| # taz.de -- Hochwasser in Deutschland: Gaffern droht Zwang zur Mithilfe | |
| > Der Deutsche Feuerwehrverband will Katastrophentouristen zum Kampf gegen | |
| > die Flut verpflichten. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg drückt die Elbe | |
| > gegen die Deiche. | |
| Bild: Die Elbe hat Teile von Sachsen-Anhalts Hauptstadt Magdeburg erobert. | |
| MAGDEBURG/BERLIN/BUDAPEST dpa | Das Hochwasser hält die Menschen an Elbe | |
| und Donau nach wie vor in Atem. Der höchste Punkt der gewaltigen Flutwelle | |
| auf der Elbe bewegt sich nun auf Sachsen-Anhalt zu. Der Pegelstand hatte am | |
| Freitagabend die 7,20-Meter-Marke in Magdeburg überschritten und stieg | |
| weiter. Damit steht der Fluss rund einen halben Meter höher als beim | |
| Hochwasser 2002. | |
| Bundesweit stemmen sich 70.000 Feuerwehrleute und mehr als 11.300 | |
| Bundeswehrsoldaten gegen die Flut. Mindestens sieben Menschen starben, | |
| seitdem in Deutschland die Hochwasserkatastrophe begonnen hat. Mehrere | |
| werden vermisst. | |
| Mit dem Rückgang der Fluten im Süden und Osten Deutschlands hat dort das | |
| große Aufräumen begonnen. Das Ausmaß der Verwüstungen lässt sich an den | |
| hohen Sperrmüll-Bergen erkennen. Schockierte Bewohner und Helfer schleppen | |
| immer mehr unbrauchbaren Hausrat aus den feuchten Wohnungen – Betten, | |
| Sofas, Waschmaschinen. Viele Menschen sind noch immer in Notunterkünften | |
| oder bei Verwandten und Freunden untergebracht, weil ihre Häuser | |
| unbewohnbar sind. Kleiderspenden und neues Spielzeug für die Kinder sind da | |
| oft nur ein kleiner Trost. | |
| Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet, dass die | |
| Beseitigung der Flutverwüstungen mehr als 11 Milliarden Euro kostet. Darauf | |
| summierten sich die Schäden beim letzten großen Hochwasser 2002. | |
| Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte, dass die Bundesregierung | |
| bereit sei, auch mehr als die bislang zugesagte Summe von 100 Millionen | |
| Euro an Soforthilfe bereitzustellen. Zunächst müssten nach dem Ende der | |
| Hochwasser-Katastrophe aber die Gesamtschäden bewertet werden. | |
| Einigen Städten und Gemeinden steht aber das Schlimmste vielleicht erst | |
| noch bevor. Es ist weiter nicht klar, ob die Dämme dem tagelangen Druck der | |
| Wassermassen trotzen können. Am Sonntag will Bundespräsident Joachim Gauck | |
| Hochwasserregionen an Saale und Elbe besuchen. | |
| Derweil droht der Deutsche Feuerwehrverbands-Präsident Hans-Peter Kröger | |
| Katastrophentouristen, sie zur Mithilfe im Kampf gegen das Hochwasser zu | |
| verpflichten. Einsatzleiter könnten jede mindestens 16 Jahre alte Person | |
| zum Anpacken heranziehen, sagte er am Samstag. Dafür gebe es eine | |
| rechtliche Grundlage. „Katastrophentourismus ist ein ernstzunehmendes | |
| Problem. Schaulustige blockieren mit ihren Autos Zufahrtsstraßen und | |
| Aufstellplätze, stehen Einsatzkräften im Weg, beeinträchtigen die | |
| Sicherheit von Deichen und bringen sich auch selbst in Gefahr.“ | |
| ## Pegelstand-Prognose für Magdeburg: 7,40 Meter | |
| In Magdeburg hat sich die Hochwasserlage der Elbe weiter zugespitzt. Nach | |
| Angaben der Stadt erreichte das Wasser an der Strombrücke eine Höhe von | |
