# taz.de -- Streik bei Amazon: „Verhandlungen taugen hier nichts“ | |
> Amazon-Mitarbeiter in den Logistikzentren in Bad Hersfeld und Leipzig | |
> protestieren für Tarifverträge. Der Konzern reagiert nervös. | |
Bild: Klares Signal: Nach Warnstreiks machen die Amazon-Mitarbeiter in Leipzig … | |
LEIPZIG taz | Die Stadtverwaltung hat für die Streikenden vor dem Leipziger | |
Amazon-Logistikzentrum extra eine Fahrspur gesperrt. Auf dem schmalen | |
Streifen zwischen Firmenzaun und Amazonstraße sitzt die Frühschicht unter | |
Schatten spendenden Zelten. Ver.di verteilt gratis Sonnencreme. Die aus | |
Aufblasteilen aufgebaute symbolische Strandoase nutzt trotz der Hitze aber | |
niemandem. Richtiger Urlaub wäre da schon besser: „Das Urlaubsgeld gehört | |
auch zu unseren Tarifforderungen“, heißt es aus der Streikleitung. | |
Auch wenn Skat gespielt und Kreuzworträtsel gelöst werden, ist es den rund | |
300 Streikenden in Leipzig in der Sache ebenso ernst wie ihren Kollegen im | |
Amazon-Logistikzentrum im hessischen Bad Hersfeld. Dorthin sind 30 von | |
ihnen am Dienstag zum Solidaritätsbesuch gereist. Nach punktuellen | |
Warnstreiks proben sie erstmals zwei Tage hintereinander den Aus- und | |
Aufstand. | |
Es ist ein Aufstand gegen einen US-Konzern, dem sie zumindest in Europa die | |
amerikanische Firmenphilosophie austreiben möchten, die sich mit | |
Gewerkschaften prinzipiell schwertut. Besonders, wenn sie als Tarifpartner | |
mit am Verhandlungstisch sitzen wollen. | |
„Die alten Tarifverhandlungsrituale taugen hier nichts. Das geht nur mit | |
Mobilisierung“, sagt Bernhard Krabiell. Der hauptamtliche | |
Ver.di-Gewerkschafter hat die Belegschaft in den vergangenen Wochen auf die | |
Streiks eingestimmt. | |
## Gegen Lohnwillkür | |
Für die 9.000 Amazon-Beschäftigen in Deutschland geht es darum, überhaupt | |
erst einmal einen Tarif zu bekommen, der sie von der Lohnwillkür des | |
Konzerns unabhängig macht. Und zwar einen, der sich nicht an der | |
Logistikbranche, sondern am etwas besser bezahlten Handel orientiert. Das | |
lehnt die Geschäftsführung bislang strikt ab. | |
Ver.di kämpft nach der Aufkündigung des Flächentarifs im Einzelhandelgleich | |
an einer zweiten Front. Frank Bsirske, Chef der | |
Dienstleistungsgewerkschaft, betonte bei seinem Besuch am Montag die | |
Stellvertreterrolle der Amazon-Streikenden auch in dieser | |
Tarifauseinandersetzung. | |
Den Leipziger Beschäftigten im Logistikzentrum des Internetversandhändlers | |
geht es nicht nur um eine Lohnuntergrenze von 10,66 Euro. Obschon ein | |
runder Euro mehr pro Stunde „schon eine Menge Geld wäre“, wie eine ältere | |
Mitarbeiterin sagt. Es geht um Urlaubs- und Weihnachtsgeld und um die | |
Sicherheiten, die ein Tarifvertrag bietet. | |
Größtes Problem sind die 800 befristeten Anstellungen, mit denen die 1.200 | |
Leipziger Festangestellten unter Druck gesetzt werden sollen. Manche werden | |
nach zwei Jahren entlassen und dann erneut befristet eingestellt. Hier | |
fällt es der Geschäftsführung allerdings immer schwerer, noch Bewerber zu | |
finden. „Der Markt in der Region ist leer gefegt“, hört man übereinstimme… | |
von den Streikenden. Manche pendeln täglich über 100 Kilometer. | |
## Klimaanlage und längere Pausen | |
„Wer nichts einsetzt, kann auch nichts gewinnen“, kommt eine Antwort auf | |
die Frage nach dem Ver.di-Streikgeld, das etwa bei 40 Euro liegt. Dass sich | |
der Druck der Medien und der Beschäftigten offenbar lohnt, kräftigt das | |
Selbstbewusstsein enorm. Leichte Lohnsteigerungen hat es gegeben, seit 2009 | |
existiert in Leipzig auch ein Betriebsrat. Nun wird bis zum Herbst endlich | |
die lange verlangte Klimaanlage eingebaut. Die beiden Pausen von 20 und 25 | |
Minuten im Packbetrieb sind um 5 Minuten verlängert worden. | |
Erst am Montag sind wieder 17 Amazon-Beschäftigte bei Ver.di eingetreten. | |
Mehr als die Hälfte der Festangestellten ist inzwischen Mitglied. Die | |
drinnen und die draußen winken sich über den Zaun zu. Als Streikbrecher | |
werden die Arbeitenden nicht angesehen. „Jeder hat seine Gründe“, ist | |
Verständnis für Ängste zu hören. | |
Amazon reagiert auf den Druck nervös mit Imagekampagnen, agitiert sogar | |
Politiker wie den sächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Stefan Brangs. Was | |
die Streikenden hebt, die eine eigene Streikhymne im Hip-Hop-Stil kreiert | |
haben, mit Humor nehmen. | |
Mit zwei bis drei Tagen Zustellverzögerung durch die Streiktage rechnet | |
Ver.di-Verhandlungsführer Jörg Lauenroth-Mago. Und die seien für den Kunden | |
und vor allem für den Konzern spürbar. „Das können die nicht mehr lange | |
aushalten!“ | |
19 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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