# taz.de -- Weltuntergang auf DVD: Schlechte Aussichten | |
> Der Pionier der Anti-Atomkraft-Bewegung Holger Strohm hat auf eigene | |
> Kosten seine Thesen verfilmt. Nun ist „Friedlich in die Katastrophe“ auf | |
> DVD erschienen. | |
Bild: Hochwertiges Archivmaterial: Szene aus dem Film "Friedlich in die Katastr… | |
BREMEN taz | Katastrophenfilme sind beim Publikum sehr beliebt. Alle paar | |
Monate gibt es aus Hollywood einen teuren Actionfilm, in dem wieder einmal | |
die Welt untergeht. Als letztes musste Brad Pitt in „World War Z“ gegen | |
eine geheimnisvolle Seuche kämpfen, die drohte, die gesamte Zivilisation zu | |
vernichten. | |
Hier ist nun ein Film, der ein ähnlich pessimistisches | |
Weltuntergangsszenario zeichnet, und dennoch keinen Verleih findet. Der | |
Pionier der Anti-Atomkraft-Bewegung Holger Strohm, auf dessen Arbeiten und | |
Texten der Film „Friedlich in die Katastrophe“ basiert, hat ihn selber | |
produziert und mit eigenen Mitteln finanziert. Seit dem letzten Jahr wurde | |
er in Einzelvorstellungen in bisher etwa 200 Städten vorgeführt. Nun | |
verkauft Strohm den Film als DVD im Eigenversand über die Website | |
[1][www.friedlich-in-die-katastrophe.de]. | |
Der Grund für dieses eher übersichtliche Publikumsinteresse liegt darin, | |
dass Holger Strohm es bitter ernst meint. Er ist davon überzeugt, dass die | |
Menschheit sich durch die „Gier nach einem Luxusleben“ selber ausrotten | |
wird, denn „wir werden vom Bösen beherrscht“ und uns bleibe nur, dass wir | |
unser restliches bisschen Leben „nicht den Idioten und Kriminellen | |
überlassen“. Da spricht ein eingefleischter Apokalyptiker. | |
Der Regisseur Marcin El zelebriert dessen zornige Prophezeiungen, indem er | |
sie von den Schauspielern Eva Mattes und Gunter Schoß in einem seriösen, | |
getragenen Tonfall einsprechen lässt. Der Filmemacher versteht seine Arbeit | |
als ein Plädoyer und wirbt mit dem Satz: „Wer diesen Film gesehen hat, kann | |
unmöglich noch für Atomkraft sein!“ | |
„Friedlich in die Katastrophe“ ist der Titel des ersten Buches von Holger | |
Strohm über die Gefahren der Atomenergie. Geschrieben hat er es schon im | |
Jahr 1971. Damals war das Buch eine der Initialzündungen der | |
Anti-Atomkraft-Bewegung, und seitdem warnt Holger Strohm unverdrossen | |
weiter vor den Gefahren, die der „Unmensch Mensch“ – so einer seiner | |
Buchtitel – freisetzt. | |
Im Film werden seine Thesen in seinen eigenen Worten ausgeführt. | |
Unterstützt werden sie von rund zwanzig Spezialisten, die ihre eigenen | |
Kommentare geben. Das bedeutet eine ganze Reihe von talking heads und so | |
wird in „Friedlich in die Katastrophe“ zwangsläufig mehr geredet als | |
gezeigt. | |
Dies hat auch mit den Herstellungsbedingungen zu tun, denn der Film musste | |
ohne Fördermittel so sparsam wie möglich produziert werden. Dennoch wird | |
viel qualitativ hochwertiges Archivmaterial gezeigt, denn Strohm durfte | |
sich als Gründungsmitglied von Greenpeace umsonst in deren Archiv bedienen. | |
Durch die vielen beeindruckenden historischen Aufnahmen sieht der Film dann | |
doch nicht so billig aus, wie er gemacht wurde. | |
„Friedlich in die Katastrophe“ bietet einen gründlichen, im doppelten Sinne | |
des Wortes erschöpfenden Überblick über die Entwicklung und Argumentation | |
der Anti-Atomkraft-Bewegung. Die Experten, zu denen der ehemalige | |
