ist Ucrony.net ein Kollektiv von | |
Freiwilligen, die seit 2006 für zahlreiche nicht-kommerzielle Projekte und | |
Blogs Subdomains anbieten – auf einer davon war der Kommentar zum Farb- und | |
Brandanschlag auf das Eigentum des Schauspielers veröffentlicht. Die | |
Internetadresse „ucrony.net“ ist bei dem zur Key-Systems GmbH aus St. | |
Ingbert gehörenden Domaindiscount24 registriert. | |
Key-Systems wurde erstmals am 9. April 2013 anwaltlich aufgefordert, die | |
Veröffentlichung der Wohnanschrift des Mandanten mit Fristsetzung vom | |
gleichen Tag zu unterbinden. „Schon aus diesem Anschreiben wurde eine | |
Unkenntnis des bearbeitenden Anwaltes hinsichtlich der Rolle und | |
Verantwortung eines Registrars deutlich“, teilte Volker A. Greimann von der | |
Rechtsabteilung von Key-Systems auf taz-Anfrage mit. | |
„Wir haben das Ansinnen unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung | |
zurückgewiesen, auf den Domaininhaber verwiesen und gleichzeitig unseren | |
Kunden über die Beschwerde informiert und gebeten, nötigenfalls Abhilfe zu | |
schaffen“, so Greimann. Dies wurde so auch den Anwälten des Schauspielers | |
mitgeteilt, wie diese in der Presseunterweisung bestätigen. | |
## Kontaktaufnahmen ohne Erfolg | |
Die Seite wurde derweil nicht geändert. Laut Presseunterweisung blieben | |
weitere Bemühungen zur Kontaktaufnahme seitens der Anwälte des | |
Schauspielers mit Hilfe von E-Mail-Anfragen an Ucrony.net und den | |
Seitenverantwortlichen der Subdomain erfolglos. Der Seite fehle ein | |
Impressum, zudem verwies die angegebene Zustelladresse auf den Hamburger | |
„Schwarzmarkt“, so die Anwälte. | |
Erst am 29. April wird Key-Systems wieder von den Anwälten des | |
Schauspielers angeschrieben. Die fordern die Firma erneut auf, für „die | |
Abschaltung der Rechtsverletzung zu sorgen“, erklärt Greimann, da „eine | |
Abschaltung der Domain nicht unverhältnismäßig“ sei. Key-Systems wies diese | |
Aufforderung wiederum zurück. | |
Am selben Tag erhielt auch Ucrony.net eine E–Mail von den Anwälten des | |
Schauspielers: „Dies war bis dahin der einzige Kontaktversuch, mit einer | |
Frist von wenigen Stunden“, widerspricht Ucrony.net der Darstellung der | |
Anwälte. „Diese E-Mail wurde aber erst am Freitag gelesen, da wir | |
freiwillig arbeiten und nicht 24/7 zur Verfügung stehen. Zudem möchten wir | |
noch einmal darauf hinweisen, dass unsere Postadresse in Hamburg gültig war | |
und wir dort kein Schreiben empfangen haben.“ | |
Bereits einen Tag später, am 30. April, erhielt Key-Systems erneut Post: | |
„Darin wurden wir als 'Teil eines Systems (...) um (...) klandestine | |
Veröffentlichung unter Verdeckung der Inhaltsverantwortlichen zu | |
ermöglichen' bezeichnet. Naturgemäß wurde erneut ein Unterlassungsanspruch | |
behauptet. Auch dies haben wir zurückgeweisen“, führt Greimann aus. Aber | |
noch am selben Tag erwirkten die Anwälte des Schauspielers beim Landgericht | |
Berlin eine einstweilige Verfügung gegen Key-Systems. | |
## Einstweilige Verfügung des Gerichts erreicht Ucrony.net | |
Ein letztes Mal kontaktierte Key-Systems das Kollektiv von Ucrony.net und | |
forderte unter Androhung der Deaktivierung der Domain zur Korrektur seiner | |
Whoisdaten auf. Eine Reaktion blieb aus. Am 2. Mai erreichte dann die | |
einstweilige Verfügung endlich Key-Systems, sie wurde sofort an Ucrony.net | |
weitergereicht. | |
Am 3. Mai nahmdas Kollektiv den inkriminierten Artikel offline, zu dieser | |
Zeit sei der DNS-Service allerdings schon deaktiviert gewesen, teilt | |
Ucrony.net taz mit. Auch Greimann bestätigt, dass die erste Reaktion | |
seitens Ucrony.net erst nach der Abschaltung erfolgte. Die Domain samt | |
aller anderen Subdomains und Dienste sowie wie deren Nutzer-E-Mails und | |
Mailinglisten geht offline. | |
Betroffen seien laut Kollektiv die angesprochenen 21 Webseiten. Dieser | |
Totalausfall war nicht von den Anwälten des Schauspielers gewollt, aber | |
Key-Systems konnte nicht mehr anders handeln, als die komplette Domain zu | |
sperren. Eine Abschaltung nur der Subdomain sei technisch nicht möglich | |
gewesen. | |
## Abschaltung nur ein Verstoß gegen die Registrierungsbedingungen | |
„Leider hat unser Kunde bis zur Deaktivierung auf keines unserer | |
Anschreiben reagiert“, stellt Greimann fest. Verbunden mit der Angabe | |
falscher beziehungsweiser unvollständiger Whoisdaten stelle dies einen | |
Verstoß gegen die von der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names | |
and Numbers) vorgegeben Registrierungsbedingungen dar, erklärt er. „Dieser | |
Verstoß, und nicht die einstweilige Verfügung, hat schließlich die | |
Grundlage für die vorübergehende Deaktivierung des Domainnamens | |
dargestellt.“ | |
Denn seit Montagabend, 6. Mai, ist zumindest die Domain inklusive der | |
E-Mails der Nutzer und ihrer Mailinglisten wieder online. Sie wurde auf | |
einen dem Kollektiv Nahestehenden übertragen, der nicht namentlich genannt | |
werden möchte. Er habe mit dem Kollektiv nicht viel zu tun – „notfallmäß… | |
habe ich das eben übernommen, ich gebe nur meinen Namen her“, sagt er. Und | |
seine Adresse für die korrekten Whoisdaten. | |
Damit dürfte es zwar in Zukunft besser mit der Kontaktaufnahme zwischen den | |
beteiligten Parteien klappen, doch die Adresse des Schauspielers wird wohl | |
wegen des [1][Streisand-Effekts] im Netz bleiben. | |
8 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Streisand-Effekt | |
## AUTOREN | |
Marco Fieber | |
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