# taz.de -- Sommer-Serie „Geschmackssache“: Brau und furz, das Leben ist ku… | |
> Die Biere der großen Brauereien ähneln sich immer mehr, sagt Achim Rogg. | |
> Sein Bier reift länger. Der Brauer jedoch bewegt sich recht zügig. | |
Bild: Exbraumeister Hermann Steinhauser liebt das eigene Bier und macht heute n… | |
LENZKIRCH taz | Ist man mit Achim Rogg unterwegs, ist Eile angesagt. Damit | |
andere bei einem kühlen Bier den Herrgott einen guten Mann sein lassen | |
können, legt der 42-jährige, hochgewachsene Mann ein Tempo an den Tag, dass | |
einem schwindlig werden kann, ohne auch nur einen Tropfen angerührt zu | |
haben. „Gschwind“ hat er immer etwas zu erledigen. Achim Rogg ist | |
Bierbrauer. Weil er vom Bier allein kaum leben könnte, tanzt er auf | |
mehreren Hochzeiten. | |
Morgens um neun schnappt er sich im Verkaufsladen für die Urlauber gschwind | |
eine Wurstsemmel und dreht mit großen Schritten eine Kontrollrunde über das | |
drei Hektar große Brauereigelände. Es geht vorbei an einem Hallenbad mit | |
Solardach, den Wiesenweg Fuchsgasse entlang zu dem idyllischen Campingplatz | |
an einem Weiher, in dem die Pflanzen die Reinigung übernehmen und in den er | |
gerne springt, wenn die Sonne untergeht. | |
Noch steht sie hoch, also geht’s nach einem Blick auf das Blesshuhn | |
gschwind weiter, vorbei an einem Backofen im Freien, in dem seine Frau | |
regelmäßig Brot und Hefezöpfe backt, vorbei an einer Wiese mit Angusrindern | |
und einem Solarwindrad, das zusammen mit einer Hackschnitzelanlage und | |
einem Blockheizkraftwerk einen Großteil des Stroms liefert. Als auf dem | |
täglichen Inspektionsgang sein Handy klingelt, geht er, gschwind, ran. „Oh, | |
des isch e Kunde.“ | |
Achim Rogg führt die einzige übrig gebliebene Privatbrauerei im Landkreis | |
Breisgau-Hochschwarzwald – von einhundert, die es einmal gegeben hat. Sitz | |
der Brauerei Rogg ist Lenzkirch, ein knapp 5.000 Einwohner zählendes | |
Städtchen 850 Meter über dem Meeresspiegel, in der Nähe von touristischen | |
Zielen wie Titisee und Schluchsee. Nach Andreas Rogg, Franz-Josef Rogg, | |
Ernst Rogg I., Ernst Rogg II. und Ernst Rogg III. verkörpert Achim Rogg die | |
sechste Generation. Er übernahm die Brauerei mit Mitte 30. | |
In Baden-Württemberg gibt es 185 Brauereien, mehr als 90 Prozent sind | |
familiengeführt und konzernunabhängig wie die der Roggs. In ganz | |
Deutschland gibt es 1.339 Brauereien, auch hier sind 90 Prozent privat. | |
## Sieben Sorten | |
Den Anfang in Lenzkirch machte ein Frachtfuhrmann und Brauer, der die | |
Brauerei 1846 gründete. Auch er musste auf mehreren Hochzeiten tanzen, | |
betrieb nebenher Landwirtschaft, machte Heu, führte den Ochsenpflug. Achim | |
Rogg, der an der Technischen Universität München Weihenstephan fünf | |
Semester Brauwesen studiert und ein Diplom erworben hat, schmeißt zusammen | |
mit seiner Familie den Campingplatz und einen Brauereigasthof mit | |
Fremdenzimmern – ein zweiter Gasthof auf dem Gelände ist verpachtet –; es | |
gibt eine Biorinderzucht, eine Schnapsbrennerei, eine Pferdepension und „e | |
bissle“ Forstwirtschaft. | |
Doch das Wichtigste ist das Bier. Sieben verschiedene Sorten braut Achim | |
Rogg. Der Klassiker ist das Lenzkirch Pils, der „Rogg Zipfel“ ist ein | |
feinwürziges und nicht so bitteres Pilsener, das „Lenzkircher Dunkel“ wird | |
nach altem Rezept der zweiten Generation gebraut, es gibt helles | |
