# taz.de -- Kommentar koffertragende Flüchtlinge: Empörung wirkt, Empörung s… | |
> Sieg für den Antirassismus: Die Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd sind | |
> wieder ohne Trinkgeld. Das Problem ist der Mangel an kapitalistischer | |
> Ausbeutung. | |
Bild: Wer als armer Schlucker in ein fremdes Land kommt und bleiben darf, hat s… | |
Professionelle Ausländerschutzbeauftragte, die fast täglich neue | |
„Rassismen“ entdecken, aber keinen Schimmer von Klassenverhältnissen haben, | |
denen die eigene Empörung ein libidinöser Zeitvertreib wie Mittel zu | |
merkantilen Zwecken ist, hatten dieser Tage einen 1-A-Grund zur Empörung: | |
Für einen Stundenlohn von 1,05 Euro hatte die Stadtverwaltung von | |
Schwäbisch Gmünd [1][Asylbewerber als Gepäckträger angestellt]. | |
Nach allerlei Empörung („Schweinerei“, „Sklaverei“) wurde die Sache wi… | |
beendet. Die Flüchtlinge, die sich freiwillig gemeldet hatten, sind ihr | |
Trinkgeld wieder los (und darüber [2][offenbar nicht erfreut]); der | |
Antirassismus hat gesiegt. | |
Und ja, es klingt hässlich, wenn eine Stadtverwaltung Flüchtlinge als | |
Kofferneger beschäftigt und dies als Beitrag zur „Integration“ anpreist. | |
Der eigentliche Skandal aber sind die Verhältnisse, die Menschen dazu | |
nötigen, für so einen Hungerlohn zu arbeiten: das | |
„Asylbewerberleistungsgesetz“ etwa, dem zufolge Flüchtlinge anfangs nicht | |
arbeiten und später höchstens exakt 1,05 Euro verdienen dürfen. Oder die | |
„Residenzpflicht“, die Menschen an Käffer wie dieses Schwäbisch Gmünd | |
kettet. Das Problem ist also nicht, dass Flüchtlinge der kapitalistischen | |
Ausbeutung unterworfen sind, sondern dass sie davon ausgeschlossen sind. | |
Doch selbst ohne derlei Sondergesetze ist Einwanderung meist kein | |
Vergnügen. Wer als armer Schlucker in ein fremdes Land kommt und bleiben | |
darf, hat selten mehr zu erwarten als wenig Geld für harte Arbeit. | |
(Übrigens oft genug in der Onkelökonomie, also in irgendwelchen | |
Dönerklitschen, in denen zuweilen Zustände herrschen, die noch McDonald’s | |
als gewerkschaftlichen Musterbetrieb erscheinen lassen.) | |
Am Ende ist ein bescheidener Wohlstand vielleicht, ein krummer Rücken | |
ziemlich sicher drin. Und vielleicht haben es die Kinder ja später besser – | |
ein Wunsch freilich, der sich hierzulande seltener erfüllt als andernorts, | |
weil das klassische Instrument hierfür, nämlich die Bildung, in hohem Maße | |
von der Klassenzugehörigkeit der Eltern abhängt. | |
Für die Karrieren anderer aber ist der Ausländerschutzbeauftragte nicht | |
zuständig. Er muss sich um die eigene kümmern. Darum wird, jede Wette, die | |
Sache mit den Kofferkullis bald in Anträgen für Projektgelder und | |
Promotionsstipendien auftauchen. Denn um Jobs geht's auch in der | |
Empörungsindustrie. Die werden zwar nicht fürstlich bezahlt. Aber doch | |
besser als mit 1,05 Euro. | |
26 Jul 2013 | |
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[1] /!120624/ | |
[2] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.koffertraeger-projekt-fluechtlinge… | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
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