# taz.de -- Pharmaindustrie in China: Neue Solidarität mit Mondbären | |
> Unter qualvollen Bedingungen entnehmen chinesische Pharmaunternehmen | |
> Kragenbären ihre Gallenflüssigkeit. Doch inzwischen wächst der | |
> Widerstand. | |
Bild: Ihm wurde ebenfalls Gallenflüssigkeit abgezapft, doch nun ist er gerette… | |
PEKING taz | Dieses Mal schien sich Guizhentang Pharmaceutical sicher zu | |
sein, dass die Empörung ausbleiben werde. Immerhin ist das | |
Tierschutzbewusstsein bei der Mehrheit der Chinesen nach wie vor eher | |
gering ausgeprägt. Und dass sich bei ihrem Börsengang vor einem Jahr eine | |
so große Protestwelle über sie ergoss, war wohl schlicht dem Zufall | |
geschuldet. Immerhin gibt es im ganzen Land zig Unternehmen, die | |
Bärenfarmen halten und den Tieren Galle abzapfen. | |
Doch das chinesische Pharmaunternehmen hat sich getäuscht. Sein Plan, den | |
eigenen Bärenbestand zu verdoppeln, löste ungeahnte Proteste aus. Nur | |
wenige Minuten nach der Ankündigung von Guizhentang Pharmaceutical, den | |
Aktienbestand an der Börse in Shenzhen verdreifachen zu wollen, hatte sich | |
die Nachricht vergangene Woche im chinesischen Netz verbreitet. Als | |
„Quäler“ und „Verbrecher“ wurde die Firma auf dem Kurznachrichtendienst | |
[1][Sina Weibo] beschimpft. | |
Und die Proteste halten an: In einer Reihe von Städten haben sich seitdem | |
Tierschützer in Bärenkostümen vor Apotheken gestellt und zum Boykott der | |
Firma aufgerufen. Hacker brachten die firmeneigene Webseite zum Erliegen. | |
Und mehr als 70 Prominente unterzeichneten ein Protestschreiben gegen das | |
Unternehmen, darunter der Hongkonger Schauspieler Jacky Chan und | |
Basketballstar Yao Ming. | |
Nach Angaben der Organisation Animal Asia werden in China in speziellen | |
Zuchtfarmen nach wie vor mehrere tausend Bären in engen Käfigen gehalten, | |
um aus ihnen Gallenflüssigkeit zu zapfen. Den Tieren wird dafür ein | |
Dauerkatheter in die Gallenblase gestoßen, mit dem sie unter qualvollen | |
Bedingungen jeden Tag aufs Neue „gemolken“ werden. | |
## Medizinische Nachweise fehlen | |
Pillen aus der Bärengalle sollen angeblich Fieber senken, Augenkrankheiten | |
heilen und gegen die Folgen von exzessivem Alkoholgenuss wirken. | |
Medizinisch nachgewiesen ist das nicht. Dennoch brummt das Geschäft. | |
Umgerechnet mehrere hundert Euro kosten diese Pillen und werden vor allem | |
von der wachsenden Zahl der sehr wohlhabenden Chinesen nachgefragt. | |
Bei den Tieren handelt es sich um asiatische Kragenbären, die vor allem im | |
Süden Chinas und Südostasiens heimisch sind. Weil das Fellmuster auf dem | |
Bauch der eigentlich sehr zutraulichen Tiere einem Halbmond ähnelt, werden | |
sie im Volksmund auch Mondbären genannt. Ihr Bestand ist inzwischen stark | |
dezimiert, in ganz Asien soll es gerade einmal noch rund 25.000 von ihnen | |
geben. | |
Die Zucht ist in China nicht einmal verboten. Rund 60 Bärenfarmen sind nach | |
Angaben von [2][Animal Asia] offiziell registriert. Doch längst haben auch | |
arme Bauern ein lukratives Geschäft in Bärengalle entdeckt und betreiben | |
illegale Farmen, in denen die Bedingungen für die Tiere laut der | |
Tierschutzorganisation noch schlimmer sind. Trotz der Qualen können diese | |
Bären auch auf diesen Farmen bis zu 30 Jahre alt werden. Bären sind | |
hochsensible Tiere mit einem ausgeprägten Gedächtnis. | |
## 400 Bären befreit | |
Die Firma Guizhentang Pharmaceutical ist nach eigenen Angaben der | |
landesweit größte Hersteller von Bärengalle. Rund 500 Tiere hat das | |
Unternehmen im vergangenen Jahr gehalten. Mit der Finanzspritze von der | |
Börse will es seinen Bestand auf über 1.000 Bären ausweiten. | |
Als Erste auf das Problem aufmerksam gemacht hatte vor 20 Jahren die in | |
Hongkong lebende Britin [3][Jill Robinson]. Neben der Gründung von Animal | |
Asia geht auf sie auch die Einrichtung einer Schutzstation in der | |
südwestchinesischen Stadt Chengdu zurück. 400 Bären haben sie und ihr auf | |
150 Mitarbeiter angewachsenes Team bereits aus den Zuchtfarmen befreit und | |
bei sich aufgenommen. | |
Auch die jährliche Rettungskampagne „Love Moon Bears Week“ geht auf | |
Robinson zurück. An ihr haben sich allein in diesem Jahr landesweit mehr | |
als 30.000 Menschen und 58 Schulen beteiligt – eine Verdoppelung im | |
Vergleich zum Vorjahr. | |
28 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.weibo.com/ | |
[2] http://www.animalsasia.org/index.php?UID=OB98HX5FI3B | |
[3] http://blog.animalsasia.org/~aafblog/blog_en/index.php?entry=entry130327-06… | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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