# taz.de -- Robert Adams Retrospektive in Bottrop: Der verlorene Wilde Westen | |
> Ausufernde Vorstädte, vermüllte Brachflächen, Berge in weiter Ferne: In | |
> Bottrop ist das Werk des US-Fotografen Robert Adams zu sehen. | |
Bild: Ausschnitt aus Robert Adams, Lakewood, Colorado, The New West, 1968-1971. | |
Wenn Robert Adams über den rücksichtslosen Umgang des Menschen mit seinen | |
natürlichen Ressourcen nachdenkt, klingt er zuweilen wie ein | |
alttestamentarischer Prophet. Seit fünf Jahrzehnten widmet sich der | |
Fotograf (*1937) den strukturellen Veränderungen und Umweltzerstörungen im | |
amerikanischen Nordwesten, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Wilder | |
Westen bekannt wurde. Wild war aber nur die Eroberungshaltung der Siedler. | |
Deren Nachfahren sind es bis heute geblieben. | |
Robert Adams dokumentiert die Zerstörungen der einst weiten und stillen | |
Landschaft: die zersiedelten Vorstädte, abgeholzten Waldbestände und von | |
Zivilisationsmüll verschmutze Natur. Die Wut des Amerikaners ist | |
verständlich. Dennoch kennzeichnet seine Bilder ein sachlicher und | |
nüchterner Stil, der einerseits Trauer über den Verlust, andererseits aber | |
auch Hoffnung auf ein ganzheitliches Umdenken ausdrückt. | |
Mit Robert Adams’ Teilnahme an der Ausstellung „Neue Topographien“ 1975 | |
vollzog sich ein epochaler Umbruch in der fotografischen Darstellung von | |
Landschaft. Die rein auf die erhabene Schönheit der Natur gerichtete | |
Fotografie seines Namensvetters Ansel Adams hatte ausgedient. Damit einher | |
ging ein erweiterter Genrebegriff, der neben der unbebauten Landschaft | |
gleichfalls die urbanen Räume umfasste. Künstler wie Robert Adams, Lewis | |
Baltz und Steven Shore wurden zu Vorbildern für eine jüngere Generation, | |
deren Anliegen der Wandel ihres unmittelbaren Lebensumfeldes ist. | |
Und dazu zählen oft Zwischenräume, Brachflächen und Randzonen, die | |
ansonsten keine Beachtung finden. Also genau jene Orte, die Inhalt der | |
jüngst abgesagten IBA 2020 in Berlin waren. Vielleicht hätte ein Besuch der | |
aktuell tourenden Retrospektive von Robert Adams die für das Debakel | |
zuständigen Politiker Sehen gelehrt. Vielleicht. | |
## Eine gute Entscheidung | |
Jetzt ist die großartige und umfassende Schau „The Place We Live“ | |
jedenfalls im Bottroper Josef-Albers-Museum als einziger Station in | |
Deutschland zu sehen. Eine gute Entscheidung. Denn aus der historischen | |
Erfahrung sind die Bewohner des Ruhrgebiets mit vergleichbaren Prozessen | |
vertraut, wie sie Robert Adams in seinen Bildern beschreibt. Oder mit den | |
Worten des Künstlers gesprochen: „Manchmal muss man einen Ort nicht besucht | |
haben, um ihn in sein Herz zu schließen.“ So bedarf es vor allem | |
emotionales Verständnis, um seine Arbeiten zu erschließen. | |
Im zentralen Oberlichtsaal des Museums stellt Direktor Heinz Liesbrock zwei | |
von Adams’ wichtigsten Werkreihen aus den 1970er Jahren gegenüber. Die | |
Serien zeigen das nahtlose Ineinander von ausufernden Vorstädten mit | |
billigen Einfamilienhäusern, trostlosen Neubaugebieten, | |
überproportionierten Einkaufszentren, gesichtslosen Gewerbegebieten und | |
zugemüllten Brachflächen in Denver und dem weiteren Umland des | |
US-Bundesstaates Colorado. | |
Hartes Sonnenlicht wirft scharfe Schatten. Nur an den äußersten Zipfeln | |
erstreckt sich das Land, wie es ursprünglich war. Endlose Felder reichen | |
bis zum Horizont, wo sie von den Rocky Mountains begrenzt werden. Lediglich | |
ein paar Landstraßen und einsame Bäume, Buschwerk und Reihen dürrer | |
Telefonmasten unterbrechen die Öde. Doch Werbeschilder von | |
Immobilienhändlern kündigen bereits an, dass die Zivilisation hier | |
keineswegs Halt machen wird. | |
## Zu schön sind die Landschaften | |
Solange das politische durch das ökonomische System korrumpiert wird, so | |
Adams, wird sich daran vermutlich nichts ändern. Resignieren mag er | |
trotzdem nicht. Zu schön seien die Landschaften, allen menschlichen | |
Eingriffen zum Trotz. Die Serie „Turning back“ beschäftigt sich etwa mit | |
der industriellen Abforstung riesiger Wälder. Wie Schlachtfelder sehen die | |
kahlgeschlagenen Flächen aus. | |
Nur wenige Stümpfe lassen erahnen, wie mächtig die Bäume waren, die | |
abgeschlagen wurden. Hingegen wirken die Bilder vom Mündungsdelta des | |
Colorado fast schon beschaulich, wenngleich Strandbesucher mit ihren Pkws | |
direkt bis ans Meer fahren. Dumm nur, dass Papiermühlen und ein | |
Atommülllager den Fluss kontaminieren. | |
Ansonsten tauchen Menschen bei Adams meist nur indirekt auf. Ausnahme ist | |
eine Serie, die auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums entstanden ist und | |
Eltern zeigt, die ihren Kindern mit einer Fürsorge und Liebe begegnen, die | |
sie der Umwelt eher versagen. Statt der üblichen Plattenkamera verwendete | |
Adams dieses Mal wie ein Straßenfotograf einen handlichen Apparat. Jedoch | |
hat er nie erwägt, durch den Einsatz von Farbe mehr Realitätsnähe zu | |
erzielen. Die perfekt austarierten Grauabstufungen verleihen den meist | |
kleinformatigen Abzügen genug wirksame Spannung. Auf dem Fotofestival | |
Rencontres d’Arles 2013 feiert die Schwarzweißfotografie übrigens gerade | |
ein Comeback. | |
## ■ „Robert Adams: The Place We Live“. Bis 29. September, Josef Albers | |
Museum Quadrat Bottrop | |
11 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Markus Weckesser | |
## TAGS | |
Reiseland USA | |
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