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# taz.de -- Berliner Mauer-Geschichte: „Wir hatten Willen zur Gestaltung“
> Der Künstler Kurt Jotter war dabei, als vor 25 Jahren ein Streifen
> Niemandsland am Potsdamer Platz besetzt wurde.
Bild: Hier irgendwo war es: Am Lenné-Dreieck der Mauerzeit ist heute wieder de…
taz: Herr Jotter, wie kam es 1987 zur Besetzung des Lenné-Dreiecks?
Kurt Jotter: Das war ein Überraschungsei, das von wenigen aus der
alternativen Szene gelegt wurde. Die Bürgerinitiative Westtangente, …
… die sich gegen die Pläne für einen Autobahnbau quer durch Westberlin
einsetzte, …
… bekam mit, dass der Senat plante, einen Streifen Niemandsland direkt an
der Mauer von der DDR zurückzuholen. Das Gebiet war ein verwunschenes
Biotop mit unberührter Natur. Es gehörte zum Osten, lag aber auf
Westberliner Gebiet. Der Senat wollte es durch einen Tausch zurückbekommen,
um die Autobahn mitten durch zu bauen. Bei der nächsten Demo hieß es:
Besetzt das Dreieck! Alle kamen und trugen ihre Kinder, Zelte, sogar Möbel
durchs Gebüsch. Durch den löchrigen Zaun konnte man leicht durchschlüpfen,
die DDR-Grenzer tolerierten das.
Die Besetzer benannten das Lenné-Dreieck in Kubat-Dreieck um – nach einem
Augenzeugen der 1.-Mai-Krawalle, der von der Polizei fälschlich der Randale
bezichtigt wurde. Kubat brachte sich in der Haft um. Wurde das ursprünglich
ökologische Anliegen der Besetzer politisiert?
Das gehörte damals zusammen. Wir alle waren im Häuserkampf sozialisiert.
Auf dem Kubat-Dreieck demonstrierte die gesamte linke Szene öffentlich
ihren Gestaltungsanspruch: Da waren Ökos, die Ziegen mitbrachten, Punks mit
Kind und Kegel, Autonome und Lebenskünstler aller Art. Die Anliegen der
Zeit – wann verhandeln, wann kämpfen, mit der Presse reden oder nicht –
wurden auch dort permanent diskutiert.
Zu welcher Fraktion gehörten Sie?
Ich war Hausbesetzer, kein Kämpfer, sondern Verhandler. Und ich führte mit
der Politkunstgruppe „Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen“ allerlei Aktion…
durch. Meine Partnerin Barbara Petersen und ich waren so etwas wie die
PR-Agenten der Besetzer. Wir malten etwa ein Plakat mit dem offiziellen
Logo der Europäischen Kulturhauptstadt, die Berlin in diesem Jahr war.
Darauf stand „Bullenhauptstadt Europa“. Als die Presse kam, hielten wir das
Transparent fest und tauchten auf Kommando dahinter ab. Es sah so aus, als
ob die Polizisten hinter uns das Transparent hielten. Das machte Spaß,
sollte aber darauf hinweisen, welchen Terror die Polizei gegen uns
veranstaltete. Die beschossen uns mit Gaspatronen und spielten nachts laute
Musik, um uns am Schlafen zu hindern. Den Innensenator muss es geärgert
haben, dass Touristen und Bevölkerung so viel Sympathie für die Besetzer
zeigten.
Am 1. Juli wurde geräumt. Wie empfanden Sie das Ende?
Der Polizeieinsatz spaltete die Leute. Ein Teil wollte sich wegtragen
lassen, andere wollten kämpfen bis zum Schluss. Die dritte Fraktion sprang
von der Mauer in den Osten, davon sprach die ganze Stadt. Ich war da
allerdings schon weg. Für uns war die Protestvorbereitung auf die
IWF-Tagung 1988 wichtiger.
24 May 2013
## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Aktionskunst
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