Hefeweizen, das die Rogg-Brauerei als eine der ersten in Südbaden vor fast | |
drei Jahrzehnten zu brauen begann, dunkles Hefeweizen, und seit einigen | |
Jahren auch Bio-Landbier und Bio-Hefe-Weisse, die von der TU München | |
Weihenstephan als „Solarbier“ ausgezeichnet wurde. | |
Etwa 5.000 Hektoliter braut die Brauerei Rogg jährlich. Zum Vergleich: | |
Deutschlands größte Brauerei Oettinger produziert pro Jahr 10 Millionen | |
Hektoliter. „Großbrauereien sollen sich ruhig im Konkurrenzkampf aufreiben | |
und meine kleine Brauerei möglicherweise nicht ernst nehmen“, sagt Achim | |
Rogg selbstbewusst. Er hängt es nicht an die große Glocke, aber erwähnen | |
will er schon, dass die Großen bisweilen nicht ohne die Kleinen können. Als | |
die nur zwölf Kilometer entfernte staatliche Rothaus Brauerei einmal | |
dringend Zwickelbier brauchte, unfiltriertes Bier, füllte er dem | |
Braumeister schnell ein Fass ab. | |
## Der Umsatz ist konstant | |
Während die Branche über das Sinken des Bierkonsums klagt, ist der Umsatz | |
in Lenzkirch mehr oder weniger konstant. Die meisten Kunden hat Rogg im | |
Umkreis von 50 Kilometern, 90 Prozent der Lokale im Ort schenken seine | |
Biere aus. „Es muss nicht jeder Gasthof im Ort sein“, sagt Achim Rogg | |
gelassen, „sonst macht man sich kaputt.“ Der mit 70 Hektolitern im Monat | |
größte Abnehmer kommt aus dem Elsass. Rogg betont immer wieder, dass ohne | |
Flexibilität und den familiären Zusammenhalt nichts gehen würde. | |
Seine Mutter arbeitet im Büro, seine Frau Insa, eine gelernte | |
Physiotherapeutin aus Friesland, kümmert sich um den Campingplatz, hilft im | |
Büro und bietet Massagen an, Roggs ältere Schwester, auch | |
Diplombraumeisterin, ist für die Rinderzucht zuständig, ihr Freund, ein | |
Zimmermann, packt an, wo es nötig ist. | |
Als Achim Rogg seine spätere Frau kennenlernte, beeindruckten ihn zuerst | |
die acht Halbe, die sie trank. „Das ist mein Kaliber, die muss ich mir | |
anschauen“, erzählt er lachend im Rückblick. Heute hat das Paar zwei | |
Töchter und einen Sohn, 4, 6 und 8 Jahre alt. „Dass die Brauerei so lange | |
besteht“, sagt die fröhliche, blondhaarige Frau, „liegt auch daran, dass | |
alles so übersichtlich ist und jeder alles sehen kann, was gemacht wird.“ | |
## Lange Brauschicht | |
Eine besondere Art der Kundenbindung ist das Selberbrauen. | |
Stammtischrunden, Kegelvereine, Arbeitskollegen reisen an, um | |
buchenfarbenes Vollbier, Altherrenpils, Weihnachtsbier oder andere | |
Eigenkreationen herzustellen. Die Einträge im Gästebuch zeugen von | |
unvergesslichen Stunden. „Besser als Rothaus, frischer als Jever, goldener | |
als Beck’s, einfach lecker!“, schwärmen Hobbybrauer über ein naturtrübes | |
Pilsner. Die Polizeidirektion Freiburg, Abteilung Wirtschaftskriminalität, | |
hat sich mit einem buchenfarbenen Vollbier mit 11,8 Prozent Stammwürze | |
verewigt. | |
Mitarbeiter einer Firma aus der Nähe des Bodensees wählten einen kernigen | |
Spruch: „Trink, friss, brau und furz, das Leben ist kurz.“ Auch wenn die | |
samstäglichen Kurse in der Hobbybrauanlage zusätzliche Arbeit bedeuten, | |
freut sich Rogg über das große Interesse. „Das ist die beste und billigste | |
Werbung.“ | |
Er selbst braut nur alle zwei Wochen. Seit ein erfahrener Mitarbeiter, der | |
bei ihm gelernt hat, in die Schweiz gegangen ist, hat er noch keinen | |
anderen gefunden, „wo das überblickt“, und so bleiben die Brauschichten | |
