# taz.de -- Pop: Der Soundtrack für die neue Feier | |
> Bei Moderat weiß man genau, welche Knöpfchen man drücken muss sowohl für | |
> eine exzessive Feierlaune als auch für atmosphärisch knisternde | |
> Electronica. | |
Bild: Auf dem neuen Album dieser Jungs tröpfeln die Beats bisweilen sanft wie … | |
Folgt man dem Klischee, gibt es genau zwei Produzenten elektronischer | |
Musik. Der eine ist ein Bastlernerd, der in seinem Wohnzimmer an | |
vertrackten Beats und fantasievollen Klanglandschaften schraubt. Der andere | |
ein Partytier, das nach einer DJ-Nacht im Hotelzimmer noch schnell einen | |
endorphingedopten Bumbum-Track programmiert. So selten diese beiden sich | |
diametral gegenüberstehenden Modelle tatsächlich in Reinform anzutreffen | |
sind, so passgenau finden sie doch in Moderat zusammen. | |
Diese Verschmelzung ist nicht nur eine personelle. Auf ihrem neuen Album | |
gelingt es Moderat, dem supergroupartigen Zusammenschluss des noch jedes | |
Festival in Feierlaune rockenden Duos Modeselektor mit dem vergleichsweise | |
zurückhaltenden Produzentenkollegen Apparat, auch musikalisch den | |
vielleicht nur scheinbaren Widerspruch zu versöhnen. | |
Schlicht „II“ hat das Trio sein zweites Werk getauft, das am Freitag | |
erscheinen wird und von dem man durchaus sagen kann, dass es nach dem | |
großen Erfolg des Debüts vor vier Jahren sehnsüchtig erwartet worden war. | |
Aus den römischen Ziffern spricht auch ein gewisses Selbstbewusstsein, für | |
das die drei Berliner ihre guten Gründe haben. Sebastian Szary und Gernot | |
Bronsert haben sich als Modeselektor vor allem im Ausland einen | |
mittlerweile legendären Ruf erspielt, schon Remixe für Björk gefertigt und | |
für Radiohead so erfolgreich den Einheizer gegeben, dass sich deren Sänger | |
Thom Yorke als Fan outete und immer wieder für Kooperationen zur Verfügung | |
stand. Sascha Ring, der unter seinem Pseudonym Apparat und mit | |
melancholischen Soundskulpturen zum Liebling der Kritiker wurde, hatte | |
vorher das legendäre Label Shitkatapult mitgegründet und mit seiner Band | |
die Lücke zwischen Song und Track geschlossen. | |
## Klientelarbeit im Einklang | |
Sie alle bei Moderat wissen also, welche Knöpfchen man drücken muss, um die | |
jeweils eigene Klientel zu begeistern. Das Großartige an „II“ ist, wie es | |
ihnen gelingt, diese unterschiedlichen Ansätze in Einklang zu bringen. Das | |
war nicht immer so: Schließlich gab es bereits 2002 einen ersten Versuch | |
der drei Freunde für eine Zusammenarbeit, der aber plattenlos wieder | |
abgebrochen wurde. Als sie dann wieder zusammengefunden hatten und 2009 | |
„Moderat“ erschien, standen die beiden Ideen – der bisweilen ins Exzessive | |
lappende Feierwille von Modeselektor und die knisternde Electronica von | |
Apparat – bisweilen noch zusammenhanglos nebeneinander oder entwickelten | |
sogar einen durchaus reizvollen Kontrast. | |
Diese Reibung ist auf „II“ nun beinahe völlig verschwunden. Stattdessen ist | |
eine musikalische Zwischenwelt mit Platz für das Beste aus beiden Seiten | |
entstanden. Die Beats tröpfeln sanft wie ein Sommerregen, können aber auch | |
eine erstaunliche Kraft entwickeln, bevor sie dann verschwinden, um Platz | |
für reine Atmosphäre zu schaffen. | |
„Das ist eine Ü-30-Party“, hatte Bronsert schon anlässlich des Debütalbu… | |
frohgemut verkündet. Diese Aussage beinhaltete, dass die alte Party zwar | |
vielleicht vorbei ist, dafür aber eine neue begonnen hat. Und Bronserts | |
Einschätzung gilt erst recht für „II“. Die Stimmung ist lange nicht so | |
schweißtreibend wie während eines Modeselektor-Auftritts, aber eben auch | |
weit aufgeräumter als in den Songs, die Sascha Ring sonst schreibt, singt | |
und aufnimmt. | |
Seine Stimme kommt weiterhin nur auf einigen der elf neuen Tracks zum | |
Einsatz, nimmt aber eindeutig eine größere Rolle ein. Vor allem in „Bad | |
Kingdom“ hat sie einen großen Auftritt: Ring beweist, dass auf seinen | |
Stimmbändern auch der Soul zu Hause ist, während die Sequenzer gemütlich | |
rattern und ein seltsames Quietschen dann doch verhindert, dass sich der | |
Hörer allzu wohlig einrichtet in der Popseligkeit. | |
Wenige Minuten später erscheint in „Therapy“ die Stimme dann nur als ein im | |
Computer modifizierter Fetzen, als geisterhaftes Wesen, als schemenhafte | |
Erinnerung an den klassischen Soul. Man spürt die Vergänglichkeit des | |
Moments, eine Gewissheit, die elektronische Musik bis heute immer noch | |
allzu oft und allzu gern verweigert. Darüber sind der 35-jährige Ring und | |
die beiden Familienväter Szary und Bronsert hinweg. Sie können gut damit | |
leben, dass die eine Party vorbei ist. „II“ ist der Soundtrack für die neue | |
Feier. | |
30 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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