# taz.de -- Kinofilm über Südafrika: Die Angst im Nacken | |
> Pia Marais, Regisseurin aus Südafrika, folgt ihrer Titelfigur „Layla | |
> Fourie“ in ein unsicheres Gelände zwischen Lüge und Wahrheit. | |
Bild: Die Tücken der Mutterschaft: Layla Fourie (Rayna Campbell) und ihr Sohn … | |
Es muss schon eine große Skepsis vorherrschen, wenn ein potenzieller | |
Arbeitnehmer während eines Bewerbungsgespräches an einen Lügendetektor | |
angeschlossen wird. Wenn Amplituden, schweißigen Fingerkuppen und | |
vibrierenden Pupillen mehr Wahrheitsgehalt beigemessen wird als dem | |
tatsächlich Gesagten. | |
Layla Fourie (Rayna Campbell), die Hauptfigur in Pia Marais’ gleichnamigen | |
Film, ist noch nicht lange Spezialistin auf diesem Gebiet. Der Zuschauer | |
erlebt binnen der ersten Minuten des Films, wie sie die Abschlussprüfung | |
eines privaten Sicherheitsunternehmens besteht und fortan dazu befähigt | |
ist, in sterilen Hinterzimmern außerdienstliche Fragen zu stellen. Orte, an | |
denen es kein menschelndes Geplänkel gibt. | |
Layla möchte es ganz genau wissen: Konsum illegaler wie legaler Drogen, | |
Strafregister, psychische Anlagen zu eventuellen kriminellen Handlungen. | |
Ein Blick, der abwechselnd Monitor und Augenpartie des Gegenübers fixiert – | |
das Maximum in Sachen mimischer Variation. | |
## Hüterin der Grenzen | |
Kein Traumjob, aber der jungen Mutter durchaus nicht wesensfremd: Layla | |
glaubt an einen Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge, bewegt sich aus | |
Überzeugung innerhalb der Grenzen, nach der eine Gesellschaft vermeintlich | |
funktioniert und fühlt sich als Hüterin dieses Rahmens in keine unzumutbare | |
Rolle gezwängt. | |
Und weil der Film „Layla Fourie“ generell eher in Richtung Parabel denn | |
Tatsachenbericht strebt, passt Laylas erster Auftragsgeber auch ganz | |
hervorragend ins Gerüst der Regisseurin Pia Marais – ein Spielcasino, etwas | |
außerhalb von Johannesburg. Ein Sündenpfuhl, getaucht in LED-Lämpchen. | |
Klar, dass man hier jeden Bewerber ein wenig genauer observieren will. | |
Ganz besonders Eugene (August Diehl). Der nicht so recht erklären kann, was | |
ihn denn überhaupt an diesen Ort treibt. Der trotz leichter Verlotterung | |
keinen Alkohol anrührt. Und der offenbar Südafrikas weißer Mittelschicht | |
angehört. Eine Figur, die in keines der von Layla einstudierten Schaubilder | |
passen mag und vielleicht gerade deswegen einen Sog ausübt, den sich die | |
sonst so kontrollierte Frau kaum eingestehen möchte, der aber nur | |
schwerlich zu leugnen ist. | |
## Der entscheidende Vorfall | |
Der Suspense von „Layla Fourie“ hangelt sich jedoch nicht an dieser zarten | |
Anziehung zwischen Layla und Eugene, Schwarz und Weiß, Großstadtwohnung und | |
eingezäuntem Elternhaus entlang. Der entscheidende Vorfall und der ihm | |
immanente Spannungsmoment – er ereignet sich für Layla so überraschend wie | |
fatal, lange bevor die spitzbübische Testperson überhaupt einen Mundwinkel | |
in die Höhe ziehen konnte. Und er bringt ihr Weltbild nachhaltig ins | |
Wanken. | |
Denn während Layla eines Nachts auf einer einsamen Landstraßen zwischen | |
Johannesburg und Casino unterwegs ist, ereignet sich eine Kollision, die | |
sie das vermeintlich unverwüstliche Schema zwischen Recht und Unrecht über | |
Bord werfen lässt. Zugunsten eines Beweggrunds, der möglicherweise noch | |
größer ist als moralisches Empfinden. So wird aus der Frau, die darauf | |
trainiert ist, jeden noch so kleinen Widerspruch, jedes winzige Anzeichen | |
von Unwahrheit aus den Antworten, dem Habitus einer Person herauszufiltern, | |
plötzlich selbst jemand, der ein Geheimnis mit sich trägt, das unter allen | |
Umständen auch eines bleiben soll. | |
## Hinter jedem Zaun eine neue Lesart | |
Und was mit einem Menschen geschieht, der im ständigen Bewusstsein von | |
Haftbarkeit lebt, auch das ist anhand der Figur Layla Fourie gut zu | |
beobachten. In den hektischen Blicken, mit denen sie immer wieder ihre | |
Umgebung analysiert, dem Horror, auf ein wissendes Gesicht zu stoßen. In | |
der nervösen Anspannung, die Besitz von ihrem Körper ergreift. Layla wird | |
auf diese Weise selbst zur Manifestation einer paranoiden Umwelt, in der | |
sie bis dato eine doch eher passive Rolle einnahm: als prüfende Instanz | |
hinter Messapparaten. | |
Das ist ein überaus raffinierter Dreh, den Pia Marais und der Drehbuchautor | |
Horst Markgraf da in ihre Schilderung vor post-apartheidlicher Kulisse | |
hineinschreiben. Er raubt den Protagonisten jedoch auch jegliche Freiheit, | |
beklemmt sie, presst sie in eine Situation, die mehr Versuchsanordnung ist | |
als Leben. | |
Die Gewissheit, dass „Layla Fourie“ weit mehr sein will als bloße | |
Geschichte, dass hinter jedem Zaun buchstäblich eine neue Lesart, ein neues | |
Symbol darauf wartet, erkannt zu werden, verursacht nach einiger Zeit eine | |
ähnliche Verspannung, wie sie nach unzähligen Blicken über die Schulter | |
auch in Laylas Nacken schmerzen muss. Sollte dies die Absicht von Pia | |
Marais gewesen sein, ist ihr Großes gelungen. Falls nicht, wäre „Layla | |
Fourie“ eine etwas höhere Temperatur gut bekommen. | |
## ■ „Layla Fourie“. Regie: Pia Marais. Mit Rayna Campbell, August Diehl … | |
a. Deutschland 2013, 105 Min. | |
7 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Martha Frankel | |
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