# taz.de -- Kommentar Kommunalwahlen Italien: Sterne oder Kometen? | |
> Bei den italienischen Kommunalwahlen verliert die Bewegung von Beppe | |
> Grillo dramatisch an Stimmen. Daran ist er selbst nicht unschuldig. | |
Eine friedliche Revolution hatte Beppe Grillo ausgerufen, als sein | |
Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) vor akkurat drei Monaten bei den | |
italienischen Parlamentswahlen aus dem Stand über 25 Prozent holte und als | |
neuer Politik-Schreck gleich 163 Parlamentarier nach Rom schickte. Am Ende | |
seien die alten Parteien, „Kadaver“ seien sie bloß noch, tönte Grillo –… | |
M5S werde in den nächsten Wahlen deren schleunige Beerdigung besorgen. | |
Nun fanden am Wochenende in Italien Kommunalwahlen statt, und die | |
Beerdigung ist ausgefallen. Etwa acht Prozent der gesamten Wählerschaft war | |
an die Urnen gerufen, neben Rom stimmten zahlreiche Mittelstädte wie | |
Brescia, Vincenza oder Ancona ab. Und ein Datum zeichnet durchweg alle | |
Kommunen aus: der tiefe Absturz der „Grillini“ gegenüber den | |
Parlamentswahlen vom Februar. In Rom gab es bloß noch zwölf, in Ancona | |
immerhin 14 Prozent - sonst aber waren die Ergebnisse fast durchweg nur | |
noch einstellig. Selbst in Städten, in denen M5S vor drei Monaten über 30 | |
Prozent geholt hatte, reichte es diesmal bloß für sechs bis sieben. | |
Also doch bloß ein Strohfeuer statt „Revolution“, ganz so wie bei den | |
deutschen Piraten? Sicher ist, dass M5S in den letzten Monaten vieles | |
falsch gemacht hat. Die auf der Woge des Protestes gegen die „Altparteien“ | |
nach oben getragene Bewegung fand sich, völlig unverhofft, mit einer | |
Sperrminorität im Parlament wieder: Die gemäßigt linke Partito Democratico | |
(PD) war allein zur Regierungsbildung nicht in der Lage, und sie trug | |
Grillos Abgeordneten recht offen ein Bündnis an. | |
M5S hatte beste Chancen, sowohl die Regierungsbildung als auch die im April | |
fällige Wahl des Staatspräsidenten zu beeinflussen – und machte nichts | |
daraus. Stattdessen gab es Fundamentalopposition. Das Resultat war | |
unvermeidlich. Mangels Alternativen bildete die PD schließlich eine große | |
Koalition mit der Berlusconi-Rechten. | |
Und Grillo rieb sich die Hände. War das nicht der definitive Beweis, dass | |
die Altparteien der „Politikerkaste“ alle gleich waren, und war ihr | |
Links-Rechts-Bündnis nicht die ultimative Chance, ihnen den Garaus zu | |
machen? Schon träumten die M5S-Anhänger davon, dass ihr Kandidat gar ins | |
Rathaus der Kapitale Rom einziehen könnte. | |
Doch allzu viele Wähler Grillos haben offenbar eine andere Sicht. Sie | |
hatten M5S gewählt, um etwas zu verändern, um Bewegung in die Politik zu | |
bringen, nicht um sich die – bisher folgenlosen – Litaneien und Lamentos | |
sturer Fundis anzuhören. Diese Wähler kehrten bei den Kommunalwahlen | |
mitnichten zur PD oder zur Berlusconi-Rechten zurück; stattdessen blieben | |
sie schlicht zu Hause. Die Wahlbeteiligung brach gegenüber den letzten | |
kommunalen Urnengängen vor fünf Jahren um 14, in Rom gar um 21 Prozent ein. | |
Deshalb täten die alteingesessenen Parteien von links wie rechts gut daran, | |
sich nicht zu früh zu freuen. Die Laune in Italien ist unverändert | |
schlecht, das Protestpotential unverändert hoch. Grillo ist noch keineswegs | |
erledigt. Er hat einen herben Dämpfer einstecken müssen, nicht mehr und | |
nicht weniger. Und er hat erfahren müssen, dass viele seiner Wähler mehr | |
wollen als die Utopie einer „partizipativen Demokratie“ für morgen: dass | |
sie Veränderung wollen, und zwar heute. | |
M5S wird wohl beginnen müssen, endlich Politik zu machen, statt von einem | |
zukünftigen Kantersieg zu träumen, der den Grillini dann die | |
Alleinregierung eintragen würde. Anderenfalls drohen die Fünf Sterne als | |
schnell verglühte Meteoriten in die Geschichte der italienischen Politik | |
einzugehen. | |
29 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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