| 7,30 Metern. Vor allem in Magdeburg-Werder war die Lage kritisch. Dort | |
| drückten die Fluten gegen eine Ufermauer. Ein Altenpflegeheim wurde bereits | |
| evakuiert. Und der Höhepunkt der Flutwelle war noch nicht erreicht. | |
| Nach Angaben eines Sprechers müssten sich auch die restlichen Bewohner in | |
| dem kritischen Bereich der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt darauf | |
| einstellen, ihre Häuser zu verlassen. Sie würden aber rechtzeitig | |
| informiert. In einigen Straßen musste auch die Elektrizität abgestellt | |
| werden. Normal ist in Magdeburg ein Pegelstand der Elbe von zwei Metern. | |
| In einem offenen Brief wandte sich Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz | |
| Trümper an die Bürger. Ihnen stehe ein dramatisches Wochenende bevor. Die | |
| Stadt erlebe eine Ausnahmesituation, wie es sie nur selten gegeben habe. | |
| Dennoch: Auch beim erwarteten Pegelstand der Elbe von 7,40 Metern sollte | |
| der Hochwasserschutz gewährleistet sein. | |
| Aktuell seien mehr als 3000 Einsatzkräfte aus dem Bundesgebiet im Einsatz, | |
| 1000 Bundeswehrsoldaten seien auf dem Weg. Trümper rief die Menschen dazu | |
| auf, unnötige Autofahrten zu vermeiden und die Wege der Einsatzkräfte offen | |
| zu halten. | |
| ## Leichte Entspannung in Bitterfeld | |
| Südlich von Magdeburg sollte wegen eines vermuteten Deichbruchs an der Elbe | |
| die Ortschaft Susigke evakuiert werden. Rund 300 Bewohner sollten ihre | |
| Häuser verlassen. Wie die Stadt Aken, zu der Susigke gehört, am Samstag | |
| mitteilte, stand Wasser auf der Landstraße 63. Die Feuerwehr suchte noch | |
| nach dem Ursprung des Wassers. Nach Angaben des Krisenstabs der | |
| Landesregierung wurde aber ein Deichbruch als Ursache vermutet. Für die | |
| Ortschaft Susigke wurden weitere Einsatzkräfte von Feuerwehr und Bundeswehr | |
| angefordert. | |
| Bei Bitterfeld dagegen entspannte sich die Lage. Die Bundeswehr wollte am | |
| Vormittag ein Leck zwischen dem Goitzschesee und dem Seelhausener See | |
| schließen. Dazu sollen aus Hubschraubern der Bundeswehr große Sandsäcke | |
| abgeworfen werden. Die Differenz der Pegelstände zwischen den beiden Seen | |
| sank um mehr als einen halben Meter in den vergangenen 24 Stunden auf nun | |
| 5,95 Meter. | |
| In den vergangenen Tagen war befürchtet worden, dass ein größeres Leck | |
| zwischen den beiden Seen eine Flutwelle vom höher gelegenen Seelhausener | |
| See in die Goitzschesee auslösen könnte. Dann würde auch Bitterfeld | |
| überflutet. Diese Gefahr war auch noch nicht abgewendet. | |
| In Halle an der Saale war der Pegelstand des Flusses in den vergangenen 24 | |
| Stunden um rund einen halben Meter gesunken. Trotzdem blieb die Lage auch | |
| dort angespannt. Mehrere Dämme standen weiter unter enormem Druck durch das | |
| Wasser. | |
| ## Mühlberg ist evakuiert | |
| Die Kleinstadt Mühlberg im Bundesland Brandenburg wurde wegen des | |
| Elbhochwassers geräumt. „Die Stadt ist nicht mehr sicher“, sagte ein | |
| Sprecher des Innenministeriums. Am Mittag hatte der Elbe-Scheitel die | |
| 2100-Einwohner-Stadt erreicht. Der Wasserstand lag mit 9,88 Metern zehn | |
| Zentimeter unter dem der Jahrhundertflut 2002. Ausgelegt sind die Deiche | |
| dort auf 10 Meter Wasserhöhe. Der Druck auf die Dämme ist jedoch enorm, es | |
