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# taz.de -- Anke Engelke über ihre neue Show: „Ich hasse ungern, ich liebe l…
> Anke Engelke über Fansein, selbstbesoffene Kollegen, ihre Liebe zur
> Schreibmaschine und ihre neue Kulturshow „Anke hat Zeit“.
Bild: „Ich mag es, bei vollem Bewusstsein fehler zu machen."
Anke Engelke: Oh, ein Aufnahmegerät mit Kassette. Wie altmodisch. Wie
schön. Ich bin ja Schreibmaschinenfan. Manchmal benutze ich die
Schreibmaschine meiner Tochter, um damit Briefe zu schreiben.
sonntaz: Was mögen Sie daran?
Wenn das Farbband langsam schwächelt und ich mich vertippe und das dann
durchstreiche. Ich mag es, bei vollem Bewusstsein Fehler zu machen. Und
schon sind wir bei meiner neuen Sendung.
Weil Sie bei der Premiere viele Fehler gemacht haben?
Nein. Weil es mir Freude macht, Dinge geschehen zu lassen. Fernsehen ist
mir zu überformatiert, zu wenig offen dafür, Prozesse zu zeigen, das
Entstehen von Momenten, von Stimmungen.
Aber sollte das Fernsehen auch bewusst Misslungenes senden?
Hin und wieder schon, aber man sollte das nicht kultivieren. Denn damit
würde man ja den Dilettantismus feiern. Das interessiert mich überhaupt
nicht. Dafür bin ich zu wenig bildende Künstlerin.
In der ersten Sendung Ihrer WDR-Kulturshow „Anke hat Zeit“ fragen Sie die
Sängerin Lianne La Havas nach dem älteren Herrn, den sie besingt. Es stellt
sich heraus, dass die beiden schon lange kein Paar mehr sind. War Ihnen
Ihre mangelnde Vorbereitung nicht peinlich?
Nö, fand ich super.
„Anke hat Zeit“ wirkt recht improvisiert und ist damit das Gegenteil von
den durchgeskripteten Veranstaltungen des Eurovision Song Contest, die Sie
moderiert haben. Was liegt Ihnen mehr?
Beides hat seinen eigenen Reiz. Es ist aber nicht so, dass ich bei „Anke
hat Zeit“ komplett unvorbereitet wäre. Lianne La Havas’ Musik verfolge ich
privat schon eine ganze Weile, und das Buch von Markus Gabriel …
… dem jüngsten Philosophieprofessor Deutschlands …
… habe ich zusätzlich zu dem Dossier, das ich über jeden Gast bekomme,
natürlich auch gelesen, um nachvollziehen zu können, warum die Redaktion
den so spannend findet. Das grenzte schon fast an Übervorbereitung – mit
der Gefahr, dass man nicht mehr naiv, neugierig und offen genug fragt.
Der Reiz beim ESC-Vorentscheid und noch mehr beim ESC in Düsseldorf war
eher ein sportlicher. Der Abend war sekundengenau durchgetaktet – schon
allein deshalb, weil ein Teil der angeschlossenen Sender Werbepausen hat.
Dieser Perfektionismus erzeugt einen großen Druck, auf den ich aber sehr
stehe.
Hat „Anke hat Zeit“ Sie auch gereizt, weil Sie darin den Fan in sich
rauslassen dürfen?
Zunächst mal sind mir die Leute wichtig, mit denen ich zusammenarbeite:
Finde ich die geil? Aber natürlich macht es Spaß, Gäste vorzustellen, deren
Arbeit ich auch privat schätze. Oder die Redaktion. Dann haben die
Zuschauer und ich die Wahl: Werden wir in der Sendung auch zu Fans – oder
nicht?
Sie halten aber keine CDs in die Kamera.
Ganz bewusst nicht. „Anke hat Zeit“ ist eine werbefreie Sendung, mal
abgesehen von der Darstellung des Selbst. Wir wollen keine Werbeplattform
sein für Dinge, sondern für Menschen.
Sie sind bekannt für Ihre kritische Haltung dem eigenen Medium gegenüber.
Dem Zeit-Magazin sagten Sie kürzlich, dass Fernsehen „eigentlich dumm“ sei.
Wie oft wurden Sie für dieses Statement schon gerügt?
Das muss mir keiner sagen. Ich stelle mir ja selbst oft die Frage, wie
jemand, der das Fernsehen so runtermacht, sein Geld damit verdienen kann.
Und Ihre Antwort?
Das ist möglich, wenn daraus der Antrieb erwächst, besseres Fernsehen zu
machen. Mein Part in der „Sendung mit dem Elefanten“ zum Beispiel ist aus
meiner Unzufriedenheit mit dem Kinderfernsehen entstanden.
Sie haben auch gesagt, dass Sie nicht wollen, dass man das Fernsehen
wichtig nimmt.
Ich stelle mich gern in der Reihe derer hinten an, die die
Selbstbesoffenheit der Branche kritisieren. Ich mag meinen Beruf extrem –
aber was wäre, wenn das Fernsehen morgen plötzlich nicht mehr ginge? Wie
schön wäre dann weiterhin die Welt, vielleicht sogar noch schöner!
Fakt ist doch, dass es viele Sendungen gibt, die Unfug sind und ein
Weltbild propagieren, das ich nicht gutheiße. Ich glaube, dass ein
Fernseher, der fünf Stunden am Tag läuft, Zeit und Energie raubt. Ich
glaube, dass Menschen stumpf werden.
Haben Sie ein Hassformat?
Ich hasse ungern, ich liebe lieber.
Was ist liebenswert am deutschen Fernsehen?