derzeit an ihm hängen. Wenn er braut, ist er 24 Stunden auf den Beinen. | |
„Ich mache das gerne. Das ist meine Leidenschaft.“ Führungen übernimmt der | |
pensionierte 72-jährige Braumeister Hermann Steinhauser, der mehr als 30 | |
Jahre bei Roggs gearbeitet hat und – wie viele andere der knapp zwanzig | |
Mitarbeiter – zur Familie gehört. | |
Über Achim Rogg ist er voll des Lobes, als ein kleines Beispiel für dessen | |
Umsicht führt er einen großen Spiegel an der Fabrikwand an, den er statt | |
einer digitalen Überwachungsanlage installiert hat, um die Flaschen bei der | |
Abfüllung kontrollieren zu können. „Der Spiegel ist zehnmal so groß wie der | |
Monitor und optimal“, schwärmt der ehemalige Braumeister. | |
## Klares Quellwasser | |
Die Frage, was seine Biere von anderen unterscheidet, ist für Achim Rogg | |
leicht zu beantworten. „Sie sind vollmundiger und süffiger. Die Biere der | |
großen Brauereien werden immer ähnlicher. Irgendwann bleiben nur noch die | |
Marken.“ Sein Bier reift zudem fünf Wochen. „Nicht sieben Tage wie bei den | |
anderen Herstellern.“ Einen großen Vorteil für seine kleine Brauerei sieht | |
Rogg auch darin, dass die Kunden immer mehr die Regionalität zu schätzen | |
wissen. | |
Der biologische Tettnang-Hopfen kommt aus Friedrichshafen am Bodensee, das | |
Gerstenmalz vom Oberrhein, das Wasser aus einer Quelle im Wald, anderthalb | |
Kilometer von der Brauerei entfernt. Um diese zu verunreinigen, müsste | |
Achim Rogg schon etwas tun, was zu Zeiten der Brauereigründung gang und | |
gäbe war und was in einer Ecke im Brauereigasthof, in dem alte | |
Gerätschaften ausgestellt sind, nachzulesen ist. „Der Herr Bürgermeister | |
gibt bekannt, dass am Mittwoch Bier gebraut wird und deshalb am Dienstag | |
nicht mehr in den Bach geschissen werden darf.“ | |
## Eine Zunft mit wenig Skandalen | |
Während es in der Lebensmittelbranche regelmäßig Skandale gibt, scheint das | |
Reinheitsgebot von 1516 das Bier vor Panschereien zu schützen. Achim Rogg | |
muss lange überlegen, bis ihm „ein Kardinalfehler“ seiner Zunft einfällt, | |
und der geschah in der Zeit vor seinem Studium. Mitte der 80er Jahre gab es | |
staatsanwaltliche Ermittlungen gegen einen Professor aus Weihenstephan | |
wegen des Verdachts der Beihilfe zum Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz. | |
Zur besseren Schaumbildung hatte dieser ein Konservierungsmittel empfohlen, | |
das in anderen Lebensmitteln teilweise zulässig ist. | |
Die Entscheidung, das Familienerbe anzutreten und die Brauerei | |
weiterzuführen, hat Achim Rogg keinen Tag bereut. Aber er weiß, dass er | |
sich nicht auf dem Erreichten ausruhen darf. „Wer nicht mehr baut, bald | |
nicht mehr braut“, zitiert er einen Ausspruch seines Vaters. So ist für | |
kommenden Jahr ein neues Sudhaus geplant, eine millionenschwere | |
Investition. | |
„Was die nächste Generation macht“, sagt er, „liegt nicht in meiner Hand… | |
So sieht das auch seine Frau. „Ohne Herzblut und passenden Partner geht das | |
nicht.“ Sie fügt noch einen Satz hinzu, über den beide herzlich lachen: | |
„Dann verprassen wir die Kohle im Alter!“ Die beiden haben gut lachen. Zwei | |
der drei Kinder, sagen sie, haben das Zeug dazu, die Brauerei in die siebte | |
Generation zu führen. | |
8 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Barbara Bollwahn | |
## TAGS | |
Lebensmittel | |
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