| gibt mehrere Sickerstellen. Taucher versuchten, einen unterspülten Deich zu | |
| sichern. | |
| Ein Sprecher des Koordinierungszentrums Krisenmanagement des | |
| brandenburgischen Innenministeriums in Potsdam sprach davon, dass den | |
| Einsatzkräften an den Deichen ein tagelanger Kampf gegen das Hochwasser | |
| bevorstehe. Hunderte Helfer seien in der Nacht wieder im Einsatz gewesen. | |
| Unter ihnen waren auch Deichläufer, die Gefahrenstellen an den Deichen | |
| aufspürten. | |
| Die Lage an Spree und Schwarzer Elster entspannte sich dagegen allmählich. | |
| So gingen die Pegelstände in Spremberg (Spree), Bad Liebenwerda und | |
| Herzberg (beide Schwarze Elster) langsam zurück. | |
| ## Situation in Sachsen bleibt ernst | |
| In Sachsen sorgt das nur langsam abfließende Hochwasser der Elbe weiter für | |
| Probleme. Zwar fiel am Samstagmorgen auch im nordsächsischen Torgau der | |
| Wasserstand auf 9,10 Meter. Die Situation im Elbtal blieb aber ernst, auch | |
| wenn der Scheitelpunkt durchgezogen war. Nahe Großtreben-Zwethau in | |
| Nordsachsen zum Beispiel strömte Wasser durch eine defekte Klappe in einem | |
| Deich. Rund 500 Menschen wurden dort aufgefordert, ihre Häuser zu | |
| verlassen. | |
| Vor allem der Ort Neubleesern war betroffen. „Dort haben wir die | |
| Aufforderung erneuert, die Häuser zu verlassen“, sagte ein Sprecher am | |
| Samstagmorgen. Der Ort sei nun evakuiert. Hubschrauber der Bundeswehr | |
| würden versuchen, das Loch mit großen Sandsäcken wieder abzudichten. „Umso | |
| länger Wasser durchrauscht, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Deich | |
| in Mitleidenschaft gezogen wird“, sagte der Sprecher. | |
| In Sachsen sind immer noch mehrere Orte überschwemmt und Verkehrslinien | |
| gekappt. Rund 12 000 Menschen harrten dort nach Angaben vom Freitag noch in | |
| Notquartieren, bei Verwandten und Freunden aus. | |
| Derweil normalisierte sich die Lage in einigen Regionen etwas. In Dresden | |
| konnten 2100 Haushalte wieder an das Stromnetz angeschlossen werden, wie | |
| die Stadt am Samstag mitteilte. 4900 seien aber weiterhin ohne Strom. | |
| Die Feuerwehr warnte davor, das eingedrungene Grundwasser ohne Expertenrat | |
| aus Kellern zu pumpen. Die Statik könnte „extrem gefährdet“ sein. In | |
| Sachsen steigt der Grundwasserspiegel vielerorts weiterhin an. | |
| ## Abwarten im Norden | |
| Obwohl das Hochwasser der Elbe langsamer steigt als erwartet, gibt es für | |
| die Einsatzkräfte im niedersächsischen Lauenburg noch keine Entwarnung. | |
| Nach wie vor wird der Höhepunkt der Flut für kommenden Mittwoch erwartet. | |
| Nach der aktuellen Schätzung der Hochwasservorhersagezentrale in Magdeburg | |
| vom Freitagnachmittag soll der Scheitel am Pegel Hohnstorf bei Lauenburg | |
| 9,25 Meter erreichen. Am Donnerstag hatte die Behörde noch einen | |
| Höchststand von 9,20 Metern vorhergesagt. | |
| „Das ändert aber nichts an unserer Bewertung der Lage“, sagte der Sprecher | |
| des Lauenburger Krisenstabes, Karsten Steffen. „Wir gehen aktuell nicht | |
| davon aus, dass wir die ausgesetzte Evakuierung der Unterstadt wieder in | |
| Kraft setzen müssen.“ Am Sonnabendvormittag sollte der Krisenstab wieder | |
| zusammenkommen. | |
