# taz.de -- Kulturgut Dorf-Kino: Die wandernde Leinwand | |
> Auf dem Land gibt es immer weniger Kinos. Das Mobile Kino Niedersachsen | |
> springt in die Bresche: Es zeigt Filme in Kirchen, Scheunen, Ställen und | |
> Schulen. | |
Bild: Kino im Stall: eine Filmvorführung in der Lethe-Scheune in Großenkneten | |
Gerade einmal sieben Damen waren gekommen, um sich an einem Donnerstagabend | |
in Otterndorf „Das weiße Band“ anzusehen. Nun war die Wahl des | |
anspruchsvollen Schwarzweißfilms schon gewagt gewesen, und zudem hatten die | |
Organisatoren Elina Sieber und Hermann Kleist das Pech, dass Michael | |
Hanekes düsteres Provinzdrama am Tag vorher bei Arte ausgestrahlt worden | |
war. Aber auch eine solche Vorstellung mit wenigen BesucherInnen kann sich | |
ihre Kulturinitiative „Lichtblick“ leisten: Als im Frühjahr die | |
französische Komödie „Ziemlich beste Freunde“ gezeigt wurde, war die | |
Stadtscheune mit ihren etwa 80 Sitzplätzen ausverkauft. | |
Das Konzept des Mobilen Kinos Niedersachsen (MKN) ist, Filme auf | |
Programmkinoniveau auf großer Leinwand in die Dörfer und Kleinstädte zu | |
bringen. Mitunter schließen Stadtverwaltungen ein Abo ab, in Otterndorf | |
beispielsweise veranstaltet das MKN einmal pro Monat einen Kinoabend und | |
bekommt dafür 150 Euro Zuschuss von der Stadt. Die Durchführung der Abende | |
läuft dann denkbar einfach: Das MKN braucht lediglich einen Raum, der sich | |
verdunkeln lässt, und einen Stromanschluss. Aus Oldenburg reist dann ein | |
MKN-Mitarbeiter mit Leinwand, Beamer und Blue-Ray an. Für die Werbung vor | |
Ort sind diejenigen zuständig, die das MKN gebucht haben. | |
Bis zur Umstellung auf den digitalen Betrieb vor sechs Jahren waren die | |
MKN-Mitarbeiter noch mit einem Projektor und 16 mm Filmkopien durch ganz | |
Niedersachsen gefahren. Dies entsprach noch eher den romantischen | |
Vorstellungen von einem Lichtspielbetrieb, der in der Tradition der | |
Wanderkinos über die Dörfer zieht. Damals war der Aufbau viel aufwendiger | |
und oft musste extra eine große Holzkiste zusammengesetzt werden, in der | |
der Projektor dann schallisoliert vor sich hin rattern konnte. | |
Zwangsläufig geht durch die Modernisierung viel vom Flair einer | |
Kinovorstellung verloren. Doch dies hat an der großen Nachfrage für diese | |
kulturelle Institution nichts geändert. 2012 wurden in 180 Orten zwischen | |
Abbensen und Wymeer 395 Kinoveranstaltungen durchgeführt. Es gab 21.096 | |
ZuschauerInnen und um die 50.000 Kilometer wurden kreuz und quer durch | |
Niedersachsen gefahren. Und das Auftragsbuch für 2014 ist schon so gut wie | |
voll. | |
Wenn selbst in den Städten kaum noch Kinos überlebt haben, ist es wichtig, | |
dass das Ansehen von Filmen als ein gemeinschaftliches Erlebnis auch auf | |
dem Lande weiterhin als eine Kulturerfahrung gepflegt wird. Ähnlich wie bei | |
Bibliotheksbussen und fahrenden Theatern wird hier eine kulturelle | |
Grundversorgung geboten, die von der Filmförderanstalt für Bremen und | |
Niedersachsen Nordmedia etwa zur Hälfte mitfinanziert wird. | |
Diese Förderung wurde von einst 150.000 auf 60.000 gekürzt und wird nun nur | |
noch für die Kinovorführungen für Kinder und Jugendliche vergeben. Bei | |
diesen wird regelmäßig medienpädagogisches Begleitmaterial angeboten, es | |
gibt thematische Schultourneen und bei den Vorführungen für kleinere Kinder | |
sind die Spielaktionen mit Gewinnen, Luftballons und Süßigkeiten schon zum | |
Ritual geworden. | |
Seit der Gründung im Jahr 1992 hat das MKN ein Netzwerk von lokalen | |
Kulturveranstaltern und -Initiativen aufgebaut, die regelmäßig | |
Kinovorstellungen buchen und entweder selber entscheiden, welcher Film wann | |
bei ihnen gezeigt wird, oder auf das Abonnement zurückgreifen. Dieses hat | |
etwa 90 Filme im Angebot, für die das MKN die Aufführungsrechte im nicht | |
kommerziellen Kinobetrieb hat. Die Bandbreite geht dabei von | |
Publikumslieblingen wie „Best Exotic Marigold Hotel“ bis zu | |
Arthaus-Erfolgen wie dem Pina Bausch-Film von Wim Wenders. | |
Im Sommer wird auch Open-Air-Kino angeboten, aber dabei gibt es viel | |
Konkurrenz und bei den notorisch unberechenbaren Wetterverhältnissen sind | |
in den letzten Jahren so viele Kinoabende verregnet, dass es von Jahr zu | |
Jahr merklich weniger Veranstaltungen unter freiem Himmel gibt. | |
In Otterndorf wurde es dann doch noch ein netter Abend. „Das weiße Band“ | |
wurde in einer Bild- und Tonqualität gezeigt, die mit den 16 mm Projektoren | |
und oft schon ausgenudelten Kopien nicht erreicht worden wäre. Und die | |
sieben ZuschauerInnen unterhielten sich noch eine Weile angeregt über die | |
autoritären Männer in dem Film. | |
Bernd Gorka hat die ganze Zeit neben Player und Beamer gesessen. Er ist | |
fast schon von der Gründung des MKN an mit dabei, und immer noch bleibt er, | |
wenn möglich, im gleichen Raum mit dem Publikum. Er achtet darauf, dass bei | |
der Projektion nichts schiefgeht – aber ihm wird auch nie dabei langweilig, | |
die Filme immer wieder mit anzusehen, denn in jeder Vorstellung wirken sie | |
ein wenig anders. Bei dieser Arbeit muss man das Kino wirklich lieben. | |
## Nächste Stationen: 20. 6., 16 und 20 Uhr (Kinder und Abendkino), Littel; | |
22. 6., 21.30 Uhr, Scheunenkino Schleeßel; 27. 6., 16 und 20 Uhr, Colnrade; | |
29. 6., 22.30 Uhr, Kirchenkino Gartow | |
13 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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