Sendungen, die funkeln und innovativ sind, die Energie haben. Sendungen,
die gemacht werden von Menschen, die mit Leidenschaft etwas vermitteln
wollen. Dass ich diese Sendungen dann nicht gucke, ist schade, weil ich so
eine Mitschuld trage, wenn diese Sendungen abgesetzt werden, weil die
Quoten nicht stimmen.
Wie viel gucken Sie überhaupt?
Nicht viel. Ich kann nicht gut sitzen und schauen. Ich kann gut ins Kino
gehen – das mache ich dreimal die Woche –, ich gehe auch gern in Konzerte
und ins Theater, aber ich kann nicht zu Hause sitzen. Zu Hause lebe ich
doch!
Da koche ich, da quatsche ich, da spiele ich, da bumse ich, da mach ich
Sachen, da wasch ich Wäsche. Es gibt aber Fernsehsendungen, bei denen ich
mich ärgere, dass ich sie regelmäßig verpasse. Ich wünschte, ich würde mehr
Harald Schmidt gucken.
Sind Sie denn Sky-Abonnentin?
Ich glaube, mein Mann ist das. Wenn der Motorrad guckt, hat der dann Sky?
Das läuft auch bei Eurosport und Sport1.
Diese ganze Sucherei ist mir schon zu lästig. Ich bin keine Zapperin. Wenn
ich schaue, dann gezielt. Ich freue mich zum Beispiel, wenn ich nach den
„Tagesthemen“ und „TTT“ noch fit genug bin für „Druckfrisch“.
Auch „Anke hat Zeit“ spricht ja Kulturinteressierte an, die eine solche
Sendung sehen, wie sie das Feuilleton in der Zeitung lesen. Ich würde mich
freuen, wenn sich möglichst viele Zuschauer auf diese Wundertüte einließen.
Das Prinzip Ihrer Sendung ist wie Zeitunglesen im Urlaub, wenn man Dinge
liest, die man sonst überblättert hätte?
Genau. Ich möchte die Zuschauer dazu einladen, Entdeckungen zu machen. Ich
mag Ah- und Oh-Effekte sehr gern. Das ist der rote Faden durch meine ganze
Arbeit: bei der „Sendung mit dem Elefanten“ genauso wie bei „Ladykracher�…
und wenn ich die Marge bei den „Simpsons“ synchronisiere.
Ein Sketch etwa ist gelungen, wenn der Zuschauer sich wegdreht und denkt,
autsch, das bin ja ich. Oder: Das ist mein Partner. Oder: Das ist mein
Kind. Zu sehen, wie meisterlich die Macher der „Simpsons“ Zeit- und
Gesellschaftskritik in die Folgen einweben, ist die reine Freude.
Ich wünschte, ich würde mehr „Simpsons“ gucken. Aber dafür bräuchte ich
Zeit. So nebenbei kann ich das nicht. Bekiffte Teenies und Kinder fauler
Eltern können das vielleicht. Ich kann mich nicht berieseln lassen. Für
mich ist Fernsehen anstrengend, weil es die Sinne so beansprucht.
Was ist mit den überall gefeierten neuen US-Serien?
Nichts gesehen.
Aber gibt es nicht Kollegen, die Ihnen sagen: Anke, das musst du gucken?
Klar, die schenken mir DVDs.
Und dann?
Frage ich, ob ich die weiterverschenken darf.
Im Gegensatz zu vielen Kollegen nerven Sie nicht durch Omnipräsenz. Wie
schafft man das?
Ich habe das nicht wirklich im Griff. Obwohl ich ein totaler Kontrollfreak
bin. Wann Projekte ausgestrahlt werden, an denen ich beteiligt war, liegt
ja nicht in meiner Hand. Wenn sich das ballt, nervt es natürlich. Das geht
mir selbst genauso, wenn ich irgendwelche Fressen dauernd sehen muss.
Insofern war der Monat auf dem Cover von DB Mobil die Hölle für mich als
BahnCard-Inhaberin.
Man kann nur begrenzt entscheiden, sich rar zu machen?
Nein, das wäre mir zu einfach gedacht. Es ist meine freie Entscheidung, ob
ich in irgendein Mikro eine Station-ID spreche, irgend so ein „Inge am
Morgen – nullomat Sorgen!“ oder eben nicht.
Auch meine Weigerung, mich etwa nach einer Lesung mit Roger Willemsen
einzeln und damit aus diesem Kontext herausgelöst fotografieren zu lassen,
wird mir immer seltener übel genommen. Das Bewusstsein dafür scheint zu
wachsen, dass wir Showfritzen sonst eine Präsenz bekommen, die nicht mehr
kontrollierbar ist.
Sind Sie nicht manchmal auch von der Angst getrieben, plötzlich nicht mehr
gefragt zu sein?
Nie. Dann käme ich mir mickrig vor und armselig, wie auf dem
Showgeschäft-Strich. Ich möchte hier keinen Berufsstand diskreditieren,
eventuell gibt es positive Aspekte der Prostitution, die mir nicht bekannt
sind. Aber ich würde durchdrehen, wenn ich davon abhängig wäre, wichtig
genug zu sein, um auf irgendwelche Partys eingeladen zu werden.
Wenn ich Kollegen sehe, für die ihre Show der Lebensinhalt ist, macht mich
das traurig. Die geben Interviews, gehen über den roten Teppich, sind
überall. Und wenn Sie nach Hause kommen, dann fällt erst die Klamotte ab,
dann das Fleisch, übrig bleibt das Skelett, und die Seele, ich weiß gar
nicht, wo die dann ist.
27 Jul 2013
## AUTOREN
David Denk
Jürn Kurse
## TAGS
WDR
Fernsehen
Komödie
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