| # taz.de -- Neues Album der Pet Shop Boys: Überführung ins Spätwerk | |
| > Die Pet Shop Boys haben den inneren Bolschewiken entdeckt. Ihr neues | |
| > Album hat gerade soviel Kick, um nicht nach Selbstparodie zu klingen. | |
| Bild: Tick tack, der Zahn der Zeit, jeder Mensch tickt wie ein Uhrwerk und so w… | |
| Es ist eine Crux mit dem Neoliberalismus. Vollkommen diskreditiert wankt er | |
| wie ein lebender Toter durch die Gegenwart, Arm im Arm mit der untoten | |
| Hülle seines vom Fleisch gefallenen Begleiters, dem Protestsong. | |
| Und zu allem Überfluss haben jetzt auch noch die Ästheten der Pet Shop Boys | |
| den inneren Bolschewiken entdeckt. „Bolshy, Bolshy-O“ singen sie verzückt | |
| auf ihrem neuen Album „Electric“ und schieben ein paar Vocodertöne auf | |
| Russisch nach. Live lassen sie rotgekleidete Tänzer mit der Eleganz | |
| maoistischer Militärballette vor einem fünf Meter hohen Porträt von Karl | |
| Marx tanzen, während Sänger Neil Tennant die alten Marx-Ausgaben zur Hand | |
| nimmt, um darüber zu sinnieren, dass die Boni der Banker vielleicht doch zu | |
| hoch sind. | |
| Und die Liebe? Die ist nichts als ein bourgeoises Konstrukt, ein „Irrtum“. | |
| Was ist denn da passiert? Haben sich Neil Tennant und Chris Lowe mit | |
| Immobilien verspekuliert und geben nun, da die Rente nicht mehr sicher ist, | |
| die verspäteten Kapitalismuskritiker mit Hang zur Polyamorie? | |
| Die Pet Shop Boys als Leithammel des revolutionären Kreativproletariats? | |
| Bevor jetzt jemand „Salonbolschewismus“ ruft – daran ist nichts verkehrt. | |
| Schließlich hat man im Salon in der Regel bessere Ideen als am Laptop. | |
| Problematisch ist dagegen, dass der Salon der Pet Shop Boys ein wenig zu | |
| vorhersehbar eingerichtet ist. | |
| ## Neuer Produzent, aber nicht viel passiert | |
| Denn musikalisch passiert auf „Electric“ nicht sonderlich viel. Sicher, die | |
| Pet Shop Boys haben jetzt ein eigenes Label und einen neuen Produzenten. | |
| Der heißt Stuart Price und hat Madonna Mitte der nuller Jahre mal mit einem | |
| Abba-Sample für ihre Single „Hung Up“ in die sicheren Gewässer des | |
| Spätwerks überführt. Und damit ist Price genau der Richtige für die Pet | |
| Shop Boys. Denn er gibt ihrem Spätwerk den alles entscheidenden Kick, um es | |
| nach Spätwerk und nicht nach Selbstparodie klingen zu lassen. | |
| Erstaunlich ist es schon, wie wenig sich in 30 Jahren Pet Shop Boys getan | |
| hat. „Electric“ ist ein sauber produziertes Album, dessen Sounddesign aus | |
| den Presets alter PSB-Platten aus den späten Achtzigern und frühen | |
| Neunzigern besteht. Das ist weniger nostalgisch oder gar melancholisch, | |
| sondern Popmusik mit dem Anspruch an Zeitlosigkeit. | |
| Die Pet Shop Boys sind für den Zitatpop das, was die Rolling Stones für den | |
| Rock darstellen. Man redet über ihr Lebenswerk, sortiert in Früh- und | |
| Spätphase, und ist erstaunt darüber, dass sie so gut gealtert sind. Nur | |
| überrascht werden möchte man dann eigentlich doch nicht. | |
| Und so erinnern Showelemente, Marx-Zitate und Songarrangements auf | |
| „Electric“ eher an die Strebsamkeit, mit der Kunststudenten die | |
| Diskursmaschine bedienen, nur um dann am Ende doch bei relativ schnöder | |
| Malerei zu landen. Das Ziel hier wie dort: die Rezeption im Vorhinein | |
| möglichst gut absichern und das Risiko beim Einsatz kulturellen Kapitals | |
| minimieren. Oder weniger salonsoziologisch gesagt: „Electric“ ist ein | |
| richtig langweiliges Album. | |
| 19 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Werthschulte | |
| ## TAGS | |
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