# taz.de -- Lebenslange Haft für „Ehrenmord": Tumult im Gerichtssaal | |
> Mit ihrem westlichen Lebenswandel hatte eine junge Libanesin ihre Familie | |
> erzürnt. Sie musste sterben. Nach dem Urteil gingen Angehörige im | |
> Gerichtssaal aufeinander los. | |
Bild: Die Angeklagten, Mutter Aziza R. (l.) und ein Onkel des Opfers, Hussain K… | |
HAGEN dpa | Mit einem Tumult im Gerichtssaal ist ein Prozess um den | |
sogenannten Ehrenmord an einer 20-jährigen Libanesin zu Ende gegangen. Das | |
Schwurgericht in Hagen, Nordrhein-Westfalen, verurteilte am Montag einen | |
Onkel und einen Bruder des Opfers zu langen Haftstrafen. | |
Mitglieder der inzwischen offensichtlich verfeindeten Zweige des | |
syrisch-libanesischen Clans warfen darauf mit Stühlen und Schuhen, spuckten | |
sich an und beschimpften sich gegenseitig. Erst nach mehreren Minuten | |
hatten Wachtmeister die Lage unter Kontrolle. | |
Der Onkel erhielt eine lebenslange Haftstrafe, der zur Tatzeit im Jahr 2008 | |
erst 16 Jahre alte Bruder wurde zu einer Jugendstrafe von sechseinhalb | |
Jahren verurteilt. Beide waren nach Einschätzung des Gerichts von einem | |
„übersteigerten Ehrgefühl“ besessen. | |
Mit dem Mord habe die zerstörte Familienehre wieder hergestellt werden | |
sollen. Die junge Libanesin liebte es auszugehen. Sie hatte Freunde, wollte | |
einen Beruf ergreifen und auf eigenen Füßen stehen. Genau das aber wurde in | |
ihrer Familie bei Frauen nicht geduldet. Das Mädchen war im August 2008 auf | |
einem Autobahnparkplatz umgebracht worden. | |
Dass auch die Mutter des Opfers in die Mordpläne eingeweiht war, konnten | |
die Richter nicht feststellen. In der Anklage hatte es ursprünglich | |
geheißen, die Mutter habe ihre Tochter am Abend vor der Tat telefonisch in | |
die elterliche Wohnung nach Schwerte gelockt und damit die Bluttat erst | |
ermöglicht. | |
„Das war aber sicher nicht so“, sagte die Richterin. Für die Kammer stehe | |
vielmehr fest, dass der Bruder den verhängnisvollen Anruf getätigt hatte. | |
Der 16-Jährige habe sich nach dem Tod des Vaters als neues Oberhaupt dieses | |
Familienzweiges hervortun wollen. | |
Freigesprochen wurde die Mutter jedoch nicht. Sie muss eine Geldstrafe von | |
1.500 Euro zahlen, weil sie in einem früheren Prozess gelogen hatte. Damals | |
war schon ein Cousin der Libanesin wegen Mordes zu 14 Jahren Haft | |
verurteilt worden. | |
Einen Freispruch erhielt jetzt aber ein weiterer Onkel des Opfers. Ihm sei | |
nicht nachzuweisen, dass er für die Auswahl des Tatorts verantwortlich | |
gewesen sei, entschieden die Richter. | |
15 Jul 2013 | |
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