| # taz.de -- Ex-Akademiker über Pornoindustrie: „Porno hat die Mächtigen ges… | |
| > Weil ihn sein Job an der Uni langweilte, entschied sich Conner Habib für | |
| > eine Karriere als Pornodarsteller. Nun versucht er die Akademie mit dem | |
| > Porno zu versöhnen. | |
| Bild: „Wir müssen uns von der Idee von Kunst als Tugend verabschieden.“ | |
| taz: Herr Habib, ist es eigentlich problematisch, intelligent zu sein und | |
| in Pornofilmen mitzuspielen? | |
| Conner Habib: Lassen Sie mich es auf diese Weise erklären: Es ist immer | |
| problematisch, intelligent zu sein, egal, was Sie machen. | |
| Bevor Sie in die Pornoszene einstiegen, strebten Sie eine akademische | |
| Karriere an. | |
| Ich hatte schon alles vorbereitet, um Englischprofessor zu werden. Ich zog | |
| nach Kalifornien und hatte einen Job an der Uni. | |
| Was passierte dann? | |
| Ich sagte den Job ab und dachte, da ist doch diese andere Sache, die ich | |
| immer machen wollte. | |
| Sie haben sich bewusst gegen eine akademische Laufbahn und für die | |
| Pornoindustrie entschieden? | |
| Ja. Ich wurde damals für einen Werbespot engagiert und die Leute, die den | |
| Film drehten, arbeiteten eng mit einer Pornofirma zusammen. So fing ich an. | |
| Mittlerweile versuchen Sie, beide Professionen miteinander zu verbinden. | |
| Sie drehen weiter Pornos und halten an Unis und Museen Vorträge. | |
| Ich will einfach alles machen. Ich habe Biologie und kreatives Schreiben | |
| studiert. In San Francisco leite ich eine spirituelle Gruppe, halte | |
| Vorträge und spiele eben auch in Pornofilmen mit. Die Idee eines | |
| Spezialistentums halte ich für problematisch, weil man nicht das große | |
| Ganze sieht. | |
| Wann begann eigentlich Ihre Faszination für die Pornoindustrie? | |
| Ich wollte ins Pornogeschäft seit ich 12 Jahre alt bin. | |
| Das ist sehr jung. | |
| Ich habe schon vorher Pornos gesehen. Die Menschen in meiner nahen Umgebung | |
| begannen darüber zu reden, als ich sieben oder acht Jahre alt war. Mit der | |
| Pubertät wurde mir bewusst, dass alle die ganze Zeit über Sex reden. Und | |
| auf dem Bildschirm sind Menschen, die genau das machen. Es ist deren | |
| Arbeit, sich selbst und den Menschen am Bildschirm Lust zu bereiten. Warum | |
| will man das nicht machen? | |
| Das ist nicht immer einfach. Im März sollten Sie an einem College über Sex | |
| und Gesellschaft reden. Sie wurden in letzter Minute ausgeladen, als die | |
| Präsidentin herausfand, dass Sie noch aktiv Pornos drehen. Hat Sie das | |
| überrascht? | |
| Total. Sie haben erst den Vertrag unterschrieben und dann den Vortrag | |
| abgesagt. Das ist ziemlich ungewöhnlich. | |
| Sie sind trotzdem hingefahren und haben in der Stadtbücherei Ihren Vortrag | |
| gehalten. | |
| Und es sind viele Leute gekommen, um mir zuzuhören. Ich sprach darüber, | |
| wieso ich Pornos drehen will. | |
| Herrscht in unserer Gesellschaft eine falsche Auffassung von Pornografie? | |
| Es herrscht überhaupt keine Konzeption, keine Auffassung. Pornografie ruht | |
| auf einer einfachen Annahme, dass sie schmutzig sei – da ist kein Denken | |
| dahinter und schon gar nicht ein Konzept. Du glaubst halt die Idee, die dir | |
| jemand anderes hinhält. Menschen bilden sich nicht ihre eigene Meinung oder | |
| ergründen ihre eigenen Gefühle zu dem Thema. | |
| Der Porno kann also eine eigene subversive Kraft entwickeln und politisch | |
| sein? | |
| Auf jeden Fall. In dem Sinne, dass er Sexualität in den Blick der | |
