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# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Unter Freunden
> Das Mittelmeer ist nicht mehr schön, Gastfreundschaft stresst und der
> Händler verkauft nicht mehr mit Herz.
Bild: Damals als Saint Tropez noch ein kleines Dorf, Brigitte Bardot schön und…
Noch Anfang der siebziger Jahre, erzählte mir ein Antiquitätenhändler auf
der tunesischen Ferieninsel Djerba, gab es persönliche Beziehungen zu den
Gästen. Viele Familien kamen immer wieder, man interessierte sich
füreinander, freundete sich an. Damals, als das Mittelmeer noch schön,
unverbaut und plastikfrei, die Tourismusindustrie klein und überschaubar
war.
Urlauber wurden nach Hause eingeladen, erzählt er. Sie brachten Geschenke
mit. War jemand sympathisch, bekam er die Ware in der Medina manchmal zum
halben Preis oder fast geschenkt. Beim nächsten oder übernächsten Kunden
wurden dafür locker 150 Prozent draufgeschlagen. Verkaufen mit Herz nennt
er das.
Verkaufen mit Herz ist heute wieder Trend. Eine Verkaufsstrategie auch bei
Veranstaltern mit Gefühlswert, Cause-Related-Marketing (zweckgebundenes
Marketing) genannt. Eine absatzfördernde Maßnahme, die sich gleichzeitig
einem guten Zweck widmet durch embedded oder painless giving (eingebettetes
oder schmerzfreies Geben). So unterstützten Urlauber mit dem Kauf eines
Urlaubspakets gleichzeitig Aufforstung in Nepal, Schulen in Indien oder die
Ausbildung von Frauen in Tunesien. Das Gefühl ist hier nicht spontan,
direkt, persönlich. Aber es schwingt als emotionaler Mehrwert im
geläuterten, ethisch hochwertigen Produkt mit. Gute Gefühle sind käuflich.
Ich hol` sie mir.
Kostenlose Gastfreundschaft hingegen ist mir inzwischen suspekt, zumindest
beim Reisen. Ich will nicht zum Kaffee bei Fremden eingeladen werden, nicht
zum Tee im Teppichgeschäft, nicht zum Töpfegucken bei Einheimischen. Weil
ich nicht weiß, wie ich mich revanchieren soll, welche Erwartungen an mich
gestellt werden. Ich will klare Verhältnisse, bezahlte Dienstleistung. Der
Sinn in den Gebräuchen der Gastfreundschaft ist, das Feindliche im Fremden
zu lähmen, meinte Nietzsche. Der Sinn bezahlter Gastfreundschaft in
Tourismus ist, das Unfreundliche beim Gastgeber zu zähmen. Gekaufte unechte
Freundlichkeit ist allemal besser als echte Unfreundlichkeit. Schöne
Ferien!
27 Jul 2013
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Gastfreundschaft
Tourismus
Mumbai
Autobahn
Oman
Asien
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