| Normalerweise beträgt der Wasserstand bei Lauenburg rund 4,80 Metern. Ab | |
| einem Stand von 9,00 Metern wird die Elbstraße überflutet. Bei 9,20 Metern | |
| steht das Wasser bei vielen Häusern in der ersten und zweiten Reihe in den | |
| Kellern - bei einigen auch im Erdgeschoss. Beim bislang letzten Hochwasser, | |
| im Januar 2011, wurde ein Pegelstand von 9,22 Metern erreicht. | |
| Die Hochwasservorhersagezentrale begründete ihre stark schwankenden | |
| Vorhersagen damit, dass der Hochwasserscheitel der Elbe das oberen | |
| Elbeeinzugsgebiet schneller als erwartet passiert. Dadurch treffen die | |
| Wassermassen von Elbe und Saale aufeinander, was die Vorhersageberechnung | |
| erschwere, heißt es in einer Mitteilung. | |
| Für den zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern gehörenden Uferabschnitt der | |
| Elbe wurden die Pegel-Prognosen etwas nach unten korrigiert. Nach der | |
| jüngsten Prognose soll in Dömitz am Dienstag oder Mittwoch der höchste | |
| Wasserstand mit 6,85 Meter erreicht werden, in Boizenburg einen Tag später | |
| mit 6,95 Meter. Dafür sind die Deiche ausgelegt. Deshalb werden die | |
| Elbdämme erst einmal nicht mit Sandsäcken erhöht. Reserven liegen aber | |
| bereit. | |
| ## 5000 Flutgeschädigte in Passau | |
| Auch wo es stellenweise noch dramatisch aussieht, zieht sich das Hochwasser | |
| langsam zurück, und die Pegelstände fallen. Allerdings steigt dem Deutschen | |
| Wetterdienst zufolge die Neigung zu Schauern und Gewittern. Die | |
| Wasserstände könnten daher wieder leicht steigen. In Passau sind nach einer | |
| ersten Bilanz rund 800 Gebäude und 5000 Menschen vom Hochwasser betroffen. | |
| An über 500 Privatpersonen und 330 Gewerbetreibende sind 2,4 Millionen Euro | |
| Sofortgeld ausgezahlt worden. | |
| ## Donau-Flutwelle nähert sich Budapest | |
| In Tschechien scheint das Hochwasser auf dem Rückzug zu sein. Aber die | |
| teils reißenden Flüsse bleiben gefährlich. Zwei Männer ertranken bei einem | |
| Schlauchboot-Unfall auf der Moldau. Damit stieg die Gesamtzahl der Opfer | |
| von Unwetter und Flut dort auf zehn. Mehrere Menschen werden vermisst. | |
| Sorge bereiten vorhergesagte Regenfälle. | |
| Derweil nähert sich das Rekord-Hochwasser der Donau der ungarischen | |
| Hauptstadt Budapest. In der Ortschaft Nagymaros 60 Kilometer nordwestlich | |
| von Budapest wurde Samstagfrüh ein Pegelstand von 7,15 Metern gemessen. | |
| Damit stand das Wasser noch einen Zentimeter höher als beim bisherigen | |
| Höchststand im Jahr 2006, berichtete die Nachrichtenagentur MTI unter | |
| Berufung auf die Landeswasserbaudirektion OVF. | |
| Am kritischsten war die Lage am Donau-Abschnitt nahe der westungarischen | |
| Stadt Györ. In der Ortschaft Györujfalu brachten sich bis zum Freitagabend | |
| mehr als 200 Menschen wegen des ansteigenden Hochwassers in Sicherheit, wie | |
| der örtliche Katastrophenschutz mitteilte. | |
| In Budapest erreichte der Wasserstand Samstagfrüh 8,43 Meter. Die | |
| Scheitelwelle wird dort Montagfrüh erwartet. Bereits seit Tagen sind | |
| tausende Soldaten und freiwillige Helfer im Einsatz, um Dämme und | |
| Uferanlagen mit Sandsäcken zu verstärken und mobile Schutzdämme zu | |
| errichten. | |
| 8 Jun 2013 | |
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