Vorsitzende des Atomausschusses des Bundestags Karl Bechert, die ehemalige | |
Umweltministerin Bärbel Höhn, der Strahlenbiologe Edmund Langfelder, der | |
Fotograf Günter Zint und der Träger des alternativen Nobelpreises Robert | |
Jungk gehören, geben durchweg kluge Statements ab, aber in diesem Kontext | |
klingen sie durchweg unheilvoller, als dies wohl die Intention der meisten | |
von ihnen gewesen sein dürfte. Jürgen Trittin wurde übrigens auch | |
interviewt, aber herausgeschnitten, weil er nur über Tagespolitik reden | |
wollte. | |
## Steif im Sessel | |
Merkwürdig wird es, wenn auch Holger Strohm in dem Film, der auf seinen | |
Texten basiert, als einer der Spezialisten auftaucht und sich selber | |
beipflichtet. Dies ist auch deswegen eine fragwürdige Regieentscheidung, | |
weil er anders als alle anderen Gesprächspartner nicht natürlich spricht, | |
sondern steif in einem Sessel sitzt und offensichtlich vorher formulierte | |
Sätze in die Kamera aufsagt. | |
Er wirkt dabei sehr angespannt und erweckt ehrlich gesagt wenig Vertrauen. | |
Nun mag solch ein Einwand angesichts seiner elementaren Statements banal | |
erscheinen, aber der Film ist nun mal ein visuelles Medium und da wirkt die | |
Botschaft nur so gut wie der Botschafter. | |
Auch durch seine Formulierungen wird Holger Strohm ein zunehmend | |
zwiespältiger Protagonist. Politiker haben für ihn „keine Moral“, der | |
„Bund“ tut etwas „in maßloser Dummheit“ und die Atomlobby hat „das g… | |
Verbrechen aller Zeiten“ begangen. | |
Angesichts dieses Tunnelblicks wundert es auch nicht, dass Strohm keine | |
Berührungsängste den extrem Rechten gegenüber hat: Angesichts des nahenden | |
Weltendes kümmern ihn offenbar die Unterschiede zwischen Nazis und | |
Demokraten wenig. So gab er im letzten Jahr ein langes Interview in dem | |
rechtsextremen Magazin Umwelt & Aktiv, wie Andreas Speit in der taz | |
berichtete. | |
Strohms zunehmende Vorliebe für obskure Verschwörungstheorien spielt | |
Regisseur El klugerweise herunter. Trotzdem bleiben davon immer noch die | |
wie nebenbei erwähnten Hinweise übrig, dass sowohl Tschernobyl wie auch | |
Fukushima vielleicht durch künstliche Erdbeben verursacht worden seien, für | |
die das geheime amerikanische Forschungsprogramm „Haarp“ verantwortlich | |
sei. | |
Der Reaktorunfall in Fukushima wirkte sich auch sonst nachteilig auf den | |
Film aus: Er passierte in der Endphase der vier Jahre langen Dreharbeiten, | |
musste aber noch mit eingefügt werden. So sind viele der Informationen und | |
Analysen im Film überholt und zeigen heute nur noch, welche Stimmung damals | |
angesichts dieser Katastrophe herrschte. Beispielsweise kommt es auch zu | |
der Aussage, Fukushima wäre „die größte Katastrophe der | |
Menschheitsgeschichte“, die Strohm heute so wohl nicht mehr formulieren | |
würde. | |
Vor allem hat der Film aber die Wende weg von der Atomenergie verpasst, und | |
es ist natürlich fatal, wenn die Entwicklung fehlt, dass heute Angela | |
Merkel vielen der Aussagen in „Friedlich in die Katastrophe“ zustimmen | |
würde. | |
## „Friedlich in die Katastrophe“: Erhältlich über | |
11 Jul 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.friedlich-in-die-katastrophe.de | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
## TAGS | |
Anti-AKW-Proteste | |
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