# taz.de -- Asyl: Maulwurf im Bezirksamt | |
> Die Bürgerinitiative gegen ein Flüchtlingsheim in Hellersdorf wird | |
> offenbar von Insidern mit Informationen versorgt. Träger und Land | |
> dementieren, der Bezirk schweigt. | |
Bild: In dieser ehemaligen Schule in Hellersdorf soll ein Flüchtlingsheim ents… | |
Die umstrittene „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“, die Stimmung gegen | |
das geplante Asylbewerberheim macht, kann auf Insiderwissen aus Ämtern | |
zurückgreifen. So meldete die Initiative bereits am vergangenen Montag auf | |
ihrer Facebook-Seite einen Baustopp auf der Baustelle. Grund sollte ein in | |
Auftrag gegebenes Statikgutachten sein. Erst eineinhalb Tage später, am | |
Nachmittag des Dienstag der vergangenen Woche, gab es dafür von den | |
Behörden eine offizielle Bestätigung. Der entsprechende Facebook-Beitrag | |
wurde inzwischen gelöscht. Wie kam eine vom Bürgerinitiative, für die der | |
Verfassungsschutz sich interessiert, zu so exklusivem Wissen? Hat sie einen | |
Maulwurf in den Behörden? Muss sie wohl, denn mittlerweile verkündete die | |
Bürgerinitiative Details zum Stand der Bauarbeiten („nicht mal die Fußböden | |
sind gelegt“, „Fenster und Türen aus DDR-Beständen. Da sind die Dichtungen | |
vergammelt“) und zur Person des Bauleiters. All diese Informationen sind | |
nur einem kleinen Kreis von Insidern bekannt: Infrage kommen | |
MitarbeiterInnen des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), des | |
Bezirksamtes von Marzahn-Hellersdorf und des Trägers des Flüchtlingsheims | |
PeWoBe. Für den Träger weist Projektleiter Michael Grunewald den Verdacht | |
zurück: „Wir haben definitiv keinen Maulwurf. Wir beschäftigen sehr wenige | |
Mitarbeiter und für die lege ich meine Hand ins Feuer.“ Auch das Lageso | |
dementiert. Sprecher Jörn Hube: „Wir haben es nicht zum ersten Mal mit | |
Bürgerprotesten gegen neue Asylbewerberheime zu tun. Bisher gab es in | |
unserem Amt nie eine undichte Stelle.“ Beim Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf | |
hingegen war weder am Donnerstag noch am Freitag jemand für ein offizielles | |
Statement für die taz zu erreichen. | |
Inoffiziell allerdings schon: Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will, | |
spricht von einer „Kollegin aus dem Bauamt“, die für die Bürgerinitiative | |
arbeiten soll. „Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Baustopp | |
letzte Woche zustande kam“, sagt er. Der Baustopp sorgt für großes | |
Unverständnis beim Lageso, das dafür zuständig ist, Flüchtlinge | |
unterzubringen. | |
Die anonym agierende Bürgerinitiative gibt auf ihrer Facebook-Seite selbst | |
an, dass ein „Mitarbeiter im Bezirksamt“ und sogar ein Polizist bei ihnen | |
mitmache. Das wäre nicht problematisch, so lange er oder sie das in der | |
Freizeit tut. Versorgt er oder sie hingegen Mitstreiter mit amtsinternem | |
Wissen oder torpediert die von der politischen Ebene des Bezirkamtes | |
gewollte Inbetriebnahme des Flüchtlingsheimes, wäre das ein klarer Verstoß | |
gegen das Arbeitsrecht. Aktuell schreibt die Bürgerinitiative den Baustopp | |
und das in Auftrag gegebene Statikgutachten ihrem Druck zu. „Ohne die große | |
Öffentlichkeitsarbeit, wäre nie so ein Druck auf dieses Projekt ausgelöst | |
worden und wahrscheinlich würden nun schon die ersten Flüchtlinge die | |
Unterkunft beziehen“, heißt es bei Facebook. Man feiert, die erste Etappe | |
erreicht zu haben und will weiter das Asylheim verhindern. Und dabei gibt | |
man sich siegessicher. „Über den Trick des Baugutachtens, das dann sicher | |
keine Unterbringung von Asylanten erlaubt, können die Berliner | |
PolitikerInnen ihr Gesicht wahren und verhindern, einen erfolgreichen | |
Protestfall gegen ein Asylantenheim zu schaffen, der dann deutschlandweit | |
Schule machen könnte“, schreibt ein Kommentator. | |
Das der Standort des Heims tatsächlich infrage steht, wird offiziell von | |
allen Seiten dementiert. Lageso-Sprecher Hube sagt: „Wir benötigen die | |
Plätze, um syrische Kontingentflüchtlinge und Asylbewerber unterzubringen | |
und sind uns mit dem Bezirk politisch einig, den Bau voranzutreiben.“ SPD, | |
Linke, CDU, Grüne, Piraten und FDP im Bezirk haben eine gemeinsame | |
Erklärung unterschrieben, in der sie sich zu dem Standort bekennen. Ob | |
Mitarbeiter des Bezirksamtes das gemeinsam mit einer fragwürdigen | |
Bürgerinitiative verhindern, wird sich zeigen. Unterdessen haben Samstag | |
gut 70 Vertreter der Bürgerinitiative „Hellersdorf hilft Asylbewerbern“ | |
Kreideschmierereien vor Ort beseitigt. Rund um die Baustelle des | |
Flüchtlingsheims gab es zahlreiche Sprüche wie etwa „Nein zum Heim“. Mit | |
Wassereimern, Besen und Schwämmen bewaffnet wollten die Anwohner „das | |
Kreidezeitalter beenden und das Zeitalter der Solidarität mit Flüchtlingen | |
einläuten“, sagt Sprecher Eugen Traud der taz. Sie verteilten zudem Flyer | |
und kamen mit Bürgern ins Gespräch. Die Reaktionen der Anwohner seien | |
unterschiedlich gewesen, sagt Traud. Neben großem Interesse erlebten die | |
Mitglieder der Pro-Heim-Initiative auch „rassistische Beschimpfungen“. | |
28 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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