| Öffentlichkeit bringt. Im 17. Jahrhundert wurden pornografische Bilder | |
| benutzt, um gegen die Autoritäten vorzugehen. Das waren Zeichnungen von | |
| Königen und religiösen Figuren, die in den Arsch gefickt wurden oder | |
| Ähnliches. Das hat die Mächtigen dann auch immer gestürzt. Wenn man einen | |
| eigenen Teil der Sexualität versteckt und jemand anderes das enthüllt, | |
| verliert man an Macht. Wenn man allerdings selbst seine Sexualität offen | |
| preisgibt und sagt, das bin ich, das ist ein Teil von mir, gewinnt man an | |
| Macht. | |
| Viele Feministinnen würden Ihnen da widersprechen. Für sie ist der Porno | |
| kategorisch schlecht, führt zur Objektifizierung. | |
| Es ist ja auch nicht alles gut im Feminismus. Die Anti-Porno-Kampagne | |
| arbeitet mit den dümmsten Argumenten. Erst einmal muss man erkennen, dass | |
| wir alle aus Material bestehen und demnach Halb-Objekte sind. Die Idee, | |
| jemanden also nicht zu objektivieren, ist komplett lächerlich. Laut den | |
| Anti-Porno-Feministinnen haben die Menschen in der Pornoindustrie keine | |
| eigenen Gedanken, keine Autonomie. Das macht alle, die in der Industrie | |
| arbeiten, zu leblosen Objekten. Das ist Entmenschlichung. Sie kommen nicht | |
| zu uns und hören unserer Community zu. Das ist Heuchelei. | |
| Gibt es überhaupt eine Art von Community? | |
| Ja und nein. Es gibt eine Community für Sex-Worker. Aber keine im Sinn | |
| einer einheitlichen Stimme. Wir sind ja auch alle aus unterschiedlichen | |
| Gründen dabei. Aber es gibt eine Sache, die uns vereint: Wir alle haben uns | |
| auf den Job beworben. Wenn die Anti-Porno-Aktivisten sich ernsthaft für die | |
| sexuelle Objektivierung interessieren würden, würden sie verstärkt ihr | |
| Augenmerk auf wirklich objektivierende Kräfte konzentrieren. Gerade die | |
| Wissenschaft ist die eine objektivierende Kraft auf der Erde, aber die | |
| kritisieren sie nicht. | |
| Allerdings wurden auch ehemalige Pornostars zu Anti-Porno-Aktivisten. | |
| Ja, das stimmt. Aber viele von uns hören früher oder später auf und sind | |
| eben nicht zu Anti-Porno-Aktivisten geworden. | |
| Was ist eigentlich das Problematische an der Vermischung von Pornografie | |
| und Akademie? Immerhin kann man mittlerweile auch Porn-Studies studieren. | |
| Ich weiß es nicht. Vor allem drehen wahrscheinlich viele Professoren | |
| Pornos, die sie aber nicht vertreiben oder nur auf Internetplattformen wie | |
| Xtube stellen. Außerdem gibt es Kunstprofessoren, die Dinge getan haben, | |
| die als Pornografie verstanden werden können. | |
| Nun gut. Aber das war eben in einem Kunstkontext. | |
| In Pornos hat man diese vorhersehbare Struktur und die ist sehr oft Müll, | |
| aber trotzdem ist es Kunst. Wir müssen uns von der Idee von Kunst als | |
| Tugend verabschieden. Und wenn die Fotografie als Kunst gilt, dann muss das | |
| auch für die Pornografie gelten. | |
| Ähnelt der Porno nicht eher dem Hollywood-Film? | |
| Eher der Popmusik. Pornografie hat den gleichen strukturellen Bogen, die | |
| ganze Zeit, wie Popmusik, Strophe/Refrain/Strophe. Popmusik hat auch die | |
| gleiche Idee wie Pornos, es bringt Leute zum Mitsingen, dann ist es vorbei | |
| und sie werden es vergessen. Und du kannst mit Pornos auch mitsingen, das | |
| ist es, was Masturbation ist. | |
| 11 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Enrico Ippolito | |
| ## TAGS | |
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